Pop - Der Produzent und Keyboarder über sein aktuelles Soloalbum, eine Tritonus-Live-CD und seinen Rückzug als Studiobetreiber

Peter Seiler geht neue Wege

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Der Mann mit dem Moog-Synthesizer geht nach Haus': Keyboarder, Produzent und Ex-Tritonus-Kopf Peter Seiler hat sein Studio im Jungbusch aufgelöst.

© Dirr

Es ist eine Zäsur im Mannheimer Musikleben: Peter Seiler hat Ende November nach 34 Jahren sein Triple Music Tonstudio im Jungbusch aufgegeben und will künftig nur noch eigene Musik für Platten, Filme oder Auftraggeber von Zuhause aus produzieren. Gleichzeitig schließt sich für den Keyboarder und Synthesizer-Pionier auch ein kreativer Kreis, denn fast parallel zu seinem neuen Studioalbum "Ride To Matlacha" ist mit "Far In The Sky: Live At Stagge's Hotel 1977" ein rares Zeitdokument erschienen: der Mitschnitt eines Konzerts aus der Spätphase von Seilers Progressive-Rock-Trio Tritonus.

Der Rückzug ins neu eingerichtete Heimstudio stimme ihn schon wehmütig, bekennt der 62-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung, "denn ich fühle mich wie ein Urgestein des Jungbuschs. Ich bin da ja zu einem Zeitpunkt eingelaufen, als alle noch sagten: ,Wie kann man nur in dieses Viertel gehen?'" Mittlerweile sei der Jungbusch zwar "in", auch dank der Popakademie, der Seiler als Gastdozent verbunden bleibt. Aber die Veränderungen im Musikgeschäft hätten der Studioarbeit die Grundlage entzogen: "Es liegt weitestgehend an wirtschaftlichen Dingen. Im Vermietbereich hat sich der Markt komplett verändert, die Leute machen ihre Demos selber im Proberaum und brauchen ein Profi-Studio allenfalls noch für das Finetuning, wenn sie einen Plattenvertrag haben."

Letzte Platte aus der Werftstraße

Damit ist "Ride To Matlacha" die letzte Platte, die der Klangoasen-Macher an alter Wirkungsstätte in der Werftstraße aufgenommen hat. "Deshalb steckt besonders viel Herzblut in der Produktion, und ich habe die Konstellation im Jungbusch ganz bewusst genutzt und tolle Musiker wie Rapper Roddie Dang à Mira oder die Gitarristen Ricardo Bettiol und Felix Schueler von der Popakademie eingeladen", so Seiler. Auch das multikulturelle Musikflair des Viertels wird im Song "Mavi Blue Bosporus" eingefangen - dank der türkischen Sängerin Lale Diler oder Saz-Meister Ali Ungan von der Orientalischen Musikakademie. Bis auf "Campo Brasil" sowie "Timebend", das die markant-soulige Stimme der 2005 verstorbenen Heidelberger BAP-Background-Sängerin Sheryl Hackett prägt, ist der Rest des Albums instrumental.

Zusammen ergeben die zwölf Songs ein Easy-Listening-Erlebnis im besten Sinne - also kein seichtes Geplätscher, dafür steckt zu viel Könnerschaft in Seilers Arrangements und den Instrumental-Parts. Statt den gewohnten Sphärenklängen dominiert der Groove in verschiedensten Spielarten, Seilers Sohn Steven integriert aktuelle Computer-Sounds und die Gitarristen sorgen für rockige Anklänge - nichts davon klingt aufdringlich, alles wohltuend entspannt.

Kein Wunder: Seiler versteht die zwölf Lieder als Kompendium von Reisebeschreibungen - "und den Emotionen, die ich dabei erlebt und jetzt musikalisch verarbeitet habe." Matlacha ist kein fiktiver Sehnsuchtsort, sondern "ein Insider-Tipp zwischen Pine Island und dem Festland Floridas im Golf von Mexiko". Und mit "Sunday@Shimmys" findet sich ein potenzieller Barjazz-Klassiker, der von Jochen Brauers Saxofon virtuos Richtung Mitternachtsmelancholie dirigiert wird.

