Tierwohl - Wer Fleisch essen möchte, sollte sich auch über die Produktion Gedanken machen Ach – du arme Sau!

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So einem die derzeitige Situation des Nachts den Schlaf raubt, sollte man nicht unbedingt den Fernseher einschalten! Und sich schon gar nicht eine Dokumentation anschauen, wo und wie manches Fleisch produziert wird. Die Sendung hieß „Das arme Schwein“ und lief am 25. Juni um 0.40 Uhr im SWR.

Zu sehen waren riesige „Produktionsanlagen“, in denen 5000 Schweine in hygienischster Weise, jedoch ohne irgendwelche Rücksicht auf eine lebendige Kreatur, „hergestellt“ wurden. Es müssten allerdings 10 000 sein, um richtig verdienen zu können, hieß es.

Diese industrielle Produktion wurde vom Bund und von Europa subventioniert. Den Produzenten einen Bauern zu nennen, ist eine Beleidigung dieses heutzutage oft zu Unrecht angegriffenen Berufsstandes! Eine Beziehung Mensch-Tier findet hier nicht mehr statt. „Bauer“ und Tierarzt betreten wie im Krankenhaus Corona-mäßig eingekleidet und desinfiziert die Ställe, um ja kein Tier anzustecken. Natürlich muss bei so einer großen Herde vorbeugend mediziniert werden, woran der betreuende Tierarzt gut verdient.

Der kümmert sich nicht um kranke Tiere, sondern um gesunde. Die Schlachthausbetreiber beschäftigen Subfirmen, die arme Menschen aus Süd- und Osteuropa in verachtenswertester Weise ausbeuten. Billiges Fleisch für große Gewinne! Die Überproduktion ist, so war zu hören, nicht in Deutschland zu vermarkten, sondern muss zu Weltmarktpreisen draußen verhökert werden. Die Rede war von 20 Prozent! Französische Schlachthöfe schließen einer um den anderen, Tausende Menschen werden arbeitslos, die können dem deutschen subventionierten Druck nicht standhalten. Geht’s noch? Einiges, was wir nicht essen wollen, landet in Afrika und macht dort die einheimische Landwirtschaft kaputt.

Da die industrielle Produktion nicht mehr an die Fläche gebunden ist, entsteht das Problem mit viel zu viel Gülle. Wohin damit? Soll etwa der Steuerzahler dafür aufkommen? Der hat ja billiges Fleisch dafür bekommen? Von diesen unsäglichen Großbetrieben kommt die Gülle, die das Trinkwasser nitratmäßig verseucht. Das sollten sich die Leute hinter die Ohren schreiben, die ständig kleine Bauernbetriebe attackieren.

Aus der industriellen Produktion sollte man im Hinblick auf Tier und Mensch so schnell wie möglich aussteigen. Nicht in fünf oder in zehn Jahren! Zu fordern ist die Rückkehr zur Bindung an die Fläche – und zwar unbedingt. Es ist mir unverständlich, dass ein ehemaliger konservativer Landwirtschaftsminister eine solche Öffnung einst unterzeichnet hat. Es ist mir unverständlich, dass grüne Politiker hier nicht ansetzen, die sich sonst um jeden Sandkäfer bemühen. Es ist mir unverständlich, dass Nutztiere so elend behandelt werden, wir aber für unsere Lieblinge bereit sind, Milliarden auszugeben. Es ist mir unverständlich, warum auf dem teuersten Grill das billigste Fleisch landet.

Es ist mir unverständlich, warum immer neue Labels ausgedacht werden, die nur unser Gewissen beruhigen sollen, aber nur scheinbar viel verändern. Gewiss hat es der Verbraucher in der Hand. Insoweit hat die jetzige Landwirtschaftsministerin recht. Der Akt an der Theke ist entscheidend. Dennoch ist auch die Politik als Lenkungsinstrument gefragt und darf sich nicht mit dem Argument davonstehlen, dass der Verbraucher an allem schuld ist.

Wir sollten bei einem Metzger unser Fleisch kaufen, der uns versichert, dass die Tiere ein gutes Leben hatten und einen vertretbaren Tod. Da in unseren Ortschaften seit langem nicht mehr geschlachtet wird, sehen wir nicht mehr, wie Tiere zur Schlachtung geführt werden, das kann und muss auch nicht wieder so kommen. In der Schweiz gibt es gar Landwirte, die einen mobilen Schlachter beschäftigen, um der Tiere willen, zu denen sie eine Beziehung haben – für hiesige Verhältnisse wohl nicht denkbar. In der Schweiz ist das Fleisch doppelt so teuer als hier! Weshalb viele Schweizer in Konstanz einkaufen gehen.

Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass Fleisch kein Industrieprodukt ist, sondern von einem Lebewesen kommt, das ein Recht hat auf gutes Leben und einen gnädigen Tod. Viele Menschen verzichten angesichts der oben genannten Zustände bereits auf Fleisch. Wir, die wir es immer noch gern und gut essen möchten, können uns nur dann ihnen gegenüber rechtfertigen, wenn wir auf das Tierwohl und unser eigenes Wohl achten, beides hängt unweigerlich zusammen.

Klaus Tremmel, Ketsch

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