Referendum in der Türkei - Um den Frieden in Freiheit zu sichern, braucht es einen ethischen Minimalkonsens Mit Besorgnis und Betrübnis

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Wohin wird die Türkei gehen? In einen "konservativ-islamischen Staat" hat Präsident Erdogan im Wahlkampf unermüdlich wiederholt. Nach seinem Sieg kann er fast unbeschränkt regieren. "Konservativ-islamisch" mit den Stimmen deutscher Türken, aber nicht im Geist einer europäischen Demokratie. Aber was bedeutet das in der Nachbarschaft von Syrien und Ägypten, wo besonders die Christen bedroht sind?

Noch ist in der Türkei die öffentliche Ordnung stark genug, dass sich Christen nicht unter den Schutz eines Machthabers stellen müssen. In Syrien und Ägypten hingegen stecken sie in einem Schraubstock. Zwischen blind gewalttätigen, für Humanität tauben Terroristen und den Diktatoren Assad und al-Sisi. Bei ihnen, die selbst im Fadenkreuz von IS und Al Khaida stehen, suchen sie Schutz, bringen sich aber noch mehr in Gefahr. Sie werden ermordet, als Stellvertreter für die Mächtigen.

Sich in diese Situation hinein zu fühlen, fällt Europäern schwer. Den Muslimen fehlen sowohl eine Instanz als auch ein Konsens, das in uns Menschen wohnende Böse zu zähmen. In einem Interview mit dem Islamkritiker Hamed Abdel-Samad lehnte sogar der hierzulande angesehene Muslim und Politologe Bassam Tibi Weisungen in Glaubensfragen ab.

In diesem unkontrollierbaren religiösen Niemandsland meldete sich ausgerechnet der Dachverband deutsch-türkischer Moscheevereine, Ditib, zu Wort. Möglicherweise als Stimme der türkischen Regierung, deren Religionsbehörde Diyanet er unterstellt ist. Zu den jüngsten Attentaten auf Christen schrieb er: "Das steigert unsere Besorgnis und Betrübnis umso mehr" und zeigt damit sein Mitgefühl für die Opfer und sein Engagement für Glaubensfreiheit. Nur wenige Muslime setzen sich für sie ein. Außer Ditib vielleicht nur Ahmadiyya.

Es geht um viel. Um ein Grundrecht. Damit der Frieden in Freiheit eine Chance hat, ist ein ethischer Minimalkonsens geboten, den aber eine maximale Zahl von Menschen mittragen muss. Sie könnten auf das älteste der "Heiligen Bücher" zurückgreifen, die hebräische Bibel mit den 10 Geboten und dem Auftrag an Abraham: "Sei ein Segen!"

"Ein Segen sein für andere", das kann jeder verstehen und verwirklichen. Dafür sollten die Religionen werben. Auch in der "konservativ-islamischen" Türkei. Solange und damit sie friedlich bleibt. Frieden wäre das zweite Ziel und zugleich die Voraussetzung für das dritte: Bewahren der Schöpfung.

Helmut Mehrer, Brühl

Demokratie ist nicht erzwingbar

Es ist schon ein komisches Gefühl wenn man dieses Wahlergebnis nach rein mathematischen Verhältnissen zur Wahlbeteiligung analysiert. Egal, ob gewisse Teilbereiche der Türkei vielleicht manipuliert wurden, was noch zu beweisen wäre, ist es erstaunlich, dass die meisten prozentuellen Gegenstimmen in der Türkei selbst waren.

In Deutschland haben im Schnitt bei weitem mehr als 65 Prozent für Erdogan gestimmt. Im Speziellen die NRW-Region lag teilweise gegen 70 Prozent. Dies ist nun das Resultat der gewollten Integration durch die doppelte Staatsbürgerschaft, die bei den Meisten vorhanden ist. Endlich sieht man, wie wirklich gedacht wird, vor was mich intellektuelle Deutsche türkischen Ursprungs schon vor zirka 30 Jahren gewarnt haben.

Die meisten, ich will bewusst keine Namen nennen, haben davor gewarnt und wussten um die Strukturen aus den ländlichen Regionen Anatoliens, wo die Mehrzahl der hier lebenden türkischen Landsleute her stammen. Das Versagen innenpolitischer Verantwortlicher wird deutlich durch das Verhalten dieser Menschen.

Demokratie ist nicht erzwingbar, das gilt auch für Integration. Dies ist nur erreichbar, wenn man sich eindeutig für ein Land entscheidet. Nicht jeder kann mit zwei Staatsbürgerschaften verantwortlich umgehen. Auf der einen Seite nützt er unser freiheitliches politisches Grundsystem zu seinem Vorteil, auf der anderen Seite wählt er eine aufstrebende Diktatur. Als man vor 30 Jahren davor gewarnt hat, wurde man tot geschrien, jetzt haben wir den Salat.

Nicht nur hier ist nun das wahre Gesicht enthüllt und der Schleier des Verschweigens gefallen, auch Zwangsheirat und Frauenverachtung sind in unserer Bundesrepublik doch an der Tagesordnung. Eine Änderung sollte doch möglich sein. Hier müssen die Europäer zusammenstehen. Da darf es kein "Wischiwaschi" mehr geben. Nur den europäischen Pass der EU-Mitglieder mit Ursprungsland (BRD, Niederlande, Frankreich) - keine doppelte Staatsbürgerschaft. Dies befürworten übrigens auch meine türkischen Freunde.

Rolf Weiss, Plankstadt

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