Klimastreik - Wie sich Demonstranten rechtfertigen müssen / Autorennen kontra Umweltschutz / Internationale Machtinteressen Diskussion an Supermarktkasse

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Am Hebel-Gymnasium begann am 20. September der Marsch zu „Fridays for Future Schwetzingen“. Nicht jeder hatte dafür Verständnis. © Amato

Zum weltweiten Klimastreik und Aktionen rund um „Fridays for Future“ (SZ vom 21. September) erreichten die Redaktion mehrere Meinungsäußerungen:

Am 20. September fand der weltweite sogenannte „Klimastreik“ statt. Zu den Unterstützern des globalen Klimastreiks gehörten neben Umweltschutz- und Hilfsorganisationen auch Bistümer und Landeskirchen sowie zahlreiche Markenhersteller. Weltweit nahmen zirka vier Millionen Menschen teil, in Deutschland waren es rund 1,4 Millionen Menschen in 566 Orten. In Schwetzingen waren es geschätzte 200 Demonstranten. Meine Familie und ich waren auch dabei.

Am Samstagmorgen, also am Tag danach, bin ich dann schnell Einkaufen gegangen, um ein paar Dinge für das Frühstück sowie die aktuelle Ausgabe der Schwetzinger Zeitung zu kaufen. An der Kasse des Supermarktes hatte ich die Zeitung mit der Titelseite nach oben auf das Band gelegt. Der Mann hinter mir erwähnte, dass es ja auch in Schwetzingen eine Demo gegeben hätte. Ich erwiderte, dass ich mit meiner Familie unter den Demonstranten war, worauf der Mann entgegnete, dass das doch über 80 Euro Bußgeld kosten würde (Anmerkung: Bußgeld für das „Schuleschwänzen“). Ich erwähnte, dass die Demo erst um 13.15 Uhr begann, meine Kinder bereits schulfrei hatten und ich Urlaub genommen hatte, worauf die Kassiererin sehr emotional einwarf, dass das Bußgeld noch viel zu niedrig sei.

Ich entgegnete, dass man die Notwendigkeit einer Teilnahme sieht, wenn man sich mit den wissenschaftlichen Fakten intensiver auseinandersetzt. Darauf erwiderte die Kassiererin, dass wegen der Demos Menschen Taxen hätten nehmen müssen, weil Busse und Bahnen blockiert wurden. Ich entgegnete, dass ich selbst fast täglich Bus fahre und meine Frau die Bahn nutzt und dass wir hoffen, dass dies zukünftig besser funktioniert, wenn die Politik sich ändert. Darauf bekam ich die Antwort, dass die Demoteilnehmer lieber Müll sammeln sollten, worauf ich antworten konnte, dass genau dies einige Demoteilnehmer sogar getan hätten. Dann bekam ich die Antwort, dass die Demoteilnehmer das ja nicht immer täten. Dann bezahlte ich und wir wünschten uns freundlich gegenseitig einen schönen Tag.

Ich frage mich, hat die Kassiererin sich jemals intensiver mit dem Thema Klimawandel auseinandergesetzt, insbesondere mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen? Und warum nimmt sie die Klimademos scheinbar als Bedrohung wahr, jedenfalls machte ihre Reaktion auf mich den Eindruck?

Wer sich zum Beispiel das YouTube-Video „Klimawandel: Das ist jetzt zu tun!“ von Mai Thi Nguyen-Kim (Moderatorin der WDR-Wissenssendung „Quarks“) anschaut, sollte verstehen, dass sozial gerechter Klimaschutz möglich sein kann, so dass auch Geringverdiener sogar Vorteile haben können. Wer denkt, dass Klimademonstranten unglaubwürdige Heuchler sind, dem kann ich dieses Video auch wärmstens empfehlen (Stichwort: „Argumentum ad hominem“).

