„Gemeinsam ans Ziel“

Nachgefragt: Steffen Gugenberger über seine Arbeit und besondere Herausforderungen im Capitol

Von 
(Bild: Gugenberger)
Lesedauer: 

Mannheim. Steffen Gugenberger ist Maler- und Lackierermeister sowie staatlich geprüfter Restaurator. Wir sprachen mit ihm über seine Arbeit im Capitol.

Worin liegt der Reiz einer Restaurierung bei historischen Gebäuden?

Steffen Gugenberger: Man entdeckt Geschichte: Über die alten Handwerkstechniken und historischen Gestaltungen kann man sich förmlich in die vergangene Zeit hineinarbeiten. Das ist für mich unheimlich spannend und erfüllend. Man steht staunend vor einem Bauteil und fragt sich, wie haben die das vor über einhundert Jahren mit einfachsten Werkzeugen und handgerührten Materialien gemacht? Damals konnte man keine fertige Farbe im Eimer kaufen! Jeder Malermeister hat „seine Farben“ selbst – noch bis vor 60 Jahren – in der Werkstatt aus den Grundstoffen angefertigt.

Gab es beim Capitol besondere Herausforderungen?

Gugenberger: Ja, mehrere. Beispielsweise mit der neuen Bühnentechnik, die in behutsamer Weise in das alte Mauerwerk mit modernen Gitterträgern eingelassen wurde. Hier hat das bauleitende Ingenieurbüro Bläß aus Viernheim mit Herrn Eschbach besondere statische Kniffe angewandt, damit die Eingriffe in die Substanz sehr schonend bleiben konnten, um die dennoch, wie ich gehört habe, weit und breit modernste, aber schwere Bühnentechnik zu tragen. Aber auch mit der Farbgebung: Welche Farbgebung sollen die Wände, der Stuck, die Türen, die Eisengitter erhalten? Soll die ursprünglich in der Bauzeit vorgefundene Farbfassung gewählt werden? Wie gestaltet man Bauteile, wie Stuckgesimse, die erst Jahrzehnte später in das Gebäude integriert wurden, als das Gebäude von dem Architekten Paul Darius um 1927 als reines Lichtspieltheater in einem schlichten Bauhausstil entworfen und man erst später eine dem Zeitgeschmack entsprechende Innenausstattung mit Stuck hinzugefügt hat?

Wie haben Sie diese gelöst?

Gugenberger: Alleine kann man solche Aufgaben nicht lösen. Bereits im vergangenen Jahr fanden während der Sommerspielpause Voruntersuchungen und erste Dokumentationsarbeiten durch Frau Dipl. Restauratorin Hamulski und mir im Auftrag der Landesdenkmalbehörde statt. Gemeinsam mit dem Bauherrn, vertreten durch Thorsten Riehle, der von vornherein gesagt hatte, dass „es eine authentische Restaurierung werden soll, aber auch finanziell leistbar sein“, konnten erste Konzepte angedacht und auch schon erste Entwürfe für die mittlere Loge umgesetzt werden. Wenn der Bauherr so für sein Projekt einsteht, klare Vorgaben gibt, wie es hier der Fall ist, motiviert das alle Beteiligten vom Denkmalamt über den Architekten, bis hin zu allen Handwerkern ungemein. Jeder ist sorgsam mit der Substanz umgegangen. Es sind viele Gespräche und Abstimmungen, aber auch Kompromisse nötig. Einige Details kann man in der historischen Bausubstanz gar nicht vorplanen. Man gelangt letztendlich nur gemeinsam zum Ziel. Ich denke, dass dies hier hervorragend gelungen ist.

Was macht das Capitol aus handwerklicher Sicht aus? Wie bewerten Sie den Stil?

Gugenberger: Das Capitol in Mannheim ist ein herausragendes Beispiel einer Reihe von Lichtspieltheatern, die der Stuttgarter Architekt Paul Darius zu der Zeit geplant und konzipiert hatte. Alleine die weit gespannte Kuppel, die damals schon im Torkretierverfahren hergestellt wurde, ist baulich bemerkenswert. Aus den genannten Lichtspielhäusern, die im Grundriss allerdings äußerst unterschiedlich konzipiert wurden, ragt das Mannheimer Capitol heraus, weil das Raumgefühl heute noch beeindruckt und sich auch noch mit modernen Planungsmaßstäben messen kann. Noch mehr durch die Öffnung des Bühnenportals, welches vorher eher aus der Not heraus provisorisch mit Bühnenbauten eingeengt war und nun den Blick auf die gesamte Kuppel freigibt, so als säße man mitten im Geschehen. Die wertvolle Bausubstanz konnte insgesamt weitestgehend erhalten werden. Viele original Messingbauteile, wie Geländer Türgriffe und Beschläge, sowie Lampen konnten wieder repariert und aufpoliert werden. Es ist ein richtiges Kleinod erwacht und ich freue mich und hoffentlich auch viele Mannheimer über das Ergebnis. Aber es gibt noch einiges zu tun und es braucht noch Unterstützung bis es ganz fertig ist. lu (Bild: Gugenberger)

Mehr zum Thema

Hohenfeld’sches Haus „Venezianisch Rot“

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Copyright © 2024 Mannheimer Morgen