Behinderte - Schlocker-Tigers aus Hattersheim sorgen bei Festen und Karnevalssitzungen für Stimmung

Mit Tanznummern zu Selbstvertrauen

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Katia Rathsfeld
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Einige Schlocker-Tigers (von links nach rechts): Susanne Steffler, Andrea Fuhrmann, Sabrina Eich, André Hulverscheid, Susanne Wieczorek und Christina Lopez.

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Hattersheim. An der Decke blinkt eine blaue Lichterkette, durch den Raum schallt Elvis Presleys Hit "C'mon Everybody": Im Untergeschoss der Behindertenwerkstatt Schlocker-Stiftung in Hattersheim (Main-Taunus-Kreis) herrscht ausgelassene Stimmung. Stefanie wirft die Beine in die Luft, tanzt den Twist und betrachtet sich dabei konzentriert im wandfüllenden Spiegel. Stefanie hat das Down-Syndrom und tanzt für ihr Leben gern. Seit 17 Jahren arbeitet sie in der Behindertenwerkstatt - und tritt ebenso lange mit den Schlocker-Tigers auf.

Die Tanzgruppe war kurz nach der Gründung der Werkstatt ins Leben gerufen worden und ist seitdem regelmäßig bei Festen oder auch Karnevalssitzungen zu sehen. "Wir wollen die Menschen als Persönlichkeiten stärken", sagt Werkstattleiter Peter Griebel. Dafür seien öffentliche Auftritte und der Kontakt zu anderen sehr wichtig. Jedes Jahr lernen die Schlocker-Tigers mit ihrer Trainerin Kathrin Ober einen neuen Tanz - und passende Kostüme gibt es auch. Bunte Röcke, Anzüge und Accessoires füllen mittlerweile drei große Schränke. "Wir haben schon Michael Jacksons Thriller und Dirty Dancing gemacht", erzählt André Hulverscheidt. Der 49-Jährige ist von Anfang an bei den Schlocker-Tigers dabei und hat die Rolle des Gruppensprechers übernommen.

Gemeinsam mit Trainerin Ober suchen die zwölf Tänzer ein neues Lied für ihre Choreographie aus und proben es in den kommenden Monaten zweimal pro Woche. "Da kann man immer was Neues dazulernen", freut sich André. Er springt auf und zeigt einige Tanzschritte, inklusive Spagat. Auch Stefanie ist für ihre Solo-Einlagen bekannt. Bei "Thriller" entstieg sie als Skelett verkleidet einem Sarg, und bei "Big Spender" tanzte sie um einen goldenen Stuhl. "Auch das Tanzen mit Sonnenbrillen bei Men in Black hat mir gut gefallen", so die 36-Jährige.

Lampenfieber oder Angst vor Patzern haben viele Schlocker-Tigers anders als zu Beginn der Auftritte kaum noch. "Das kennen wir langsam schon", sagt Tänzerin Andrea Fuhrmann. Weil das Tanzen vor Publikum so einen Spaß macht - bei Karnevalssitzungen mehr als 300 Menschen - wollen die meisten auch noch so lange wie möglich dabei bleiben. "Auf jeden Fall, bis wir alt und schrumpelig sind", sagt Andrés Freundin Susanne Steffler. "Wir haben tatsächlich kaum Wechsel in der Gruppe", bestätigt Trainerin Ober.

Das macht es für die jungen der insgesamt 320 Mitarbeiter der Behindertenwerkstatt schwer, einen Platz bei den Schlocker-Tigers zu ergattern. Einige wie die 27-jährige Marianne haben es dennoch geschafft. Sie gehört zu den jüngsten in der Gruppe und ist normalerweise sehr schüchtern. "Aber auf der Bühne taut sie richtig auf. Sie sucht Blickkontakt zum Publikum, was sie normalerweise gar nicht macht", sagt die Trainerin. Auch Stefanie habe durch das Tanzen sehr viel Selbstbewusstsein bekommen. "Bei ihren Soloparts, da ist sie jedes Mal zehn Zentimeter größer", erzählt Ober.

Künstlerische Projekte für Behinderte seien keine Seltenheit, sagt ein Sprecher der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Insbesondere Musikgruppen von und mit Behinderten seien weit verbreitet. So hätten sich für einen bundesweiten Wettbewerb Ende 2011 mehr als 200 solcher Gruppen beworben.

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