Klimaexperten und Wirtschaftsexperten scheinen sich einig zu sein (gern selbst recherchieren und eine eigene Meinung bilden!), dass das soeben von der Bundesregierung beschlossene Klimapaket bei Weitem nicht ausreichen wird, um die Lage rechtzeitig in den Griff zu bekommen (siehe auch den neuen Bericht „United In Science“ der WMO sowie den neuen Bericht einschließlich der online verfügbaren Pressekonferenz des Weltklimarats IPCC bezüglich der Ozeane und Eisflächen von dieser Woche).

Daher werde ich auch beim nächsten Klimastreik wieder Urlaub nehmen, mitmachen und beim Demonstrieren für unser Klima gemeinsam mit Jung und Alt wieder viel Spaß haben!

Erwin Tenhumberg, Schwetzingen

Millionen Menschen sind am Freitag, 20. September, weltweit für den Klimaschutz auf die Straße gegangen. Es wird allerhöchste Zeit, dass man sich endlich Gedanken macht und nicht nur an Profit und Ausbeutung denkt. Was „entnehmen“ wir denn alles und machen es zu „Nutzboden – Nutzflächen – Nutzholz und mehr“.

Etwas nutzen kann auch mit „Vorteil bringen“ zu vergleichen sein, was ich ausgerechnet bei Hockenheim vermisse, wenn ich an den Hockenheimring denke. Welchen Nutzen bringen die Rennen, außer der klingenden Münze in den Kassen der Beteiligten. Es ist die Umweltverschmutzung in höchster Potenz und man vermisst hier die Zweckmäßigkeit, die dieser Vorgang verursacht. Wenn man sich das Bild des Nascar-Startfelds in der Schwetzinger Zeitung betrachtet und anschließend noch die Standshow der Zweiradfahrer, dann fragt man sich: „Was bringt’s, man kämpft doch gegen die Umweltverschmutzung und dann das, volle Begeisterung für diese Umweltverschmutzer?“

Es ist ja nicht nur Hockenheim. Wenn man es global betrachtet, werden derartige Aktionen weltweit praktiziert. Autofahrer, die wöchentlich ihr Fahrzeug dafür nutzen, schnellstmöglich zur Arbeitsstelle zu kommen, werden als Umweltverschmutzer abgestempelt, und hält man die Rennen auf dem Hockenheimring dagegen und fragt, wo hier die Notwendigkeit liegt, fehlt es an Kenntnis.

Der zweite Punkt ist die Hierarchie, die bei uns Deutschen eine große Rolle spielt. Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer, Svenja Schulze und Heiko Maas können nicht gemeinsam nach New York fliegen, es bestehen doch keine Gemeinsamkeiten in irgendeiner Form! Der eine zieht da und der andere dort, da spielt doch die Luftverschmutzung überhaupt keine Rolle.

Ein Kuriosum zu unserem Umweltproblem, finde ich auch, ist die Spendensammelfahrt für Prostatakrebs auf den „klassischen Vintage-Motorrädern“ (Distinguished Gentlemans Ride). Das Eine passt doch nicht zum Anderen. Vielleicht kann mir jemand mal sagen, ob ich in diesem Zusammenhang in die falsche Richtung denke, ich werde mich dann umgehend mit einer Entschuldigung bei der Schwetzinger Zeitung melden.

Gisela Stratthaus, Oftersheim

Im klimatisch überhitzten Hochsommer des Jahres 1212 erkannten viele junge Menschen, dass es fünf vor zwölf war. An einem Freitag brachen sie für die Zukunft der Christenheit zum Kreuzzug auf, um das Heilige Land zu befreien. Als sie jedoch die Alpen überquerten, wurde es schlimm. Etliche verhungerten oder verdursteten, andere froren bitterlich im Hochgebirge, nachdem ihre Gebete für eine menschengemachte Klimaerwärmung nicht erhört worden waren. Dennoch erreichte ein harter Kern besonders zäher Aktivisten den italienischen Hafen Genua. Dort mussten die Kreuzfahrer die nächste Enttäuschung hinnehmen, als sie erfuhren, dass Kreuzfahrtschiffe noch gar nicht erfunden waren. Ein Vorschlag der jungfräulichen Lichtgestalt Gretel von Thunberg, auf Segelboote auszuweichen, erwies sich als wenig praktikabel. Der letzte Rest der Kinderkreuzfahrer wurde schließlich in die Sklaverei verkauft. Keiner von ihnen gelangte jemals ins Heilige Land.

