Apotheken - Digitalisierung ist hier weit fortgeschritten / Online-Händler aus Holland picken sich die Rosinen raus / Notdienst vor Ort Alle müssen sich ans Recht halten

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Vor einigen Tagen hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das Apothekenstärkungsgesetz der Öffentlichkeit vorgestellt. Dies nahm Redakteur Stefan Vetter zum Anlass – offensichtlich ohne sich vorher sachkundig gemacht zu haben – in einem Kommentar („Zu Lasten der Patienten“) dagegen zu polemisieren. Das schreibt uns der Inhaber einer Apotheke. Und weiter: Hätte sich Stefan Vetter auch nur ein bisschen mit der Materie befasst, wäre er schnell darauf gestoßen, dass es nicht darum geht „einheimische Apotheken vor den Stürmen des internationalen Wettbewerbs zu schützen“. Vielmehr soll das Gesetz ausländische Versandapotheken-Konzerne, die vornehmlich von Holland aus agieren, dazu zwingen, sich an deutsches Recht zu halten – so wie die Apotheke vor Ort es auch tut und übrigens auch deutsche Arzneimittel-Versandhändler.

Bislang dehnen diese Großkonzerne (als Aktiengesellschaften nicht dem Patienten und Verbraucher verpflichtet, sondern ihren Kapitalgebern) das Recht, wie es ihnen beliebt, immer vor dem Hintergrund, die wohnortnahe Versorgung auszuhebeln und langfristig zu zerstören.

Dagegen ist nach gültigem deutschen Recht der niedergelassene, selbstständige Apotheker grundsätzlich persönlich haftbar, übrigens mit seinem gesamten Vermögen. Dies führt seit Jahrzehnten erfolgreich dazu, dass – kombiniert mit einer intensiven Überwachungstätigkeit der zuständigen Aufsichtsbehörden – Auswüchse im Regelfall sehr schnell im Keim erstickt werden, zum Schutz und Vorteil der Kunden!

Ausländische Versandapotheken entziehen sich auch hier: obwohl vielfach von deutschen Gerichten ob ihres fortgesetzten Rechtsbruches in vielfältiger Weise zu hohen Geldstrafen verurteilt – bislang konnte meines Wissens noch keine dieser Strafen eingezogen werden. Zu Recht fragt die Fraktion „Die Linke“ im Bundestag, wer denn wohl diese Versandapotheken kontrolliert, denn offensichtlich fühlen sich weder niederländische noch deutsche Behörden verantwortlich!

Während sich Versandhandelsapotheken quasi die „Rosinen“ der Arzneimittelversorgung herauspicken, verbleiben die gesetzlich geregelten Gemeinwohlpflichten, wie Rezeptur, die Versorgung mit Betäubungsmitteln und Kühlartikeln sowie der Nacht- und Wochenendnotdienst in der Vor-Ort-Apotheke.

Dazu kommt eine überbordende Bürokratie mit vielerlei Dokumentations- und Prüfpflichten. All dies bringt viel Aufwand und wenig Ertrag und ist Teil einer politisch gewollten Mischkalkulation. Übrigens sind in den letzten 15 Jahren die Einnahmen der Krankenkassen um fast 75 Prozent, das Brutto-Inlandsprodukt um 53 Prozent, die Erträge (nicht der Gewinn) der Apotheken allerdings nur um 15 Prozent gestiegen. Dies bei steigenden Kosten und immer höheren Personalausgaben. Kein Wunder, dass jährlich zirka 400 Apotheken für immer schließen.

Auch die hoch qualifizierten 160 000 Apothekenbeschäftigten haben es nicht verdient, so pauschal abgewertet zu werden. Im Gegenteil: Sie leisten tagtäglich höchst professionelle Arbeit in einem immer dichter werdenden Dschungel von Bestimmungen, gesetzlichen Vorgaben und steigender Bürokratie. Dies zum Wohle der Kunden und Patienten – und oft auch als deren erste Anlaufstelle, Kummerkasten und leider manchmal auch Prellbock: denn auch Kranke leiden zunehmend unter dem immer größer werdenden Druck, den Gesetzgeber und Krankenkassen aufbauen.

