Radsport - Heute vor 50 Jahren holte der von Karl Ziegler trainierte Bahnvierer den Weltmeistertitel

"Als kleiner Mann ganz groß gefühlt"

Von 
Agnes Polewka
Lesedauer: 

Die Weltmeister Bernd Rohr (links), Klaus May (rechts) sowie Trainer Karl Ziegler (Mitte) wurden nach ihrem Triumph in Mailand begeistert in Mannheim empfangen.

© Ziegler

Mannheim. In der Mannheimer Innenstadt herrscht Ausnahmezustand. Menschenmassen säumen die Planken, jubeln, halten schwarz-rot-goldene Papierfähnchen in den Wind. Wir schreiben das Jahr 1962. Die Mannheimer Bahnradfahrer Klaus May und Bernd Rohr (RRC Endspurt) fahren mit einem Cabrio durch die Straßen - und genießen den bis dahin größten Triumph ihrer sportlichen Karriere. Am 28. August sind sie mit dem Bahnvierer in Mailand Weltmeister geworden. Zwischen beiden "thront" ihr Trainer Karl Ziegler. "Da habe ich mich als kleiner Mann ganz groß gefühlt", erinnert sich das Mannheimer Original 50 Jahre später: "Ich war ihr Mädchen für alles, war nicht nur Trainer, sondern auch Physiotherapeut und habe mich um die Versorgung gekümmert."

Aber sein idealistischer Einsatz zahlte sich aus. Der deutsche Vierer -bestehend aus den Mannheimern Rohr und May sowie den beiden Krefeldern Ehrenfried Rudolph und Lothar Claesges - stellte bereits in der Qualifikation einen neuen Bahnrekord auf. Im Finale ging es gegen Dänemark. "Die Dänen wurden damals von dem legendären Italiener Costa trainiert", sagt der heute 92-Jährige schmunzelnd. Und so sei er nach dem Triumph seiner Jungs zunächst "sehr überrascht" gewesen. "Ich habe ihnen immer gesagt, ihr könnt Weltmeister werden, aber wir hatten es nicht leicht", erklärt Ziegler. Während andere Mannschaften mit einem Tross an Begleitern anreisten, "gab es für das deutsche Team nur mich mit meiner Werkzeugkiste", weiß Ziegler.

Daran änderte auch der Weltmeistertitel so schnell nichts. "Nach dem Wettkampf standen wir nur mit unseren Fahrrädern da und kein Mensch hat uns abgeholt." Und so machten sich Ziegler und seine Schützlinge am Tag danach mit dem Rad auf den Weg zum Mailänder Bahnhof. "Bernd Rohr ist dann auch noch mit einem Sicherheitsmann von der Straßenagenda zusammengestoßen", lacht der 92-Jährige auf. Und am Ende lagen die Radprofis sowie der italienische Polizist mitten auf einer hochfrequentierten mailändischen Kreuzung.

Beurlaubung nach Kritik

"Zurück in Deutschland habe ich von Seiten des Verbandes nie ein Danke gehört", sagt Karl Ziegler. Stattdessen flatterte ihm eine sofortige Beurlaubung ins Haus. Der Anlass: Ziegler hatte in Mailand die BRD-Funktionäre dafür kritisiert, dass sie sich nicht genügend um ihre Sportler kümmern würden.

Klaus May, der im vergangenen Jahr gestorben ist und laut Ziegler "der beste Anfahrer der Welt" war, stellte sich hinter seinen Trainer. "Auch er wurde gleich gesperrt und so brach unser Vierer auseinander", beschreibt Ziegler das Ende des erfolgreichen Quartetts. Dieses markierte aber keineswegs auch Zieglers Karriere-Aus. Im Gegenteil: 1969 wurde er offiziell deutscher Bundestrainer. Und die Beurlaubung? "Da hat sich niemand mehr gemeldet."

Karl Ziegler wurde am 1. Dezember 1919 in Mannheim geboren.1950 ...

Karl Ziegler wurde am 1. Dezember 1919 in Mannheim geboren.

1950 eröffnete Ziegler, der seit 50 Jahren verheiratet ist, ein Fahrradgeschäft in der Langen Rötterstraße, das zum Treffpunkt der Szene wurde.

1962 trainierte er die Bahnfahrer interimsweise und parallel zu seiner Betreuertätigkeit, von 1969 bis 1971 und von 1976 bis 1980 war Ziegler offiziell Bundestrainer.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen