Kommunalwahl in Schwetzingen - Lieber endlich mal auf die Stimme der Bürger hören Das Leben nach einem Wahlkampf in der SPD

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Um eine gute Politikerin zu sein, braucht man den Bekanntheitsgrad, ein gewisses Talent und Expertise – zumindest in einem bestimmten Themenfeld. Ich zitiere diesen Satz des hessischen Landtagsabgeordneten Bijan Kaffenberger, der mich bei einer Vorstellungsrunde seines Buches bei der SPD Ketsch beeindruckt hatte. Ich hätte gerne schon vor der Schwetzinger Gemeinderatswahl meine Botschaft an die Leser bringen wollen, denn Kaffenberger leidet seit seiner Kindheit an dem Tourette-Syndrom. An diesem Abend wurde mir erst klar, zu was man fähig ist, wenn man nur will und dafür wird es sich lohnen, zu kämpfen – ob mit SPD oder ohne.

Ich finde, es wäre eine Botschaft wert gewesen, die Politiker mit allen ihren Ticks zu zeigen. Die Botschaft zu senden, dass jeder das Recht hat, seine Fähigkeiten auszuleben, ob mit oder ohne Handicap. So sein zu dürfen wie man ist. Fähigkeiten und nicht nur immer Kompetenzen in den Vordergrund zu setzen, das hätte die Botschaft sein sollen.

Gott sei Dank hat sich das Gesetz geändert und Menschen mit Handicap dürfen wählen, auch wenn einige immer noch der Meinung sind: „Was verstehen die schon von Politik?“ Dies wäre mein Thema gewesen und wer mich kennt, weiß, wie ernst es mir ist und wie sehr mir dies am Herzen liegt. Leider musste ich schon die Erfahrung machen, dass ein solcher Bericht über mich scheinbar nicht gewünscht war und die Partei bat mich, diesen erst mal auf Eis zu legen, sozusagen als Bonbon nach der Wahl.

Wie konnte ich mich nur davon abbringen lassen, frage ich mich heute. Denn umso mehr ich mitverfolgt hatte, wie viele Berichte es in die Presse schafften, indem sich einige Personen ablichten ließen und mit Themen die angeblich ihr Verdienst waren, die ihre Texte geschrieben bekommen haben und die Positionen eingenommen haben, die sie gar nicht hatten. Aber gut, das musste ich lernen, das ist eben Politik. Wie konnte ich nur denken, mit kuscheln komme man weiter. Nein, als mir dann noch erklärt wurde, dass eben das Wort Kampf in dem Wort Wahlkampf stecke, stockte mir das Blut.

Mit meinem Einstieg in die SPD, auch wenn es offiziell nur eineinhalb Jahre waren, war ich so voller Emotionen, dass ich mir sicher war, hier bist du richtig. Zuvor war ich immer eher eine Allzweckwaffe im Ortsverein. Als das gut lief, war ich der Überzeugung, da trete ich bei. Als noch die Anfrage kam, ob ich auf die Kandidatenliste wolle, kam mir die Frage, kannst du das überhaupt. Doch überzeugende Worte gaben mir Sicherheit – also warum nicht? Viel habe ich geleistet, viel gelernt, alles ohne Mentoren – sozusagen meine Hausaufgaben erledigt.

Zuerst sollte ich auf Listenplatz 8, der mir jedoch wieder genommen wurde. Schließlich musste man neue Mitglieder oder auch Nichtmitglieder stärker fördern. Es war wie bei einem Spiel, in dem man die Anweisung bekommt, begebe dich auf Platz 11 zurück.

Ich habe „gschwätzt mit de Leud“, denn schließlich wohnen wir ja in Schwetzingen, haben das Ohr an den Bürgern. Ich hatte mir mein Vertrauen erarbeitet. Nun kannte man mich, nicht nur als diejenige, die ihr Ehrenamt auf dem Friedhof mit der Pflege und der Bepflanzung der Soldatengräber aktiv gestaltet.

Die SPD hat schwere Zeiten, sicherlich, aber soll ich hier der rettende Engel für Leute sein, die alles in die Wiege gelegt bekommen? Mitgestalten, miterleben, ein Miteinander spüren – das wollte ich mit meinen Botschaften, die mir Bürger mit auf den Weg gaben, erreichen. Doch nach der Wahl war ich weniger gefragt. Die Botschaft wurde nicht mehr erhört. Als ich bekannt gab, dass ich unter anderem die Inklusion zu meinem Thema machen möchte, wurde die Resonanz weniger. Brauche ich eine Partei, damit ich Gespräche führen kann? War das meine Partei – meine SPD? Nein, die vielen Berichte mit zitierten Sätzen, die es so bei den Versammlungen gar nicht gab – das wollte ich nicht mehr.

Ich hatte 2002 aufgrund eines Kampfes darum, dass mein Vater nach seinem schweren Schlaganfall nach Hause kommen darf, eine ganz andere, eine starke SPD kennengelernt. Der Kampf ging an die Öffentlichkeit, an die Presse, ich wollte nicht verlieren. Mir war es wichtig, dass diese Menschen das Recht haben, in ihrem Umfeld weiterleben zu dürfen, auch wenn sie alleine sind. Ich habe gekämpft und damals auch gesiegt – dank der SPD Hessen.

Wo ist jetzt unser „S“ geblieben? Wir sollten lernen, auf die Stimmen der Bürger zu hören. Sie zeigen uns, was zu tun ist. Ich werde daher zum 30. Juni der SPD den Rücken kehren. Ich bin mir sicher, nur so werde ich weiterhin vertrauensvoll bleiben.

Ich sage Danke an alle, die mir ihre Stimme geschenkt haben, die mich als Person gewählt haben – vielleicht auch aus meiner eigenen Partei. Danke dafür, dass ich hinter die Kulissen schauen konnte. Doch Ehrlichkeit währt am längsten, alles andere lasse ich hinter mir. Sollen doch andere das handhaben, wie sie wollen – ohne mich. Und meinen Satz, den ich mit in den Wahlkampf genommen hatte: „Stets das Ohr an den Bürgern“, der bleibt bei mir.

Die Zeit kann ich nützlicher verbringen, mit Menschen, die es ehrlich mit einem meinen. Ich wünsche der SPD Schwetzingen mit ihrem neuen, starken Team alles Gute und möge ihnen vielleicht eine Veränderung gelingen.

Ich danke allen, die mich motiviert haben, mich öffentlich zu verabschieden. Danke, ihr seid wunderbar. Ich bleibe Euch erhalten und werde weiterhin mein Ohr am Bürger haben.

Sabine Englert, Schwetzingen