Brüssel. Stolze 320 Milliarden Euro verteilte Brüssel in den zurückliegenden sieben Jahren nach dem "Gießkannen"-Prinzip an Europas Regionen. Das ist vorbei. Künftig sollen die lukrativen Fördertöpfe zielgerichteter eingesetzt werden. Erst vor wenigen Tagen billigte der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlamentes die Vorschläge der Kommission, nachdem man sie ordentlich durcheinandergewirbelt und aus deutscher Sicht um wichtige Bereiche ergänzt hatte.
Gab es bislang Geld für eigentlich alles, was irgendwie den EU-Richtlinien entsprach, sollen künftig 60 bis 80 Prozent der Mittel für drei Schlüsselbereiche reserviert werden: Forschung und Entwicklung, Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Unterstützung von energieeffizienten und klimaschonenden Produktionsverfahren.
Ein viertes Ziel dürfen sich die Bundesländer zusammen mit den Kommunen aus einem Elf-Punkte-Katalog wählen. Der enthält neben dem Ausbau von Breitbandnetzen, Anpassungen an den Klimawandel (Hochwasserschutz) oder Bekämpfung der Armut auch die Konversion. "Viele Regionen in Deutschland haben hier großen Bedarf, wenn die Bundeswehr oder die US-Armee abziehen", betonte die fränkische SPD-Europa-Abgeordnete Kerstin Westphal. Deshalb sei man "erleichtert", dass die Umgestaltung von einstigen Militär-Arealen noch "hineinverhandelt" werden konnte.
Deutschland muss allerdings auch einen besonders harten Brocken verkraften. Statt wie bisher 17 Milliarden Euro zur Regionalförderung sowie weiteren neun Milliarden aus dem Sozialfonds wird es bis 2020 nur insgesamt 17 Milliarden Euro geben. Betroffen sind ausnahmslos alle Länder. Und die müssen sich nun beeilen, für die gebilligten Finanzmittel Zusagen zu bekommen. Denn die Kommission plant eine weitere Neuerung: Man will mit den Mitgliedstaaten Partnerschaftsvereinbarungen mit überprüfbaren Zielen schließen. Diese sollen enthalten, was Landesregierungen und Kommunen miteinander verabredet haben. Doch genau da hakt es. "Einige Landesregierungen bremsen die Städte und Gemeinden regelrecht aus", heißt es in Brüsseler Diplomatenkreisen.
Dabei müssen die lokalen und regionalen Bereiche ihre bisherige Strategie zum Umgang mit den EU-Mitteln deutlich umstellen. "Wir werden nicht mehr so viel Geld in den Bau von Gebäuden und Straßen stecken", sagt beispielsweise der konservative Europa-Abgeordnete Lambert van Nistelrooj. Stattdessen sollen Maßnahmen zu Förderung von Beschäftigung, Arbeitnehmer-Mobilität, Neubau von Universitäten oder Stadtsanierungen vorangetrieben werden. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", drängt auch EU-Regionalkommissar Johannes Hahn.
Schwerpunkte gefragt
Nachdem vor wenigen Tagen eine letzte Einigung über den Etat der EU erreicht wurde, herrsche Planungssicherheit. "Die Bundesländer können ihre Programme schreiben, die wie Konjunkturprogramm wirken", meint Westphal. Eile ist geboten, weil für die zwar vereinheitlichte, aber immer noch komplizierte Struktur der insgesamt fünf verschiedenen Fonds (regionale Entwicklung, Soziales, Kohäsion, landwirtschaftliche Entwicklung und Fischerei) im frühen Herbst die notwendigen Rechtsakte erlassen werden. Bis dahin müssen Städte und Gemeinden, Bundesländer sowie der Bund wissen, was sie wollen. Und welche zusätzlichen Schwerpunkte sie setzen möchten, um keine EU-Gelder zu verlieren.
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