Sportgelände-Verkauf in Brühl - Ein Seniorenheim, das wie ein Turm aus der Gemeinde ragt / Entscheidungen im stillen Kämmerlein / Der absichtlich überfrachtete Plan Bürgerbeteiligung – eine echte Farce

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Begonnen hat die Planung zur Bebauung des Geländes am Schrankenbuckel mit strikter Geheimhaltung für Gemeinderäte. Nach zwei Jahren Investorenauswahl kommt ein Entwurf zur Ab-stimmung, der Brühl nahezu in eine Schocklage versetzt. Auf nicht mal 3,5 Hektar sollen 400 Wohnungen entstehen – 700 bis 900 neue Bürger, also sieben Prozent Zuwachs. Und der Entwurf: Gebäude mit bis zu sieben Stockwerken, extrem verdichtete Bebauung, fast die ganze Fläche mit Tiefgaragen versiegelt, Verschlechterung der ökologischen, verkehrstechnischen und klimatischen Verhältnisse für die Umgebung. Kein sozialer Wohnungsbau, kein Kindergarten auf dem Gelände.

Da gründet sich schnell eine Bürgerinitiative mit großer Resonanz. Plötzlich – es stand die Kommunalwahl an – ist man bereit, die Bürger zu beteiligen. Was dann geschah, ist unglaublich. Man bot einen „Runden Tisch“ an, vier Sitzungen – wieder hinter verschlossenen Türen, ohne Pressebeteiligung. Durch Losentscheid konnte ich dabei sein und die letzten drei Sitzungen miterleben. Der Bürgermeister fährt mit Fachleuten auf, die an den Planungen beteiligt sind, auch die Investorengruppe. Gegen Bezahlung.

Auf das Ziel hin getrimmt, nur geringfügige Kompromisse einzugehen (so wurde mir das von einem der Fachleute bestätigt), um möglichst den Erlös vom Investor durch den Verkauf des Geländes zu erhalten. Das Prestigeobjekt Sportpark-Süd soll finanziert werden. Geringe Veränderungen nach jeder Sitzung ließen erahnen, wohin die Reise geht. Kleine Zugeständnisse und Umplanungen, wesentliche Reduzierungen keine. Die Moderation wird so gestaltet, dass hauptsächlich Bürgermeister und Fachleute reden, die Bürger am „Runden Tisch“ nur in ein bis zwei Sätzen eine Einschätzung abgeben können.

Das Ergebnis nach der vierten Runde: Zehn Prozent Reduzierung des Bauumfangs. Und jetzt kommt’s: Kürzlich erscheint der Siegerentwurf der Investoren, mit reduzierter Verdichtung und deutlich mehr Freiflächen als die Version, die im März 2019 öffentlich vorgestellt wurde. Das bestätigt, was längst vermutet wurde. Der Bürgermeister packte zur Entscheidung im Gemeinderat auf den Siegerentwurf noch einige Schippen drauf, um Verhandlungspotenzial zu haben. Und der Gemeinderat hält – mit wenigen Ausnahmen – weiter dicht.

Ist das Bürgerbeteiligung? Wofür habe ich mit Vorbereitung und Gesprächen 40 Stunden investiert? Und dann lese ich den Artikel „Das ist Demokratie in ihrer besten Form“ mit den Lobeshymnen zur Bürgerbeteiligung in Form des „Runden Tisches“. Da wird einem zum Brechen übel?

Wirtschaftlich gesehen ist das ein Reinfall: Die Herausgabe des Grundstücks ermöglicht es dem Investor, extrem hohe Gewinne aus den Erlösen zu erwirtschaften. Diese könnte die Gemeinde einfahren, würde sie die Planungen, Architektenleistung und Bauaufträge vergeben. Da muss sich der Gemeinderat fragen, ob die geplante Vorgehensweise, alles an den Investor zu verscherbeln, zu verantworten ist. Die mehrfache öffentliche Aussage des Bürgermeisters, dass auch Ein- und Zweifamilienhäuser möglich wären, um den Sportpark-Süd zu finanzieren, habe ich noch in Erinnerung. Könnte man doch Aussagen auch mal trauen.

Klaus Triebskorn, Brühl

Nur ein Projekt „systemrelevant“?

