Tanz - Die Männertruppe Les Ballets Trockadero de Monte Carlo begeistert ihr Publikum bei der Sommerbespielung des Nationaltheaters

Der sterbende Schwan muss Federn lassen

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Prächtiges Finale mit "Paquita" als reine Männersache im Opernhaus: Les Ballets Trockadero de Monte Carlo aus New York zu Gast in Mannheim.

© Manfred Rinderspacher

Manchmal macht der kleine Unterschied eben doch einen gewaltigen aus. Zum Beispiel wenn eine starke amerikanische Männertruppe sich einem hehren Kunstbereich widmet, der sonst dem früher einmal "zarten Geschlecht" genannten vorbehalten ist - oder war. Die Grazie der Prinzessinen, die Zartheit der Zaubervögelchen, die ätherische Anmutung von Elfen und Feen ... Forget it! Dieses klassische Ballettpersonal ist mit den Ballets Trockadero de Monte Carlo seit 1974 vor allem eines: Männersache! Und als solche wird sie als Baden-Württemberg-Premiere zur Sommerbespielung des Mannheimer Nationaltheaters von BB-Promotion auch hochprofessionell gestemmt und vom Publikum im Opernhaus gefeiert.

Eine Liebeserklärung mit Humor

Wer bei "Männerballett" an Bierbäuche im Tutu und den karnevalistischen Kappenabend des örtlichen Turnvereins denkt, muss hier umdenken. Diese rein männliche Compagnie besteht aus exzellent ausgebildeten Balletttänzern, die nicht das Fach, wohl aber die Rollen gewechselt haben.

Und hier liegt das vielschichtige Geheimnis des Erfolges der seit vier Jahrzehnten weltweit gastierenden New Yorker Truppe. Es geht um Vieles: Um Geschlechterdebatte, um Stereotypen der Balletttradition des 19. Jahrhunderts, um Humor, Travestie, aber eben auch um eine Liebeserklärung für eine Kunstform, die - wenngleich wenig zeitgemäß - vom Tanzpublikum ungebrochen geschätzt wird. Vielleicht auch deshalb, weil die Zauberreiche und Prinzessinen im Verbund mit körperlichen Höchstleistungen, glitzernden Kostümen und kitschigen Bühnenbildern einen letzten Hauch romantischer Verheißung bedeuten, der uns sonst heute abgeht.

Begonnen wird (klar!) mit "Schwanensee" (1877), dem gekürzten 2. Akt am Waldsee im Mondlicht, wo Prinz Siegfried (Duane Gosa) auf die schöne Odette (Philip Martin Nielson) trifft und der böse Zauberer Rotbart (Joshua Take) sein Unwesen treibt. Siegfrieds (sonst meist gestrichener) Jagdfreund Benno (Raffaele Morra) ist hier erfreulicherweise auch dabei und belebt die Szene als tumber Hebeassistent mit reichlich humoriger Ausfallerscheinung. Ups, da liegt sie wieder auf der hübsch geschminkten Nase, die zarte Schwanenprinzessin, die auch ohne Worte schimpfen kann wie ein Rohrspatz.

Launig und absichtlich geht hier zum Amüsement der Zuschauer manches daneben ... Tänzerisch ist das große Kunst, wenn die klassischen Posen, die Körperspannung aufgegeben werden, um einen Patzer hier, einen kerligen Schritt dorthin oder einen kollegialen Stutenbiss nach hinten einzuschieben. Und flugs wieder hinein in die Grands Jetés, Entrechats und fix geschlagene Fouettés ... Auch die legendäre Nummer der kleinen Schwäne (Pas de quatre) ist natürlich ein Brüller, bevor es mit dem "Le Corsaire"-Pas-de-deux, weitergeht, das Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn aus einem heute vergessenen Werk heraus 1962 in London wieder als Brillanzstück für das Repertoire lebendig werden ließen.

Von Monte Carlo nach New York

Mit George Balanchines "Concerto Barocco" aus dem Jahre 1941 stellen sich "die Trocks" der großen amerikanischen Tradition bis ins Kostüm hinein und durchleuchten sie mit Slapstick unter dem Titel "Go for Barocco". Nachfolgend muss "Der sterbende Schwan" (1907) unter Johlen gehörig Federn lassen. Dem Ballettliebhaber verschlägt es da die Sprache. Zum einen, weil die aus dem Tutu fallenden Federn ein alter Hut sind, zum anderen, weil es ihn ungefähr so schmerzt, als würde man einem Autosammler auf der Oldtimermesse im Rahmen einer Performance seinen Porsche 550 Spyder rundum mit einem Smart-Schlüssel verkratzen. Sterben ist nicht lustig, auch nicht bei Schwänen, ach Anna Pawlowa ...

Mit dem fulminanten Grand Pas "Paquita" (3. Akt), das nur überlebte, weil Marius Petipas es 1949 für das Ballet Russe de Monte Carlo neueinstudierte und George Balanchine es 1951 nach Amerika brachte, schließt sich nach über zwei Stunden (inklusive zweier Pausen) der gelungene tänzerische Kreis zwischen Monte Carlo und New York, Ballet und Ironie, großer Leistung und guter Laune: brausender Applaus.

Les Ballets Trockadero de Monte Carlo im Nationaltheater

  • 1974 entwickelten überwiegend Homosexuelle mit Nähe zur amerikanischen Schwulenbewegung und mit Liebe zum klassischen Ballett eine eigene, rein männliche Compagnie, die unter zunehmender Professionalisierung erfolgreich Parodien der klassischen Ballettliteratur aufführten.
  • Längst sind die New Yorker "Trocks", so ihre Abkürzung, das weltweit bekannteste rein männliche komische Ballett, das international gastiert und für sein hohes tänzerisches Niveau berühmt ist.
  • Bis 7. August ist das Gastspiel teils mehrmals täglich im Opernhaus des Nationaltheaters zu sehen, vom 9. bis 14. August gastiert die Compagnie dann im Theaterhaus Stuttgart.
  • Karten zwischen 33 und 59 Euro gibt es in Mannheim unter 0621/10 10 11, für Stuttgart unter 0711/40 207 20. (rcl)

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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