Leserforum - Zum Thema Aktionen mit zweierlei Maß gemessen

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Wer sich der Vergangenheit nicht erinnert, ist verdammt, sie zu wiederholen. Bezüglich des aufkommenden Protestes gegen den Umbau der Schulstraße und der damit verbundenen Unterschriftensammlung und das Verhalten der Stadtabgeordneten zeigen sich doch viele Parallelen zum Ereignis im Frühjahr dieses Jahres als die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen die ÄBD-Reformen und damit die Schließung der Notdienstzentrale Viernheim durchführte.

Um den folgenden Text zu verstehen, betone ich, dass nicht die Wichtigkeit zwischen dem Erhalt eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes vor Ort und dem Umbau einer Straße diskutiert werden soll. Es sollen lediglich Vorgehensweise und Verhalten vor Augen geführt werden.

Als die KV Hessen im April die Tür der hiesigen Notdienstzentrale endgültig abschloss, waren die Stimmen laut. Zahlreiche Briefe erschienen, seitens politischer Personen Viernheims im Namen ihrer Partei, stets mit der Aufforderung an die Viernheimer Bürger: Ihr könnt etwas bewegen, indem Ihr Eure Unterschrift abgebt - Eure Stimme zählt.

Und die über 700 Unterschriften der Bürger gegen die Neugestaltung der Schulstraße zählen nicht? Warum nicht, frage ich die Stadtverordneten? Nur weil sie nicht wankelmütig wirken möchten, weil sie eine lange Zeit der Planung, Kompromisse und Aufwand hinter sich haben?! Diese Argumente konnte die KV Hessen auch anführen, sie hatte Jahre langer und harter Planung hinter sich, zudem den Erhalt medizinischer Versorgung in Notfällen, trotz Ärztemangel. Doch hier erschien den Politikern das Mittel der Unterschriftensammlung ein geeignetes Instrument, die KV Hessen zur "Wankelmütigkeit" zu bewegen. Jetzt bedienen sich die Viernheimer wieder dieses Mittels, doch diesmal nehmen die Stadtverordneten, mit wenigen Ausnahmen, die Rolle der KV Hessen ein und demonstrieren auf eigene Weise, dass den Stimmen der Bürger in dieser aktuellen Angelegenheit keine Beachtung geschenkt werden kann, denn es ist beschlossene Sache. Die Waffen, mit denen die Politiker den Vormarsch der KV stoppen wollten, werden nun gegen sie selbst gerichtet - und jetzt gehen sie auf dieselbe Art und Weise drüber hinweg, welche Ironie!

Die Stadtverordneten haben den Bürgern somit demonstriert: Die von ihnen angewendeten Methoden verlieren ihre Wirkung, sobald sie gegen die anscheinend nicht revidierbaren Beschlüsse der Stadtverordneten gerichtet werden. Daraus erschließt sich ebenso die Untreue gegen sie selbst. Ob sie ein geplantes Vorgehen noch einmal überdenken oder ein Verhalten wie oben beschrieben an den Tag legen, sie sind so oder so "wankelmütig" und "nicht nachvollziehbar".

Worte wie Ignoranz und Arroganz, bezüglich des Festhaltens der KV an ihren Plänen, trotz Unterschriften, fielen damals in den Reihen der Politiker. Dann müssen all diejenigen, die jetzt ihre Unterschrift abgegeben haben, ihrem damaligen Beispiel folgen und jetzt dieselben Worte über sie in den Mund nehmen. Die optimalste Lösung zu finden ist Gesetz Nummer eins. Das heißt, die Theorie muss in der Praxis umsetzbar sein. Die Praxis kennen nun mal nur die, die direkt in dieser Straße ihren Berufs- und Lebensraum haben.