Brühl hat ein Problem, das heißt Sportpark-Süd. Es ist das einzige „systemrelevante“ Projekt in Brühl. Eigentlich braucht Brühl keinen Sportpark-Süd und nun wird er viel teurer als gedacht. Brühl hat eigentlich nicht genug Geld für den Sportpark-Süd, aber Bürgermeister und Gemeinderat identifizieren sich mit diesem Prestigeprojekt. Also muss Brühl ordentlich Schulden machen. Und das Sportplatzgelände muss zusätzlich viel Geld einbringen. Das geht am einfachsten, wenn man so dicht und hoch wie möglich baut und das Grundstück verkauft, statt es in Erbpacht zu vergeben.

Brühl hat noch ein Problem, das heißt „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“. Da gab es also mal einen „Siegerentwurf“ für die Sportplatzbebauung! Der berücksichtigte vernünftige, städtebauliche Aspekte, aber er hätte nicht genug Geld in die Kassen von Investor und Gemeinde gespült. Also musste er auf Wunsch der Verwaltung auf maximalen Gewinn „optimiert“ werden. Über diesen nun baulich völlig überfrachteten Entwurf durfte am „Runden Tisch“ mit Bürgerbeteiligung beraten werden – nicht öffentlich. Drei Runden ging das auch gut. Es wurden Verbesserungen beschlossen. Bei der vierten und letzten Sitzung gab es wohl nur einen Kompromiss bezüglich der Reduzierung der Geschosszahlen des übergroßen Seniorenzentrums. Es sollten ein bis zwei Geschosse weniger werden. So verstanden es zumindest die Bürgerinitiative und die Nichtgemeinderatsmitglieder des „Runden Tisches“. Das offizielle Protokoll der Verwaltung hat diesen Kompromiss wohl „nicht mitgekriegt“, genau wie der Bürgermeister. Der „nicht öffentliche“ Kompromiss wurde „öffentlich“ als nie vereinbart abgetan. Schlechter Stil, aber es geht schließlich um‘s Geld und ums Prestige. Was juckt die Obrigkeit der Frust von ein paar Hundert Anliegern. Hauptsache, die Kasse stimmt.

Helmut Wunschmann, Brühl

Es geht um die Einnahmen

Dass man das Sportareal am Schrankenbuckel als Wohnquartier nutzen möchte und die Sportanlagen im neuen Sportpark- Süd konzentrieren will, hört sich sinnvoll an. Dass so ein großes Vorhaben, wie ein Sportpark kostenseitig aus dem Ruder laufen kann, ist auch klar. Weil das neu zu errichtende „Quartier“ zur Finanzierung dient, müssen die Einnahmen (bei steigenden Kosten des Sportparks) auch steigen. Zur Vorsicht baut man bei der Planung noch etwas Puffer ein. Hört sich doch nach einer vernünftigen Finanzplanung an, oder?

Dummerweise ist die Fläche des Areals begrenzt und man muss deshalb sehr dicht und in die Höhe bauen. Die Gebäudehöhen wurden im Vorfeld zum ersten öffentlichen Entwurf um zwei erhöht (auch um bei möglichen Einwänden der Bürgerschaft Spielraum zu haben).

Die Planung ist sehr vorausschauend, da es wirklich eine Bürgerinitiative mit mehr als 1000 Personen gegeben hat, die eine so dichte Bebauung als unangebracht erachtet. Zumindest kann Brühl mit dem neuen Quartier behaupten, einen Spitzenplatz in der Region bei der Bebauungsdichte einzunehmen. Die Lösung: ein „Runder Tisch“, an dem ich Teilnehmer war.

Ein großes Lob dafür an den Bürgermeister. Der „Runde Tisch“ wurde für vier Termine angesetzt und es wurden eine Vielzahl Experten- und Bürgermeinungen angehört und eingearbeitet. Bis hierhin gut gemacht – sowohl taktisch als auch vom Prozess her. Leider konnte man nicht alle Punkte bis zum Ende des vierten Termins im Konsens aus dem Weg räumen. Ein gewünschter fünfter Termin war nicht möglich, weil dies zu teuer geworden wäre.

