In seiner Stellungnahme zum "Einheitlichen Regionalplan Rhein-Neckar 2020" zeigt sich der Neulußheimer Gemeinderat enttäuscht über die Entscheidung des Reilinger Gemeinderats, das interkommunale Gewerbegebiet Neulußheim-Reilingen nicht zu erweitern. CDU-Sprecher Thomas Birkenmaier ist sogar der Meinung, "dass die Entscheidung des Reilinger Gemeinderats kurzsichtig und unnötig war, weil sie die Entwicklungsmöglichkeiten der nächsten Generation verbaut." Bürgermeister Gunther Hoffmann stößt ins gleiche Horn: Er könne nicht nachvollziehen, dass Reilingen "in letzter Minute einen Rückzieher gemacht" habe und es werde jetzt sicherlich schwer, die Fläche im Regionalplan durchzubringen.
Dabei wird überhaupt nicht erwähnt, dass das interkommunale Gewerbegebiet einschließlich möglicher Erweiterungsflächen im Entwurf des Einheitlichen Regionalplans bereits verzeichnet ist - nur eben nicht in der gewünschten Ausdehnung.
Zunächst ist grundsätzlich positiv zu bewerten, dass in Neulußheim seit einiger Zeit die Innenentwicklung der Gemeinde vorangetrieben wird (Baugebiete "Am Alten Bahnhof", "Alter Pfarrgarten" und "Allmendweg", Projekt "Neue Ortsmitte"). Dennoch scheint bei den politisch Verantwortlichen immer noch nicht angekommen zu sein, dass der weitgehend ungebremste Flächenverbrauch für neue Bau- und Gewerbegebiete eine schwerwiegende Fehlentwicklung ist - und das gerade im Hinblick auf die nächste Generation!
Und zwar nicht nur in Neulußheim, sondern in der gesamten Region Rhein-Neckar, denn in den Jahren 2000 bis 2009 betrug hier der tägliche Flächenverbrauch rund 1,1 Hektar. Allein auf dem Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft Hockenheim ist die landwirtschaftliche Nutzfläche zwischen 1980 und 2008 um über 700 Hektar zurück gegangen. Daher ist eine weitere Ausdehnung der Siedlungsflächen mit einer nachhaltigen Entwicklung nicht vereinbar und ein weiterer Flächenverbrauch nicht zu verantworten.
Mit einem "Durchbringen" der Fläche im Regionalplan wird der Grundstein dafür gelegt, dass abermals ein Stück der Kulturlandschaft rund um Neulußheim verloren gehen wird. Dass schon über die Hälfte der vergleichsweise kleinen Neulußheimer Gemarkung mit Siedlungs- und Verkehrsflächen verbaut ist, scheint die politisch Verantwortlichen nicht zu berühren.
Zur Kulturlandschaft zählen neben Wiesen und Wäldern eben auch Ackerflächen, die zur Nahrungsmittelerzeugung erforderlich sind. Mit dem Verlust dieser Ackerflächen wird zudem andernorts der Druck auf bislang extensiv genutztes und ökologisch wertvolles Wiesen- und Brachland gesteigert, die für die Nahrungsmittelerzeugung "verlorenen" Ackerflächen auszugleichen.
Mit diesem Verlust einher geht der Verlust von Biotopstrukturen und -funktionen, auch wenn Ackerland meist ein geringer Naturschutzwert bescheinigt wird und es als landschaftlich "nicht besonders reizvoll" gilt. Dennoch wirkt sich der Verlust von Offenland negativ auf die biologische Vielfalt aus.
Daher mögen die politisch Verantwortlichen die Folgen ihres Handelns auch einmal aus der Perspektive der von ihnen selbst zitierten nächsten Generation betrachten, die anstatt einer offenen Kulturlandschaft, die nicht zuletzt auch Heimat ist und der Erholung dient, nur noch Wohn- und Gewerbegebiete vorfindet. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Bevölkerungsrückgangs steht zudem zu befürchten, dass viele dieser Gebiete in Zukunft gar nicht mehr genutzt werden können und daher leer stehen werden. Wenn man dies bedenkt, dann sollte die Entscheidung es Reilinger Gemeinderats einleuchten.
Thomas Kuppinger, Ludwigshafen