Mit Bassist Rolf Dieter Schnapka ist ein weiterer alter Mitstreiter auf "Ride To Matlacha" zu hören. Der Zopfträger gehörte neben Kurzzeit-Drummer Arthur Weiss zu der Tritonus-Formation, deren Konzert am 14. Oktober 1977 in Stagge's Hotel in Osterholz-Scharmbeck jetzt veröffentlicht wurde - ohne Wissen der Band. "Ich würde den Mitschnitt nicht illegal nennen, für den privaten Gebrauch ist das ja okay", sagt Seiler. Als die Veröffentlichung vom Lübecker Label Sireena Records angefragt wurde, habe er die sieben Stücke durchgehört, seine Bandkollegen gefragt und das satte 78 Minuten lange Live-Album autorisiert.

"Es war schon manchmal lustig, das nach all der Zeit zu hören. Es gibt aber auch sehr kreative Momente - wir wussten ja nicht, dass mitgeschnitten wird. Also ist alles volle Kanne rausgesprudelt - die Chorusse, die Improvisationen." Letztlich sieht er diese Zeitreise per Silberling positiv: "Ich fand es beeindruckend, was wir damals gemacht haben - kompositorisch und handwerklich müssen wir uns nicht verstecken."

Zeitreise per Silberling

Ein Jahr nach Veröffentlichung ihres zweiten und letzten Albums "Between The Universes" von 1976 verändern die bis auf Seiler komplett umbesetzten Tritonus das damals aktuelle Material live nur wenig. Die drei Songs des stark von Emerson, Lake And Palmer inspirierten Debüts "Tritonus" (1975) dafür umso mehr. Regelrecht episch gerät "The Trojan Horse Race", das 1978 als Single die letzte Veröffentlichung der Mannheimer Krautrocker wurde.

Beeindruckend sind in den teilweise über 14 Minuten langen Songs das variantenreiche Bass-Spiel und Seilers eloquente Keyboard-Passagen, vor allem, wenn er in ruhigeren Momenten Ambient-Techno vorwegnimmt. Da es ansonsten keine offizielle Live-Aufnahme der Mannheimer Krautrocker gibt, ist die etwas dumpfe, mäßig differenzierte Soundqualität zu verschmerzen. Allerdings verblasst dabei Schnapkas Gesang, was schade ist, denn er fasst die Nummern viel energischer an als der elegische Originalsänger Ronald Brand. Das wäre im Triple Music Studio nicht passiert . . .

Peter Seiler

Der Produzent, Komponist und Keyboarder wurde am 26. Oktober 1953 in Mannheim geboren. Peter Seiler arbeitete nach dem Vorbild von Keith Emerson als einer der ersten deutschen Musiker bereits in den frühen 70er Jahren mit einem Moog-Synthesizer.

1972 gründete Seiler mit Ronald Brand (Bass, Gesang) und Charlie Jöst (Schlagzeug) das Progressive-Rock-Trio Tritonus. Dessen Alben "Tritonus" (1975) und "Between The Universes" (1976) zählen zu den Meilensteinen der Mannheimer Krautrock-Szene und wurden auch international beachtet.

1979 löste er die Band auf, ging mit Udo Jürgens auf Tournee und forcierte seine Solokarriere. 1982 gründete er das Triple Music Tonstudio und wurde zu einem erfolgreichen Auftragskomponisten für Film, Funk, TV und Industrie. Seit 1996 lassen sich im Mannheimer Luisenpark pro Jahr rund 20 000 Besucher in der Klang-oase vom Seiler-Sound verzaubern.

Sein aktuelles Soloalbum "Ride To Matlacha" ist im Vertrieb von Soulfood erschienen, der Tritonus-Mitschnitt "Far In The Sky: Live At Stagge's Hotel 1977" bei Sireena Records. jpk

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