Es wurde von den Gemeinderäten und vom Bürgermeister eine Reduktion der Anzahl der Geschosse des Seniorenzentrums in Aussicht gestellt (man beachte, dieses Gebäude wird sowohl von den Abmessungen als auch der Höhe absolut Spitze sein und wie oft im Spaß gesagt „einen echten Leuchtturmcharakter“ haben – ein Turm von sieben Stockwerken. Angeblich braucht man dieses Monstrum, um ein Seniorenzentrum wirtschaftlich betreiben zu können. Interessanterweise gibt es genug Gegenbeispiele. Aber vielleicht ist es hier so ähnlich, wie bei den Absprachen im Vorfeld mit dem Bauträger (inoffiziell).

Schade, dass mühsam aufgebautes Vertrauen mit einem Schlag zerstört werden kann. „Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe …!“ Man kann den Bürgermeister und die Gemeinderäte nur an Max und Moritz erinnern und empfehlen, die Entscheidung zu überdenken.

Ralf Schröder, Brühl

Kritik bei Bürgern ist groß

Noch im Kommunalwahlkampf 2019 gründete sich die Bürgerinitiative Sportareal am Schrankenbuckel, der sich rasch viele Bürger aus ganz Brühl und Rohrhof anschlossen. Damit war klar, dass die Ergebnisse der jahrelangen Planung samt Investorenauswahlverfahren für die Bebauung des FV-Geländes, die Bürgermeister Dr. Ralf Göck und Gemeinderat komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführten, bei der Mehrheit der Bevölkerung auf Kritik stoßen. Das belegten auch die mehr als 1000 Unterschriften, die binnen zehn Tagen gegen das Vorhaben in seiner geplanten Form gesammelt wurden.

Viele Gemeinderäte zeigten sich in Teilen offen für Veränderungen. Es gab aber auch Stimmen, beispielsweise vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Schnepf, der damals nichts am Vorhaben ändern wollte. CDU-Fraktionsvorsitzender Till entzog sich der Diskussion komplett und hielt nicht einmal ein persönliches Erscheinen am späteren „Runden Tisch“, der vom Bürgermeister auf den öffentlichen Druck hin angeboten wurde, für erforderlich, sondern entsendete stets Vertreter.

Spätestens hier wird klar, die Kommunalwahl ist zwischenzeitlich vorbei und damit anscheinend auch das Engagement der gewählten Bürgervertreter. Wie ich in der Presse gelesen habe, erfolgte von keinem Gemeinderat eine Reaktion auf den sachlichen und anständigen offenen Brief der Bürgerinitiative. Und weil das nicht genug zu sein scheint, werkelt der Gemeinderat wieder hinter verschlossenen Türen weiter. Da frage ich mich ernsthaft: Geht’s noch! Hat der Bürgermeister denn nicht verstanden, dass gerade in Sachen Investorenauswahl eine maximale öffentliche Transparenz wichtig ist? Versteht denn der Bürgermeister nicht, dass mit der an den Tag gelegten Intransparenz maximaler Spekulationsspielraum gegeben wird? Ich frage mich gar, wessen Interessen hier vertreten werden?

Zugegebenermaßen bin ich mir darüber im Klaren, dass jedes Vorhaben auch gegenfinanzierbar sein sollte, um den Bürger nicht noch weiter zu belasten. Schon fast wieder vergessen, ist die erst kürzlich erfolgte Grundsteuererhöhung um 50 Prozent. Offenbar wusste man da schon, dass der Sportpark-Süd nicht wie geplant finanzierbar sein wird. Das Kalkül der ursprünglich geplanten Quersubventionierung durch den Verkauf der Grundstücke des FV-Geländes ist legitim, doch anscheinend nicht mehr ausreichend. Die (Genesungs-)Kosten für den bei der Finanzplanung des Sportparks-Süd erlittenen Bauchplatscher nun den Bürgern aufzubürden und für Jahrzehnte in einem klotzigen Seniorenzentrum einzuzementieren, ist nicht der richtige Ansatz. Sorry, ich habe ganz vergessen: Ein Bauchplatscher kann es nicht gewesen sein, denn das Schwimmbad bleibt ja dieses Jahr geschlossen. Auch hier hat der Bürgermeister nur die Brille des Kämmerers auf. Der Verlust an Lebensqualität, nachträgliche Gesundheitskosten oder Auswirkungen auf klimatische Verhältnisse – ich schiele auf das sich nicht einfügende Seniorenzentrum – werden auf dilettantische Art und Weise ignoriert. Ein Armutszeugnis für Gemeinderat und Bürgermeister!

Andreas Laufer, Brühl

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