Mehr Einfluss für Bürger mit Kandidat der Opposition

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Zur anstehenden Bürgermeisterwahl in Bürstadt:

Am 27. Januar ist es soweit. Bürstadt wählt einen neuen Bürgermeister oder bestätigt die derzeitige Bürgermeisterin. Das ist aber mehr als die Entscheidung für den oder die Kandidatin, es ist nämlich auch eine Systementscheidung. Festzuhalten ist, dass der oder die Bürgermeister(in) in Hessen drei Kernaufgaben haben:

1. Optimale und wirtschaftliche Umsetzung der gesetzlichen Pflichtaufgaben der Gemeinde.

2. Umsetzung der Beschlüsse des kommunalen Parlaments auf Basis der Gesetze und Verordnungen.

3. Ein offenes Ohr für die Interessen aller Bürger zu haben.

Insgesamt ist ein Bürgermeister damit eigentlich kein Politiker, sondern Verwaltungschef(in).

Im Falle Bürstadts und vieler anderer Gemeinden ist es aber so, dass die/der derzeitige Verwaltungschef(in) eben auch Mitglied der Partei mit der stärksten Fraktion im Kommunalparlament ist, die mit ihrem Koalitionspartner über die absolute Mehrheit verfügt und so auch ohne die Stimmen der Opposition Beschlüsse fassen kann.

Mehrheitsfraktion bestimmt

Viele Beschlüsse werden dennoch auch mit vielen Stimmen der Opposition gefasst, weil man in den Ausschüssen zur Auffassung kommt, eine parteiübergreifend gute Lösung gefunden zu haben. In vielen Fragen wird aber durchaus kontrovers diskutiert und es kommt – wie im Fall des Windelcontainers – zu Kampfabstimmungen, bei der sich dann die Mehrheitsfraktion mit ihrem Koalitionspartner durchsetzt. Im Sinne der Mehrzahl der Bürger sind solche Entscheidungen selten.

Immer wieder wird das Arbeiten mit wechselnden Mehrheiten als wünschenswert, aber zugleich als nicht erwartbar dargestellt. Tatsächlich ist es ja auch so, dass, in unserem Fall eine Bürgermeisterin, die auf die unerschütterliche Unterstützung der Mehrheitskoalition im Parlament zählen kann, natürlich kein besonderes Interesse am Arbeiten mit wechselnden Mehrheiten hat. Warum sollte sie auch?

Keine Basta-Entscheidungen mehr

Bei einem Bürgermeister, der mit Hilfe der Opposition auf den Stuhl des Verwaltungschefs gehoben würde, sieht das aber ganz anders aus. So einer wird ständig um die Unterstützung des gesamten Parlaments für seine Ideen und Vorschläge ringen müssen und dazu braucht er auch und gerade die Unterstützung der Bürger. Denn nur dann, wenn er die Bürger überzeugen kann, entsteht Druck auf die Fraktionen, auch einmal in den sauren Apfel beißen zu müssen, von ursprünglichen Positionen abzurücken.

Das bedeutet, dass der Einfluss der Bürger auf die Politik durch einen von der Opposition unterstützten Bürgermeister steigen wird. An Stelle von Basta-Entscheidungen der Parlamentsmehrheit während der Legislaturperiode wird es zu viel mehr Austausch mit den Bürgern kommen. Statt dass der Bürger bei den Wahlen einmal seine Stimme abgibt und dann bis zur nächsten Wahl nicht mehr gehört wird, wird die Stimme der Bürger eben auch zwischen den Wahlen wichtig sein.

Wer also gerne auch mal nach der Wahl Gehör finden möchte, sollte gut überlegen, wen er wählt. Und, wer etwas ändern will, sollte auch tatsächlich wählen gehen und eine gültige Stimme abgeben. Ungültig wählen ist vielleicht Ausdruck des Protestes, aber es ändert nichts, ganz im Gegenteil. Udo Bauer, Bürstadt

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