Werte-Union - Großmut statt Engherzigkeit bewahren Die Grundwerte der Verfassung

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Wenn es nicht so bedauerlich wäre, was er tut, dann könnte man Alexander Mitsch aus Plankstadt herzlich gratulieren. Seit einer Woche prangt sein Foto unter den von „Pocket“ empfohlenen Google-Texten mit dem Verweis auf den Satz: „… ich wollte mich nicht von meinen Kindern fragen lassen, Papa, [du hast das doch gesehen,] warum hast du [nichts getan?]“

Was er anstrebt, ist nicht schwer zu erraten: Es ist die Revision des „Wir schaffen es“ von Kanzlerin Angela Merkel und seiner Folgen: die Öffnung der Grenze im September 2015 für in Ungarn herumirrende Flüchtlinge. Dafür lieferte unsere Verfassung aber gute Argumente, die ohne Ausnahmen für alle Menschen gelten, also auch für Flüchtlinge:

Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar…

Artikel 2: Jeder hat ein Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit…

Artikel 3: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich …

Dass die Kanzlerin Ungarn aus der Bredouille holte, könnte man als einen Akt der Dankbarkeit deuten. 36 Jahre vorher, in Jahr 1989, hatte dieses Land seine Grenzen für Freiheit suchende DDR-Bürger geöffnet. Obwohl sich die meisten Bundesbürger darüber freuten, hörte man auch damals schon Bedenken, am lautesten von Oskar Lafontaine.

Nun also 2015. Zwei Jahre nachdem Papst Franziskus den Europäern die Mitschuld am Tod von Zehntausenden im Mittelmeer Ertrunkenen vorgehalten hatte, trafen neue Flüchtlinge ein. Unter den Bürgern vieler Städte und Gemeinden wuchs die Zahl der freiwilligen Helfer, die sich freuten, Menschen in Not beistehen und sich für eine fraglos große Sache einsetzen zu können. Und die freie Welt applaudierte ihnen, so wie 1989 den Ungarn.

Doch da war auch der rechte Rand. Er grummelte erst leise, dann immer lauter, je mehr Gehör er fand. Der Zulauf, den er bekam, machte erst die CSU dann auch die CDU nervös. 2016 verlor sie die Landtagswahlen. Warum? Weil sie das Kniezittern bekommen hatte, oder weil sie den Grundwerten unserer Verfassung untreu geworden war?

Das wird man nie wissen. In der Geschichte wiederholt sich nichts. Aber manches bleibt in der Erinnerung: die Begeisterung der Freiwilligen von 2015 und den Folgejahren. Sie wird ähnlich im Weltbewusstsein bleiben wie die Unterstützung der Ungarn für die DDR-Bürger 1989.

Deutschland hingegen beginnt, sich von seiner Großtat zu distanzieren. 2017 gründete sich die Werte-Union und demontierte bei einer bemerkenswerten Veranstaltung in der Brühler „Traube“ den Wahlkreisabgeordneten. Und letzten Samstag feierte sie mit großem Echo ihre Jahrestagung. In der männlich beherrschten Veranstaltung – nur eine Frau durfte reden, aber sechs Männer – dominierte die „Flüchtlingspolitik“ alles.

Folgt man der gewiss korrekten Schwetzinger Zeitung fiel dabei kein anerkennendes Wort an die Millionen tüchtigen und gut integrierten Muslime. Alle Schlagworte klangen ablehnend: „Masseneinwanderung rückgängig machen“, „keine Einwanderung in die Sozialsysteme“, „gefühlter Kontrollverlust“, „Kölner Silvesternacht“. Insgesamt sind sie zahlreicher als der ganze Rest. Ja, und was gehört dazu? „Keine doppelte Staatsbürgerschaft.“ Soll also Steffi Graf ihren deutschen Pass abgeben? Dann noch „gesunder … Patriotismus“. Selbst abgedämpft durch „weltoffen“ – erinnert er nicht an Hitlers „gesundes Volksempfinden“?

Einverstanden: „Ehe und Familie“ und „christliches Menschenbild“ findet man im Bericht auch. Aber was sind diese vagen und einzigen Anspielungen auf das Grundgesetz wert, wenn die Werte-Union die auf Familie ausgerichtete Ehe in der „Ehe für alle“ sang- und klanglos einebnen ließ? Wahrhaftig, sie wirbt nicht für ihr Land und seine Verfassung. Der Bundesrepublik muss man wünschen, dass ihre Großmut von 2015 ihr Bild stärker prägen wird als die Engherzigkeit von 2017.

Zu hoffen wäre dann auch, dass die zitierten Kinder nicht dem Beispiel ihres Vaters folgen. Derlei soll ja vorkommen.

Helmut Mehrer, Brühl