Redakteur Vetter erwähnt auch nicht, wer mehrmals täglich bei Ärzten anruft, um Unklarheiten auf den Rezepten der Patienten zu klären. Er kann es nicht wissen, denn er hat aus meiner Sicht nicht recherchiert – nur eines ist klar: der Versandhandel macht es sicher nicht!

Nur nebenbei: all diese Arbeitsplätze sind prinzipiell wohnortnah, überwiegend besetzt von Frauen mit Familie und Kindern, in Vollzeit oder jeder möglichen Form von Teilzeit. Das sind doch auch immer wieder Forderungen unserer Politiker in ihren Sonntagsreden! In Apotheken wird es seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert!

Und all diese Mitarbeiter und Apotheken zahlen Steuern und Sozialabgaben!

Dies alles sieht weder der Kommentator, noch ein großer Teil der selbst ernannten Gesundheitspolitiker verschiedenster Parteien! Vielfach beklagt man sich über die schwindende Gesundheitsversorgung vor allem im ländlichen Raum, vergisst aber dabei, dass Apotheken von Patienten oft als niederschwellige kompetente Anlaufstelle wahrgenommen werden. Nein, Apotheken müssen nicht protegiert werden, sie bestehen nur darauf, dass sich alle Marktbeteiligten an Recht und Gesetz halten, wie es die noch 19 000 Vor-Ort-Apotheken (Tendenz stark fallend) und ihre Mitarbeiter auch tun!

Dann polemisiert Stefan Vetter auch noch „warum ausgerechnet Apotheken vom digitalen Wandel verschont bleiben sollen“. Was ist überhaupt der „digitale Wandel“? Hat der Redakteur denn in den letzten 20 Jahren schon einmal eine öffentliche Apotheke von innen gesehen und sich mit den Arbeitsabläufen vertraut gemacht? In deutschen Apotheken ist die Digitalisierung weiter vorangeschritten als in manch anderer Branche: ohne PC geht gar nichts mehr, die Medikamentenbestellung bei Herstellern und Großhandel ist digital, in vielen Apotheken auch die Kommissionierung, das heißt Medikamente kommen nicht mehr aus Schubladen, sondern einem Lagerautomaten direkt an den Verkaufs- und Beratungsplatz. So bleibt mehr Zeit für die kompetente und qualifizierte Beratung! Und ja, diese Beratung ist und bleibt persönlich und wird auch nicht digital! Diese Beratung ist es, was die Verbraucher schätzen!

Und was bitte schön ist am Versandhandel denn wirklich digital? Lediglich der Bestellweg und auch das bieten die meisten öffentlichen Apotheken: Bestellung über die Homepages beispielsweise Apps samt anschließender Lieferung, wenn gewünscht. Und der Versandhandel? Liefert per Päckchen! Ist das digital? Ist das umweltfreundlich?

Ein ganz anderes Thema, das Apothekern und Patienten mindestens genauso auf den Nägeln brennt, ist die zunehmend schwindende Verfügbarkeit von vielen verschiedenen Medikamenten und Impfstoffen aus unterschiedlichen Gründen. Manche Arzneimittel fehlen nur wenige Tage, andere über Monate hinweg. Dies macht die ordentliche Arzneimittel-Versorgung der Bevölkerung immer schwieriger, bei manchen Wirkstoffen und Präparaten zeitweise unmöglich!

Darüber schweigen der Autor wie auch die zuständige Gesundheitspolitik – Jens Spahn wo sind Sie? Liebe Bundestagsabgeordnete: das ist leider ein schwieriges Feld, aber es geht auch um Ihre Wähler!

Stefan Vetter, ich lade Sie liebend gerne zur Diskussion und Erweiterung Ihres Horizontes in eine meiner Apotheken ein, übrigens auch alle interessierten Leser! Dr. Jürgen Sommer, Schwetzingen