Hungermarsch - Vor Ort umgeschaut und einige sehr positive Beispiele der Hilfe zur Selbsthilfe mit eigenen Augen gesehen Tansania - Land zum Verlieben

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Die Aussagen von Jürgen Hanselmann kann ich so nicht stehen lassen: Sie würden sich wundern, wie viele Teilnehmer des Hungermarsches schon selbst in Afrika und anderen Ländern aktiv gewesen sind und dort an Projekten mitgearbeitet haben. Ich werde Ihre provokanten Aussagen nicht vertiefend kommentieren - das ist den Lesern überlassen. Es sei Ihnen aber gesagt, selbstgefällig ist keiner der Herren Mehrer, Scherer und Gredel.

Sie glauben an eine große Lösung der Probleme in Afrika durch Weltpolitik und bringen als Beispiel das Deutsche Reich und die Kolonialzeit. Sie haben hier positive Beispiele aufgeführt - dies finde ich gut - aber es gibt auch negative, die ihnen sicherlich auch bekannt sind.

Ich würde mich freuen, wenn es der Weltpolitik gelingen könnte, die Probleme der ärmeren Länder friedlich zu lösen - friedlich unter Einbezug der Selbstbestimmung der einzelnen Nationen und ihrer Menschen. Wir würden dann sofort unsere jetzigen Hilfen verändern oder beenden. Aber solange eine Lösung durch die gerechte Verteilung der Güter auf der Erde durch die Weltpolitik nicht möglich wird - setze ich meine Hilfen dafür fort, dass die Menschen in diesen Ländern nicht verhungern, dass genügend Wasser zur Verfügung steht - und dass durch Bildung in allen Bereichen die Frauen nicht mehr von Männern ausgenutzt werden. Ich war mit einigen Begleitern aus Ketsch vier Wochen in Tansania - wir haben die Projekte besucht, die die Schwestern vom Kostbaren Blut (dies sind in der Mehrzahl einheimische Schwestern) dort aufgebaut haben und die wir mit unseren wenigen finanziellen Mitteln unterstützen. Und wir haben die Reise aus unseren privaten Mitteln bezahlt und die Spendengelder vor Ort direkt an die Leiter der Projekte übergeben.

Hier ein kleiner Einblick: Wir waren in der Lepra-Station in Maji Ya Chai - die Bewohner dort sind teilweise ausgegrenzt aus ihren Dörfern - sie werden gesund gepflegt und wieder in ihre Dörfer und Städte entlassen. Sie haben gelernt, sich mit kleinen Arbeiten den Lebensunterhalt zu verdienen.

Wir waren in den Usambara-Bergen in Kifungilo - einer höheren Schule für Mädchen (heute auch teilweise für Jungen) sowie in Makanka und Masange. Und wir konnten in Kifungilo an einer Projektprüfung teilnehmen. Die Kommission bestand aus Ministerialbeamten. Und was war - es wurden Rollenspiele und Projekte durchgeführt zum Thema Beschneidung der Mädchen und Frauen, zur Korruption in verschiedenen Bereichen - auch in der Verwaltung, zur Stellung der Frauen in der Gesellschaft - und was erstaunlich war - in Englisch und in der Landessprache Suaheli. Dies alles wurde kritisch dargestellt und auch massivst angeprangert von den Schülerinnen und Schülern.

Und keiner der Beamten hat sich unrühmlich verhalten, aber es gab sehr gute Noten für diese Kompetenzprüfung. Hier in Kifungilo wird teilweise auch die künftige Führungsspitze des Landes vorbereitet und ausgebildet. Und ob ich abends um 22 Uhr in die Klassenräume gegangen bin oder am Samstag oder Sonntag - immer waren Schüler da, die gelernt haben.

In Makanka, wenige Kilometer von Kifungilo, befindet sich die Grund- und Hauptschule. Hier besuchen muslimische und christliche Kinder und Jugendliche die gleiche Klasse. Auch Kinder mit Albinismus, die in den Dörfern von Medizinmännern verfolgt werden, werden hier unterrichtet. Überfüllt waren die Klassenräume - bis zu 60 bis 80 Kinder in einer Klasse. Sie hätten aber die Freude am Lernen miterleben sollen. Die Schwestern kaufen Kinder von ihren Familien frei - diese erhalten 20 Dollar im Monat - und das Kind kann dann die Schule besuchen. Von den Arbeiten zu Hause, der Mithilfe in der Landwirtschaft werden die Kinder so freigestellt. Ein Kind, das Schulkleidung erhält, zieht diese nicht mehr aus - mit Stolz tragen die Kinder diese Kleidung am Tag und in der Nacht -egal wie verschmutzt sie ist. Wir waren mit den Schwestern in den Hütten - sie hätten das Leuchten der Augen der Kinder sehen sollen - wenn sie die Schulkleidung erhalten und ein Stück Seife zum Waschen. In Makanka haben die Frauen mit den Schwestern, den Lehrern und den Schulkindern aus Masange (zirka eineinhalb Stunden Fußweg entfernt) eine weitere Schule gebaut. Wir waren dabei, als der Lehm aus dem Boden zu Bausteinen gebrannt wurde - es wurde eine große Reihe gebildet und der zu brennende Lehmstein von Hand zu Hand bis zum großen Brennofen weitergegeben. Damit Maurer eingestellt werden können, haben die Frauen Reis und Früchte verkauft, auf Märkten, die bis zu 20 Kilometer weit weg waren. Die Waren wurden in Körben auf dem Kopf getragen - Busse gab es hier nicht.

Und die Männer? Die saßen leider in der Kneipe am Ort und tranken sehr viel Reisschnaps jeden Tag. Sorry, kein gutes Bild von uns Männern - aber dort die Realität! Also raus aus diesen Abhängigkeiten, das ist ein Ziel der Bildung für Frauen!

Herr Hanselmann, ich möchte Sie mit meinen Beispielen nicht überzeugen und ich kenne auch die weniger guten Zustände, aber den Lesern möchte ich ein Bild vermitteln, wie liebenswert die Menschen auch in Afrika sind. Und wie auch innerhalb der Nationen und Völker (außer es ist eine Diktatur) die Hilfe zur Selbsthilfe eine wichtige Rolle spielt. Es ist nur ein kleiner Tropfen, den jeder von uns einbringen kann, aber viele kleine Tropfen lassen auch den heißesten Stein erkalten. Es dauert zwar länger, aber es verändert sich doch!

Kurt Gredel, Ketsch