Jürgen Hanselmann, Hockenheim

Nur mit Vertrauen wird Klima gerettet: Welcher Politiker erinnert sich nicht gelegentlich an Winston Churchills Ausspruch von 1947: „Die Demokratie ist die schlimmste Regierungsform – mit Ausnahme aller anderen“. Frustration über Streit, Seufzen über Misserfolge und eine Prise Selbst-Trost verbanden sich da in der Not Nachkriegsenglands. Wie kommen Gestresste darüber hinweg? Sie können die Lage ihres Landes mit der ähnlichen Situation ihrer Nachbarn vergleichen, aber auch in Gesprächen mit Kollegen Anerkennung suchen und finden.

Das erlebt Angela Merkel in China. Schon zum 12. Mal in 14 Jahren Amtszeit wurde sie vom Generalsekretär der kommunistischen Partei, seit 2012 Xi Jinping, nach Peking eingeladen – fast jährlich, trotz aller Krisen. Warum berät sich der Führer des kommunistischen Reichs mit der Kanzlerin eines kleinen, demokratischen Landes?

„Augenmaß“ wäre eine Antwort: Vor Merkels Abreise kam Joshuah Wong, der christliche Führer der Demokraten Hongkongs, nach Deutschland. Er erwartete , sie würde ihre „Macht“ einsetzen. Aber sie empfing ihn nicht einmal. Ihr war bewusst, dass niemand China zu etwas zwingen kann, was es nicht will. Wongs Anliegen vorzutragen, hätte die Gespräche beendet – aber sie gehen weiter! Und warum? Wegen der Hochachtung zwischen den Partnern und ihrer Diskretion. Von den Unterredungen dringt nichts nach draußen. Dass sie selbst Wünsche vorträgt, erkennt man meist nachträglich, wenn sie erfüllt wurden. Oft erst Monate später.

Moralische Stärke gehört dazu: Als Merkel 2015 erklärte „Wir schaffen es“, bewies sie ethisches Gespür verbunden mit dem Selbstvertrauen, den erwarteten Sturm durchzustehen. Mit Erfolg: Seehofer, ihr Hauptkritiker von 2015, verteidigt heute die Seenotrettung im Mittelmeer. Wird dieses Engagement belohnt? Vermutlich nicht für die Bundesrepublik allein, gewiss aber für Europa, dem sie mehr Ansehen verleiht als die Brüsseler Repräsentanten. Xi Jinping ist so zuverlässig und diskret wie sie. Der Drache speit zwar noch Feuer, bedroht Taiwan, Hongkongs Demokraten und die Nachbarn im Süden, presst die muslimischen Uiguren und die Christen in Zwangsjacken, bleibt aber berechenbar und ist erfolgreich. China hat sich in einer Generation vom Entwicklungsland zu einem Industriestaat entwickelt. Es erstrebt wie Europa einen weltweiten Freihandel und hält seine Zusagen beim Umweltschutz. Ganz anders die USA, Deutschlands traditioneller Hauptpartner: Sie lehnen Partnerschaften ab, beim Klima, wo sie Verträge brechen, und beim Handel. Im größten New Yorker Kaufhaus „Macy’s“ findet man fast nur chinesische Textilien. Vermutlich gibt es keine amerikanischen. Seit Jahrzehnten leben sie auf Pump mit einer negativen Handelsbilanz. Trump erschreckt die Welt mit willkürlichen Strafzöllen, anstatt mit Schutzzöllen und Vertrauen seine Industrie aufzubauen.

Helmut Mehrer, Brühl