Forschung - Auf dem Campus der Universitätsmedizin entsteht eine neue Koordinierungsstelle für Telemedizin

Behandlung per Tablet, Video oder Telefon

Von 
Agnes Polewka
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Prof. Gerald Weisser (rechts), Leiter der neuen Koordinierungsstelle, und sein Mitarbeiter, Medizin-Informatiker Marc Schäfer.

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Eine junge Wissenschaftlerin ertastet einen Knoten in ihrer Brust. Aber der nächste Arzt ist weit weg. Die Frau sitzt auf einer Forschungsstation fest. Eingeschneit in der Arktis. Für medizinische Experten unerreichbar. Per Video leiten Ärzte sie an, erklären ihr, wie sie sich selbst eine Probe entnehmen kann. Wie sie ihnen die Zusammensetzung der Probe am besten übermittelt. Es funktioniert. Die Mediziner analysieren ihr Gewebe. Dann das niederschmetternde Ergebnis: ein bösartiger Tumor. Aus der Luft lassen die Ärzte Chemotherapeutika abwerfen. Die Frau therapiert sich selbst - bis die Ärzte endlich zu ihr vordringen können.

Schwerpunkt Netzwerkarbeit

"Das ist Telemedizin", erklärt der Mediziner und Physiker Prof. Gerald Weisser. Die Geschichte von der jungen Frau sei ein besonders spektakuläres Beispiel, keine Frage. Aber eben auch ein sehr anschauliches, sagt der Oberarzt der Radiologie am Uni-Klinikum und Leiter einer neu gegründeten Einrichtung. Einer Einrichtung, die sich mit eben dieser Telemedizin beschäftigt. Der "Koordinierungsstelle für ein zentrales innovatives Netzwerk der telemedizin-gestützten Versorgung Baden-Württemberg", wie sie offiziell heißt. Sie soll in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass ausgewählte telemedizinische Projekte in der Routineversorgung landen. Landesweit.

Zum Beispiel, um personelle Engpässe an Kreiskrankenhäusern in abgelegenen Gegenden in den Griff zu bekommen. Oder aber um kranken Patienten lange Fahrten in die Klinik zu ersparen, indem sie ihre Daten via Internet - mit dem PC oder Tablet - an medizinische Zentralen senden, wo sie überprüft werden. Am Telefon wird dann der Gesundheitszustand des Patienten besprochen. Was sich für den Laien anhört wie ferne Zukunftsmusik, ist beim Militär, und gebietsweise auch im Klinik-Alltag, längst Realität. Ein Beispiel: die sogenannte Tele-Radiologie. "In bestimmten Kreiskrankenhäusern in der weiteren Region ist am Wochenende in der Radiologie teils nur ein Medizinisch-Technischer Assistent vor Ort", berichtet Weisser. Der wendet sich dann an Radiologen der Universitätskliniken, die darüber entscheiden, ob ein CT gemacht wird oder nicht. Und wie es danach weiter geht. "Die Bilder werden verschlüsselt zu uns oder nach Heidelberg geschickt, und wir senden die Auswertung dann wieder zurück", erklärt Weisser.

Die meisten neuen Projekte landen laut Weisser aber nicht in der Alltagsversorgung. Sobald die Fördermittel versiegt sind, verlaufen viele gute Ideen im Sand oder scheitern an Vereinbarungen mit den Kostenträgern, meint der Experte. Hier sollen er und Medizin-Informatiker Marc Schäfer ansetzen, der seit gestern offiziell im Amt ist. "Wir sollen frühzeitig den Kontakt zwischen den Projekt-Verantwortlichen und Trägern herstellen, die Partner zusammen bringen", sagt Weisser. Die wirklich spannenden Projekte, die übernehmen andere. "Wir sind für das Vernetzen zuständig." Bevor die Mitarbeiter der neuen Einrichtung aber voll durchstarten können, muss erst der Rahmen für die neue Koordinierungsstelle abgesteckt werden. "Wir müssen innerhalb unseres ersten halben Jahres unsere Rechtsform klären, ob wir Verein oder GmbH werden", so Weisser. Parallel dazu beginne bereits die Netzwerk-Arbeit auf Kongressen oder Foren.

Dafür stellt das Land eine Anschubfinanzierung von 600 000 Euro für fünf Jahre zur Verfügung. "Danach soll die Sache von alleine laufen", sagt der Leiter der neuen Einrichtung. Reicht das Geld denn? "Wir werden machen, was wir tun können", sagt Weisser. Für seine Stelle seien indes keine Gelder da. Er "mache das nebenbei, als Hobby sozusagen", sagt er schulterzuckend. Eine Assistentin soll aber noch eingestellt werden. Um die Telemedizin in Mannheim voranzubringen, die Mittler zwischen medizinischen Einrichtungen, Produktherstellern, Verbänden und Patienten sein soll.

Und ein weiterer Schritt auf dem Weg der Stadt zum Medizintechnik-Standort in der Region.

Koordinierungsstelle

Die Koordinierungsstelle Telemedizin wird vom Mediziner und Physiker Prof. Gerald Weisser geleitet. Medizin-Informatiker Marc Schäfer ist für das Projektmanagement verantwortlich. Eine Assistentin soll noch eingestellt werden.

Die Einrichtung ist ein vom Land Baden-Württemberg gefördertes Projekt mit dem Schwerpunkt Medizintechnologie an der Universitätsmedizin Mannheim. Beteiligt sind Uni-Klinikum und Medizinische Fakultät sowie die Stadt Mannheim, die über das Cluster Medizintechnologie involviert ist. Die Anschubfinanzierung des Landes beträgt 600 000 Euro über fünf Jahre.

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