Zur Veranstaltung der Grünen - Veröffentlichter Leserbrief führt zu Reaktionen / „Rechte Patrioten haben nicht den alleinigen Anspruch auf diesen Begriff“ Unsere Heimat – vielfältig – multikulturell

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Die Podiumsdiskussion mit der Bundesvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock, dem Antisemitismusbeauftragten des Lands, Dr. Michael Blume, und dem Bundestagsabgeordneten Dr. Danyal Bayaz zum Thema Heimat im Palais Hirsch („Heimat ist sozialer Zusammenhalt“, 10. August, Seite 9) sowie die darauffolgenden Leserzuschriften in der Vorwoche sorgen für weitere Reaktionen.

Wer sich am vergangenen Samstag durch diese Zeitung zu den Briefen an die Redaktion durchblätterte, fand, was er befürchtete. Auf Seite 30 eine Zuschrift „Grüne Heimat“ über die Veranstaltung am 8. August im Palais Hirsch. Als erstes stockte dem Leser der Atem über die beleidigenden Kommentare zu den brillanten Beiträgen der Referenten: „sektenähnliche Gemeinschaft“, „kindische Histörchen“, „flachsinnige Botschaften“, „höhere Banalität“, „studentisches Vorseminar“. Beim ersten Wort schüttelte er noch den Kopf: Nein, eine Sekte sind die Grünen nicht. Aber schon beim Zweiten begriff er: Das ist der schärfstmögliche Hohn und Spott eines fundamentalistischen Gegners. In der nächsten Spalte geht es weiter: Nichts über die Kriege und Morde in Syrien und Afghanistan, die die Täter so verrohen wie einst die Wächter in den KZ. Dagegen Verbrechen und Delikte bei uns, die von den deutschen Muslimen ebenso verurteilt werden wie von den Christen. Und die Überfälle der deutschen Neonazis auf Migranten in Hoyerswerda, Rostock, und Ludwigshafen, die Barbarei des NSU? Fehlanzeige. Sollen die vergessen werden? Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen: Wenn wir uns mit dem Bösen in uns nicht befassen, werden wir gefühlloser und grausamer zu werden. Am Ende verliert unser Volk seine Seele und seine Würde wie 1945. Das bedenkt der Schreiber nicht. Vielleicht ahnt er es nicht einmal. Billigt er es sogar?

Das dürfen wir ihm nicht unterstellen! In jedem Menschen stecken so viel Güte und Verstand, dass er eine Welt des Friedens anstrebt, in der es ein Glück ist, miteinander und mit der Natur zu leben. Und darüber sprachen Annalena Baerbock und Martin Blume. Und dafür warb glücklicherweise der zweite Leserbrief (Seite 31).

Verbrechen, Morde und Kriege, wo auch immer auf unserem Planeten, betreffen alle seine Bewohner. Noch nie waren mehr Menschen auf Flucht als heute. Wer kann da Verpflichtung ablehnen, sich für Frieden und Menschenwürde einzusetzen und den Verfolgten beizustehen? Schon aus einem ganz egoistischen Grund heraus. Selbst wenn der Vorsitzende unserer rechten Partei und der amerikanische Präsident anderer Meinung sind: Der Klimawandel bedroht das Leben auf unserer Erde. Solange es aber Kriege gibt, fehlt die für den Schutz der Atmosphäre notwendige Einheit. Sie herzustellen, ist eine Aufgabe ohne Alternative.

Dittmar Köhler, Brühl

Na, das war ja klar, dass den Grünen jeder Anspruch auf den Begriff „Heimat“ abgesprochen wird, nur weil sie viel früher als andere erkannt haben, dass Deutschland schon lange ein Einwanderungsland ist und sich die Bevölkerung vielfältig und multikulturell darstellt. Was dem Land nicht geschadet hat. Der alte Leitspruch „Global denken, lokal handeln“, den Grüne immer beherzigen und mit Leben füllen, macht klar, warum sie sich politisch, ökologisch und sozial in ihrer Heimat engagieren.

Die rechten Patrioten haben nicht den alleinigen Anspruch auf diesen Begriff. Daran werden auch manipulative und suggestive Leserbriefschreiber nichts ändern.

