Leserbrief - Zu "Keine Mehrheit für 1000 Meter Abstand" (FN vom 27. Juli)

"Wunsch nach Normalität - den haben wir alle!"

Von 
Rainer Dietz
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Leider konnte ich am vergangenen Montag aus terminlichen Gründen nicht der öffentlichen Gemeinderatssitzung beiwohnen, um die historische Stunde hautnah mitzuerleben, als der Gemeinderat wohl erstmals in seiner Geschichte das einstimmige Votum eines Ortschaftsrats in einem nicht nur für Bretzingen sensiblen Thema ignoriert.

Nachdem ich mich über die Zeitungsberichterstattung und anwesende Zuhörer über den Verlauf der Sitzung informierte, weiß ich nicht mehr, ob ich wirklich etwas verpasst habe oder froh sein soll, manche Fensterreden nicht selbst gehört zu haben. Hat doch Bürgermeister Rohm zu Beginn der Sitzung ausgeführt, dass er sich Normalität zurück wünscht und Respekt vor dem Amt des Bürgermeisters und der gewählten Bürgervertreter einfordert.

Damit spricht er mir fast, aber eben nur fast aus dem Herzen. Denn den Wunsch nach Normalität - haben wir den nicht alle? Nur unterscheiden sich die Standpunkte, was Normalität ist. Da habe ich - wie wohl viele andere Bürger - einen etwas anderen Blickwinkel und ist es nicht traurig, wenn der Wunsch nach Normalität die Hauptbilanz einer inzwischen zweijährigen Amtszeit darstellt?

Normalität bedeutet für mich: ein Hardheim mit einem einheitlichen und für alle Schüler gerechten Schulsystem. Ein Hardheim, in dem unser Wald weder an die Landesregierung noch an Windkraftkonzerne verkauft wird, sondern unserer Erholung dient.

Ein Hardheim, in dem man den Worten der politisch Verantwortlichen noch Glauben schenken kann. Ein Hardheim, in dem neben dem nicht nur Geldwerte wichtige Werte sind. Ein Hardheim, in dem kreativ an den wirklich wichtigen Themen für unsere Zukunft gearbeitet wird.

Wenn ein Gemeindeoberhaupt Respekt und Normalität einfordert, sollte es sich zunächst fragen, welchen Beitrag es selbst dazu leistet. Daher muss zum Beispiel die Frage erlaubt sein, ob es respektvoll und normal ist, die Sitzung zum Thema Schulverbund Hardheim ausgerechnet in Gerichtstetten abzuhalten und hier respektlose Zwischenrufe und Buhrufe aus der Bevölkerung nicht zu unterbinden, so dass mancher Gemeinderat seine Meinung nicht einmal mehr unbedarft aussprechen durfte. Ist es normal, dass sich zwischen zwei Gemeinderatssitzungen Mehrheiten offensichtlich derart verändern, dass eine Bürgerbefragung auf einmal nicht mehr mehrheitsfähig ist? Dass Gemeinderäten vor Sitzungen Mails geschickt werden, die aber in einer öffentlichen Gemeinderatsitzung nicht öffentlich werden dürfen?

Ist es normal, dass ein Bürgermeister Redebeiträge einzelner Gemeinderäte mit lautstarkem Widersprechen kommentiert, und beinahe aus der Haut fährt, nur weil sich jemand traut, eine ihm widerstrebende Meinung zu äußern und auf offensichtliche Missstände und ein bewusstes Taktieren hinweist?

Ist es normal, dass ein Bürgermeister angeblich einen Beitrag kommentiert "ich bekomme gleich einen dicken Hals", aber sich kurz zuvor Respekt und Normalität gewünscht hat?

Oder dass ein Fraktionsvorsitzender "in höchstem Maße über das Verhalten der Verwaltung frustriert ist", weil abgestimmte Beschlussvorlagen auf einmal im entscheidendsten Punkt ("Mindestabstand 1000 Meter) abgeändert werden? Ist es normal, dass vor einem Jahr eine Unterschriftenaktion der Bürgerinitiative gegen die Windräder auf dem Kornberg mit dem Wunsch nach einem Bürgerentscheid mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt wird, um kurze Zeit später selbst eine Unterschriftenaktion zur Flüchtlingsthematik durchzuführen, weil man sich als Gemeinderat und Bürgermeister "von oben" übergangen und nicht wahrgenommen fühlte? Und ist es normal, dass in Hardheim auf einmal 700 Meter Mindestabstand zwischen dem Windpark und einem Wohngebiet ausreichen, wo bisher immer die 1000 Meter Mindestabstand als Argument für den Bau des Windparks angeführt wurden?

Nicht normal ist es, wenn man als ehemaliger Förster heute versucht, mit allen Mitteln sein ehemaliges Arbeitsgebiet, den Wald, zu zerstören anstatt versucht, ihn zu erhalten. Und wir Bürger sollen nun auch noch Respekt vor den Absprachen der Bürgermeister mit den Windbaronen beim Thema Windkraft im Gemeindewald haben?

Wer sich Respekt und Normalität wünscht, sollte zuerst überlegen, was er selbst dazu beigetragen hat, dass sowohl Bevölkerung als auch Gemeinderat in Hardheim gespalten sind. Es ist legitim, Respekt vor dem gewählten Gremium Gemeinderat und vor sich selbst einzufordern, aber einmal gewählt werden, legitimiert nicht, bei derart wichtigen Entscheidungen einfach auf "weiter so" zu setzen, sondern bringt während der gesamten Amtszeit die Verpflichtung mit sich, der Bevölkerung Gehör zu schenken, auch wenn diese etwas anders denkt als man selbst. Und diese bei derart wichtigen Entscheidungen einzubinden, wenn es juristisch möglich ist und gewünscht wird, und nicht durch Taktieren und unter Zuhilfenahme sämtlicher juristischer Auslegungsmöglichkeiten, Entscheidungen nach eigenem Willen durchzuboxen. Das ist für mich respektlos!

Diese Chance dazu gab es im Fall Windpark "Kornberg" mehrfach und sie wurde jedes Mal fahrlässig aus dem Weg geräumt. Auch am vergangenen Montag wieder.

Respekt kommt von Rücksicht und man bekommt ihn, wenn man auch auf andere Rücksicht nimmt. Und vor allem, in dem man Hardheim wirklich voranbringt, Aber nicht durch Sonntagsreden.

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