München. Sonntägliche Ruhe auf dem Rindermarkt in der Münchener Innenstadt: Nur ein paar Polizeiautos und zwei Toilettenhäuschen erinnern daran, dass hier noch wenige Stunden zuvor eine Zeltstadt mit halb verhungerten und verdursteten Asylbewerbern auf Matratzen und Matten eine fragwürdige Attraktion für Einheimische und Touristen dargestellt hatte. Jetzt sind Teilnehmer und Unterstützer des Hungerstreik-Camps dort, wo sie nach Meinung der meisten Passanten hingehören: die einen im Krankenhaus und die anderen in Polizeigewahrsam.
Widerstand und Festnahmen
Noch um halb fünf Uhr am Morgen hatte der Sprecher der Asylbewerber Asjkan Khorasani seine letzte im kämpferischen Stil gefasste Pressemitteilung per E-Mail verschickt und zu einer Pressekonferenz auf dem Rindermarkt eingeladen. Eine halbe Stunde später räumte die Polizei das Camp. 44 geschwächte Hungerstreikende wurden nach Behördenangaben auf zwölf Krankenhäuser verteilt, 13 Unterstützer, darunter auch Khorasani, wurden vorläufig festgenommen, unter anderem wegen "Widerstands" und "Beleidigung", wie der von der Stadt München gebildete Krisenstab mitteilte.
Bei der Räumung durch ein Großaufgebot der Polizei sei es "zu Gerangel und vorübergehenden Festnahmen" genommen, sagte ein Polizeisprecher. Die Ordnungskräfte mussten eine Sitzblockade räumen. Nach dem Abtransport der geschwächten Streikenden mit Krankenwagen wurde das Zeltlager von Mitarbeitern der Stadt beseitigt.
Die Agenda zur Beendigung des makabren Schauspiels im Herzen der bayerischen Landeshauptstadt war offensichtlich am Vortag bei einem Krisentreffen des Münchener Oberbürgermeisters Christian Ude (SPD) mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) beschlossen worden. Als letzten Versuch zur einvernehmlichen Beendigung des Hungerstreiks hatten die Spitzen von Stadt und Freistaat beschlossen, den ehemaligen Oberbürgermeister und Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel (SPD) und den ehemaligen Landtagspräsidenten und Vorsitzenden des ZK der Katholiken Alois Glück (CSU) als Vermittler zu den Asylbewerbern zu entsenden. Doch Vogel und Glück hatten keinen Erfolg. "Die Gespräche verliefen ohne Ergebnisse, da uns kein Angebot auf Aufenthaltsrecht unterbreitet wurde", teilte Khorasani mit.
Aus der Sicht der Politiker und der Behörden war der Einsatz von Vogel und Glück der letzte Versuch. Besonders Ude fürchtete eine Tragödie, wenn einer der Asylbewerber, die seit Dienstag auch keine Flüssigkeit mehr zu sich nahmen, mitten in der "Weltstadt mit Herz" sterben sollte. Die Stadt habe eingreifen müssen, "um konkrete bevorstehende Gefahren für das Leben der Teilnehmer abzuwenden", teilte der städtische "Stab für außergewöhnliche Ereignisse" mit. Ärzte hatten von "akuter Lebensgefahr" besonders wegen der Verweigerung von Getränken gesprochen.
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