Ernsthaftigkeit - Sich ernsthaft mit den Problemen auseinandersetzen und bei sich selbst mit den Veränderungen beginnen Die Psychologie und Moral der Klimawandelleugnung

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Unter den Leserbriefen der Ausgabe vom 28. September der Schwetzinger Zeitung gab es auch einen, der meiner Wahrnehmung nach versucht hat, die weltweite Klimabewegung ins Lächerliche zu ziehen. Ich habe absolut kein Problem mit Satire und Comedy, im Gegenteil. Ich liebe Satire und Comedy! Klimawandelleugnung und Klimaschutzverzögerung halte ich dagegen für mehr als problematisch, insbesondere in der politischen Landschaft, da uns laut wissenschaftlicher Meinung nicht mehr viel Zeit zum Handeln bleibt.

Wer sich zum Beispiel die ZDF-Sendung „Klimawandel – Die Fakten mit Harald Lesch“ (Übersetzung der BBC-Sendung „Climate Change – The Facts“) oder das kurze Video „Schwetzinger Schlossgarten ruft Klimanotstand aus“ des SWR anschaut und danach einen Spaziergang mit offenen Augen durch den Schlossgarten macht, sollte realisieren, dass wir schon hier und jetzt ein reales Problem haben.

Oder wie es der Tagesschau-Kommentar mit dem gleichnamigen Titel so schön zusammenfasst: „Klimawandel ist keine Meinungssache.“ Empfehlenswert sind auch die Vorträge der Klimaforscher Mojib Latif, Stefan Rahmstorf, Kevin Anderson, Will Steffen und Katharine Hayhoe (zum Beispiel via Suche nach „Michael Flammer Twitter“).

Wer denkt, es wird schon eher zu viel als zu wenig getan und die Klimaschützer wollen uns allen nur das Geld aus der Tasche ziehen, dem empfehle ich, sich das zehnminütige YouTube-Video „Bundesregierung, WTF?“ der Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim anzuschauen. Aus meiner Sicht ist der Titel des Videos leider etwas provozierend und somit potenziell für einige abschreckend, aber der Inhalt ist sehr informativ und sollte zum Nachdenken anregen.

Wenn man jetzt denkt, „ok, den Klimawandel gibt es ja vielleicht und vermutlich macht Klimaschutz ja auch Sinn, aber was kann ich allein beziehungsweise was kann ein kleines Land wie Deutschland schon bewirken“ beziehungsweise „sollen doch erst einmal Länder wie China etwas tun“, der sollte sich unter anderem fragen, welche moralische und ethische Verpflichtung er oder sie anderen gegenüber hat und welchen Sinn er oder sie seinem Leben über Generationen hinweg geben möchte. Empfehlenswert sind in diesem Kontext unter anderem die Online-Artikel „Warum wir vom Klimawandel wissen und trotzdem nicht handeln“, „Philosophen erklären, warum Menschen ihr Verhalten nicht ändern“, „Wäre der Klimawandel ein Terrorist, hätten wir ihn schon längst bekämpft“ oder „Why Your Brain Can’t Process Climate Change“.

Man könnte aber auch mal recherchieren, wie der Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 pro Land ausschaut und wieviel CO2 die unterschiedlichsten Länder in all den vergangenen Jahren in die Atmosphäre gelassen haben, wo es sich angesammelt hat, immer noch existiert und immer noch wirkt.

Der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß eines Menschen in Deutschland liegt mit zirka acht bis zwölf Tonnen pro Jahr (je nach Berechnungsformel) um ein Vielfaches über dem eines Menschen in Indien. Global gesehen ist das in etwa so, als wenn man bei einem Buffet mehrere Teller auf einmal vollpackt, während andere mit Glück noch etwas zu essen abbekommen. Ich habe das schon erlebt und mich fremdgeschämt.

Länder wie China gehören heute in der Tat zu den größten CO2-Verursachern, nur stammt der größere Anteil des CO2, das sich über die Jahre hinweg in unserer Atmosphäre angesammelt hat, aus den USA und Europa und viele unserer Konsumgüter lassen wir bewusst in Ländern wie China günstig produzieren.

Ja, auch ich muss für den Klimaschutz meine Lebensgewohnheiten anpassen. Einiges fällt mir dabei leicht, anderes sehr schwer. Auch mir fallen für Liebgewonnenes gute Ausreden und Begründungen ein, warum ich denke, dass mein (klimaschädliches) Verhalten doch in Ordnung ist. Deshalb kann ich vielleicht nicht alles sofort ändern, aber jedes Bisschen zählt.

Jeder kann etwas tun. Und ich habe festgestellt, dass es einem leichter fällt, mehr zu tun, wenn man einmal die ersten Schritte gegangen ist. Manchmal stellt man sogar fest, dass eine Veränderung auch Spaß macht, zum Beispiel während einer Bahnfahrt in den Urlaub zusammen mit meiner Frau ein Glas Rotwein trinken zu können, anstatt hinterm Lenkrad zu sitzen. Jeder sollte sich wenigstens ernsthaft mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzen und nicht einfach Meinungen ungeprüft übernehmen, egal wie populär sie gerade sind. Erwin Tenhumberg, Schwetzingen