Forschung - Einzelne Wetterereignisse können nach Einschätzung von Experten nicht eindeutig mit globalen Veränderungen in Zusammenhang gebracht werden

"Klimawandel macht keine Pause" - auch nicht in Europa

Von 
Madeleine Bierlein
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"Es wird kältere Winter in Europa geben" - so zitierte unsere Zeitung noch im vergangenen September Thomas Jung vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. In dem Interview über Auswirkungen des Klimawandels erklärte der Klimaforscher damals weiter: "Unsere Experimente mit Computermodellen zeigen, dass es beim Rückgang des Meereises kältere Winter über Europa gibt."

Dass sich das Szenario zumindest diesen Winter nicht bewahrheitet hat, bestärkt einige Klimawandel-Skeptiker. Experten aber sehen das anders. "Leider ist der Klimawandel nicht an einzelnen Ereignissen festzumachen", sagt zum Beispiel Hans Schipper, Leiter des Süddeutschen Klimabüros am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Schwankungen gab es schon immer." Guy Brasseur, einer der Hauptautoren des Weltklimareports von 2007, betonte immer wieder: "Der Klimawandel macht keine Pause."

Auch beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach sind sich die Fachleute einig. "Alle unsere Modelle gehen von einem Klimawandel aus, anders lässt sich der Temperaturanstieg der vergangenen 100 Jahre nicht erklären", betont Andreas Walter, Leiter des Zentralen Klimabüros beim DWD. Die Zahlen sind deutlich. So stieg die Temperatur allein im 20. Jahrhundert - also binnen 100 Jahre - um ein Grad Celsius. Zum Vergleich: Beim 5000 Jahre andauernden Übergang von der letzten Eiszeit zur derzeitigen Warmzeit war es "nur" ein Grad Celsius Anstieg in 1000 Jahren. Im Weltklimabericht heißt es dazu: "Die Menschheit erwärmt das globale Klima mindestens zehnmal schneller als die Natur es je vermochte."

Dem Argument der Klimawandel-Skeptiker, in den vergangenen 15 Jahren habe es eine Pause beim Temperaturanstieg gegeben, widersprechen die Experten unisono: Zwar hätten sich die bodennahen Luftschichten in den vergangenen Jahren tatsächlich nicht so stark erwärmt wie angenommen. "Dafür gab es einen starken Temperaturanstieg der Ozeane", erklärt Klimatologe Walter.

Höhenwind gerät ins Stocken

Auch wenn sich einzelne extreme Wetterereignisse wie der außergewöhnlich milde Winter in Europa und die klirrende Kälte in Nordamerika nicht in Zusammenhang mit dem Klimawandel bringen lassen, haben einige Wissenschaftler doch Hypothesen aufgestellt, an denen sie derzeit arbeiten.

Eine davon lautet, dass das durch den Klimawandel bedingte Abschmelzen des Nordpols die Großwetterlage - insbesondere den Jetstream - auf der Nordhalbkugel beeinflusst. Entlang dieser Strömung ist der Temperaturunterschied zwischen der kalten Polarluft im Norden und den warmen Subtropen besonders groß. Unter bestimmten klimatischen Bedingungen aber gerät der Höhenwind ins Stocken, die jeweiligen Wetterlagen blockieren.

Einige Forschungsergebnisse, unter anderem von Wissenschaftlern der University of Delaware und von der Stanford University, zeigen nun, dass sich der Jetstream seit 1979 verlangsamt hat und damit eher zu Blockaden neigt. Zudem haben seine Wellenbewegungen nach Norden und Süden zugenommen. Eine Erklärung für das Phänomen bietet die starke Erwärmung der Polkappen. Denn erst der Temperaturunterschied zwischen Nordpol und Subtropen verleiht dem Höhenwind sein Tempo.

Dennoch sind die Wetterexperten vorsichtig: "Es ist noch zu früh, einen Zusammenhang mit dem Klimawandel herzustellen", sagt DWD-Klimatologe Walter.

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