Sigrid Schüller, Plankstadt

Die Germanen halten es für Frevel, einen Gast zu verletzen. Wer, aus welchem Grund auch immer, zu ihnen kommt, den schützen sie vor Unrecht und halten ihn für unverletzlich. Alle Häuser stehen ihm offen und die Bewohner teilen ihre Nahrung mit ihm. Dies berichtet Augenzeuge Julius Cäsar in seinem Werk „De bello Gallico“ um 55 vor Christus. Fremde und Bedürftige aufzunehmen und zu schützen ist also in der deutschen Kultur tief verwurzelt und hat eine lange Tradition. Ist Ihnen das intellektuelle Niveau meiner Argumentation hoch genug Herr Matthias Schneider aus Speyer? Immerhin verdanke ich dieses Wissen der Bildung an einer guten deutschen Schule. Ich musste diese Sätze in der 10. Klasse vom Lateinischen ins Deutsche übersetzen. Die Römer galten schon zu vielen Zeiten als intellektuelles und kulturelles Vorbild. Mich haben sie in der Schule zum Beispiel in Rhetorik geübt. Deshalb ist für mich auch Ihr Leserbrief zur Veranstaltung zum Thema Heimat im Palais Hirsch „durchschaubar“: „Inszenierte Talkrunde“, „Selbstvergewisserung“, „kindische Histörchen“, „flachsinnige Botschaften“, „Wirklichkeitsverweigerung“ – hierbei handelt es sich um Phrasen (per definitionem inhaltsleer), die den Eindruck erwecken sollen, der Schreiber verfüge über mehr Wissen, als er eigentlich hat. Sprich: Ihre Phrasen sollen manipulieren. Ebenso manipulativ auch die Behauptung, die Mehrheit wolle kein Gender-Mainstreaming (...) und keine Multikulti-Heimat. Die Wahrheit ist jedoch, dass die fremdenängstlichen Rechtswähler in der Minderheit sind (aktuelle Wahlstatistik). Und um auf das Niveau zurückzukommen: je geringer der Bildungsstand eines Bundeslandes, desto höher der prozentuale Anteil der Rechtswähler. Sie finden haufenweise Statistiken verschiedenster Quellen im Internet, die diesen Umstand belegen. Und noch eine Wahrheit: Gewalttaten wie Vergewaltigungen, Ehrenmorde, Messerattacken, Ins-Koma-Treterei füllen das Konto der rechtsradikalen Szene seit Jahrzehnten. Seit 1996 hat der Verfassungsschutz fast 150 Morde auch an Deutschen – aus rechtsradikaler Motivation gezählt. Die Dunkelziffer wird um etliches höher geschätzt. Die Mehrheit der Deutschen will das nicht! Die Mehrheit der Deutschen will weiterhin in einer Demokratie mit Presse- und Meinungsfreiheit leben! Auch wenn dies bedeutet, dass rechtslastige Mitbürger in der von ihnen selbst verunglimpften Presse ihre Fremden- und Demokratiefeindlichkeit kundtun dürfen. Wenn auch selten mit intellektuellem Niveau!

Beate Günther, Schwetzingen

Der Leserbriefschreiber Matthias Schneider, Speyer, gibt in seinem Leserbrief seine Art des respektvollen Umgangs mit anderen Bürgern zum Besten. In seinem Leserbrief zur Veranstaltung der Grünen im Palais Hirsch vom 8. August verkommt die Veranstaltung zu einem Heimatabend. Ein Heimatabend, der in Randale und Schreierei endete, also Festzeltniveau hatte. Es war ein Abend mit dem Thema Heimat. Sein Leserbrief schreckt vor keiner noch so simplen Verunglimpfung der anwesenden Besucher und Diskussionsteilnehmer zurück. Seine Beschreibung der Veranstaltung geht von „sektenähnlicher Gemeinschaft“ über Melange aus „kindischen Histörchen“ und flachsinnigen Botschaften hin zur üblichen Aufzählung der Gewalthandlungen der zumeist von jungen Männern aus archaisch islamischen Kulturkreisen. Er spricht von Wirklichkeitsverweigerung. Und dann der Ausdruck „Pseudoeliten“. Ich kann den Leserbriefschreiber beruhigen, es waren interessierte Bürger vor Ort. Er muss sie nicht mit dem Frame Pseudoeliten abwertend bezeichnen. An dem Abend waren, bis auf die Randalierer und Pöbler, Personen mit gesundem Menschenverstand anwesend. Und die Krone des Ganzen ist der Hinweis auf die in der Veranstaltung gezeigte Verachtung der deutschen Heimat. Dies habe verhindert, dass Substantielles zum eigentlichen Thema Heimat vorgetragen worden sei. War er denn anwesend? Und was sind nach seiner Meinung substantielle Aussagen zum Thema Heimat?

