Sparkassen-Neubau - Kritische Anmerkungen eines Schwetzinger Urgesteins zur jetzigen Planung Blick in die Gestaltungsfibel hätte genügt

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Anstelle des jetzigen Gebäudes der Sparkasse vom Ende der 50er Jahre soll nun ein moderner Geschäfts- und Wohnkomplex entstehen. Hier stand bis 1957 das "Café Keßler" meiner Großeltern. Nun aber soll Schwetzingen neben Kartoffelkiste und neuem Lutherhaus ein dritter Fremdkörper inmitten der "historischen Kernstadt" beschert bekommen.

Beim Anblick des Entwurfes packte mich pures Entsetzen. Das Modell im Sparkassen-Foyer zeigt einen verschalten dachlosen Klotz, der sich unschön vom Stadtbild absprengen wird und stark an DDR-Funktionalismus erinnert. Der Sieger von "Schwetzingen soll hässlicher werden "steht fest! Im Artikel der SZ vom 4. Februar wird der Entwurf ironisch als "filigranes Modell" bezeichnet. Man muss ja den Ende- Fuffziger-Bau nicht schön finden, aber diese ausdruckslose Fassade empfinde ich als nicht zeitgemäß und ein Affront an alle, die sich an die Gestaltungsrichtlinien in der Innenstadt halten.

Es kommt aber noch besser: Im Artikel meint OB Pöltl: Es wurde alles "sehr offen und fachgerecht diskutiert". Weiter meint Sparkassen-Vorstand Wochele: "Anfangs sollten die Bürger mit einbezogen werden." Aber: "Um den Wettbewerb . . . nicht zu verzerren, wurde darauf verzichtet." Warum wohl? Schade, schade, wieder nix mit Bürgernähe, obwohl wir es sind, die später den Anblick ertragen müssen!

Anderen Bauherren schreibt die Stadt penibel Dach- und Fensterform, ja sogar die Farbe vor, bei der Sparkasse gelten offenbar Sonderkonditionen. Während mir in der Mühlenstraße die Art des "Grüns" meiner Fassade vorgeschrieben und sogar beim Neubau des Drogeriemarktes Müller auf ein "besiegeltes Mansardendach" Wert gelegt wurde, scheinen beim Sparkassen-Projekt alle gültigen Gestaltungsrichtlinien ausgehebelt. Es entsteht der Eindruck, hier muss wohl die Jury, die einen solchen Fremdkörper als den "besten Entwurf" kürt, im Vollrausch entschieden haben. Den einen wirft das Bauamt Knüppel in den Weg, hier dürfen sich Architekten hemmungslos austoben.

In der 2004 unter OB Kappenstein erschienenen "Gestaltungsfibel" der Stadt lesen wir auf Seite 14 unter Handlungsbedarf: "Die für die Kernstadt untypische flache Dachneigung fällt besonders in der Nachbarschaft zu historischen Gebäuden störend ins Auge." Weiter: "Flachdächer stören das ortstypische Straßenbild. Die Anlage von Dachterrassen ist auf die straßenabgewandte Seite zu beschränken." Auf Seite 28 lesen wir: Bei Bebauung mehrerer Parzellen mit einem Gebäude kann diese für das Straßenbild wichtige Gliederung verloren gehen." Und auf Seite 32 - ebenfalls unter Handlungsbedarf heißt es: "Glänzende und polierte Natursteinmaterialien sind . . . unangemessen." Die Häufung von Verstößen des Sparkassenneubaus gegen die Gestaltungssatzung könnte man beliebig fortführen. Ausgerechnet zwischen Friedrichschule und dem barocken "Wilden Mann" wird, statt der angekündigten "Gauben und Türmchen", eine gesichtslose Schuhschachtel das historische Stadtbild endgültig und harmonisch abrunden.

Ein Gutes daraus möge der geneigte Leser doch noch entnehmen: Sollte diese Katastrophe wirklich realisiert werden, wird wenigstens das Gefasel vom "barocken Stadtkern" für immer und ewig verstummen.

P.S.: Die "Gestaltungsfibel" ist noch immer kostenlos im Bauamt Schwetzingen erhältlich.

Martin Keßler, Schwetzingen

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