Eins kann man dem Leserbriefschreiber bestätigen, sein Leserbrief ist ein Paradebeispiel für das Phänomen des illusorischen Wahrheitseffektes. Er scheint das Orwell’sche Buch 1984 sehr gut zu kennen. Lügen werden so lange und in allen Medien gleichlautend wiederholt bis sie zur gefühlten Wahrheit werden. Er stellt Behauptungen auf, die einfach unzutreffend sind und auch nicht durch dauernde Wiederholung wahr werden. Er weiß, dass Claudia Roth nicht einem Transparent mit dem Aufdruck „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ voranging oder hinterhergelaufen ist. Der Faktenscheck der Tagesschau hat dies belegt. Er reißt Aussagen, wie Habecks Statement zum Patriotismus und Vaterlandsliebe aus dem Zusammenhang und gibt sie noch ungenau wieder, indem er neue, seine Sätze als Aussage Habecks bezeichnet. Er erwähnt, dass in vielen Schulen mit überwiegend muslimischen Kindern Kantinen geschlossen werden während des Ramadan. Wo und wie viele Schulen das sind, führt er nicht auf. Wer inhaltlich nichts vorbringen kann, muss beschimpfen und verunglimpfen. Die Farbenlehre hat der Primärfarbe Blau die Komplementärfarbe Braun (Orange) gegenüberstellt. Das ist passend. Was ist davon zu halten, wenn Mitglieder der Blaukomplementären im ungarischen Rundfunk als vermeintliche zufällige Passanten unsere Gesellschaft als durch Migranten kriminalisiertes Staatswesen darstellen? In dem sogar rechtschaffende Bürger ihre Wohnung verlieren, weil unbegleitete jugendliche Migranten in der Nachbarschaft einziehen? Oder Kader der Blaukomplementären behaupten, in einem am 20. März im ungarischen Rundfunk gesendeten Beitrag der Hauptnachrichtensendung: „Wenn der Ausländeranteil 30 Prozent überschreitet, werden die Migranten gewalttätiger und vertreiben die Deutschen“? Das sagte vor der Kamera ein ortskundiger Bürger namens Michael Poschart. So beschreibt er die Folgen von Zuwanderung, um die es in dem Bericht geht. „Wir verlieren ein Haus, ein Wohnblock, eine Straße, ein Straßenviertel – und auf einmal ganze Städte.“ Was für ein Nonsens. Mannheim müsste nach dieser Definition schon längst verloren sein.

Vielleicht veröffentlicht der Leserbriefschreiber in einem weiteren Brief seine Definition von Heimat. Das wäre sehr interessant. Auch seine Wahrnehmung, dass die Moderation nur noch zwei Fragen zugelassen habe, ist insoweit zutreffend, als dass das Ende der Veranstaltung erreicht war. Zutreffend ist, dass nur Fragen der Randalierer und Pöbler behandelt wurden. Fragen interessierter Bürger konnten aufgrund der sich aggressiv vordrängenden Randalierer und Pöbler nicht gestellt werden. Und diese haben keine Fragen gestellt, sondern ihre abstrusen Statements wiedergegeben. Es sind die ewig Gestrigen, die dem Begriff Heimat einen chauvinistischen Anstrich geben ohne selbst zu wissen, was eigentlich Heimat ausmacht.

Dieter Goldschalt, Schwetzingen

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