Gesellschaft - Niedliche Feenfiguren mit Wespentaille und Casting-Shows vermitteln unrealistische Ideale

Mädchen im Schönheits-Stress

Von 
Yasemin Eckert
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Ob Barbie, "Germany's Next Top Model" oder ganz normale Werbung: Mädchen sind täglich mit unrealistischen Schönheitsidealen konfrontiert.

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Hamburg. Models mit Jeansgröße Null und makelloser Haut posieren lasziv an Hauswänden, Zeitungskiosken und im Fernsehen. In Jugendmagazinen eifern Comicfiguren mit Schmollmund und Schminke den großen Vorbildern nach. Mädchen, die damit aufwachsen, haben es nicht leicht, sich von solchen mal stereotypen, mal sogar sexistischen Schönheitsidealen freizumachen. Und ihre Eltern sind oft verunsichert, wie sie ihnen dabei helfen können.

"Zwischen einer Arbeitswelt, in der Frauen nicht wirklich ernst genommen werden, und einer Kindheit, die auf Prinzessin Lilifee und andere wahnsinnig niedliche Figuren setzt, besteht ein Zusammenhang", erklärt die Genderforscherin Stevie Schmiedel in Hamburg und verweist auf die jüngste Sexismus-Debatte. Ausgelöst hatte die Diskussion der Artikel einer jungen Journalistin, die dem FDP-Politiker Rainer Brüderle anzügliche Bemerkungen vorgeworfen hatte.

Aber das Problem beginnt früher, findet Schmiedel. Ihr Verein Pink-stinks engagiert sich dafür, dass Kinder ohne Geschlechterklischees in einer Welt aufwachsen können, in denen Kinderzimmer für Mädchen nicht komplett rosa sein müssen. Zusammen mit anderen Organisationen hat Pinkstinks den Werberat aufgefordert, seine Richtlinien in dieser Hinsicht zu verschärfen. Wichtig sei unter anderem, Mädchen durch Erziehung ein gesundes Selbstbewusstsein zu vermitteln. Denn durch Spielzeug, Modelshows und Werbung werde ihnen ein Ideal vermittelt, das auf aktuellen Schönheitstrends basiert, statt auf Gleichberechtigung. Schon bei Sechsjährigen sei es beliebt, Modelshows nachzuspielen, erzählt Schmiedel, die selbst zwei Töchter hat.

Dass solche Schönheitsideale großen Einfluss auf die Entwicklung von Mädchen haben, ist belegt. Studien zeigen, dass das Selbstbewusstsein von Mädchen in Deutschland seit der ersten Staffel von "Germany's Next Topmodel" gelitten hat. Weniger als die Hälfte der jungen Mädchen (47 Prozent) ist mittlerweile mit ihrem Aussehen zufrieden, hat eine Studie der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ergeben. Damit ist der Wert seit 2006 um fast 25 Prozentpunkte gesunken.

Um das Selbstbewusstsein zu stärken, sind starke Vorbilder wichtig. Das können Figuren wie Pippi Langstrumpf sein - oder zum Beispiel der Pirat Käpt'n Sharky, erklärt die Genderforscherin Schmiedel: Der kleine Seeräuber stehe mit seinen breiten Füßen fest auf dem Sandboden und grabe seine Schätze selbst aus.

Gleichberechtigte Erziehung

"Trotzdem bekommen meine Mädchen keinen Hausarrest, wenn sie mit einer Barbie nach Hause kommen", betont Schmiedel. "Prinzessin Lillifee oder Barbie gehören leider zu einer Kindheit mit dazu." Mit einem Verbot solcher Spielzeuge bewirke man nur Unverständnis und heftige Gegenreaktionen bei den Kindern. Der Druck von außen sei außerdem so groß, dass die Eltern allein nicht gegen das gesellschaftliche Ideal ankämen.

In Sachen gleichberechtigter Erziehung sollte man sich an Schweden ein Beispiel nehmen, meint Christa Stolle von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes in Berlin. "Aufgrund von Elternprotesten hat die Spielzeugfirma Top-Toy dort vergangenes Jahr ihren Weihnachtskatalog geschlechtsneutral gestaltet." Die Eltern wollten nicht, dass ihren Kindern ein bestimmtes Spielverhalten vorgeschrieben wird. "In dem Spielwarenkatalog sieht man deshalb Jungs, die Mädchen die Haare föhnen, und Mädchen, die mit Fußbällen spielen", erzählt Stolle.

Da eine solche Reaktion seitens der Werbeträger selten ist, sei das A und O, Kinder früh zu einer kritischen Haltung gegenüber Medien und Werbung zu erziehen. "Es hilft, mit der Tochter darüber zu sprechen, warum Firmen mit bestimmten Frauenrollen werben", sagt Schmiedel. Mädchen könnten die Erfahrungen dann besser verarbeiten. Für Frauenrechtlerin Stolle liegt der Schlüssel für eine selbstbestimmte Zukunft vor allem in den Rollenbildern, die die Eltern ihren Kindern vorlebten.

Eine gerechte Arbeitsaufteilung in der Familie sei ein guter Anfang. Der Vater kann also ruhig auch mal putzen oder mit Schürze am Herd stehen, während die Mutter die Füße hochlegt und fernsieht. Außerdem sollte man direkt mit den Mädchen sprechen und ihnen vermitteln: "Ihr habt den gleichen Stellenwert wie Jungen", betont Stolle.

Stärke vermitteln

"Je tradierter die Rollenvorstellungen der Bezugsgruppen sind, umso mehr reproduziert sich das in den Wunschberufen der Mädchen", erklärt auch Almuth Reinhardt vom Koordinationszentrum des Girl's Day. Deshalb sei es wichtig, den Mädchen vor allem Vertrauen in die eigene Stärke zu vermitteln. Eltern sollten mit ihren Töchtern früh über deren Talente und Chancen sprechen.

"Häufig kommen Mädchen am Girl's Day zum ersten Mal mit der Idee in Berührung, einen technischen, handwerklichen oder naturwissenschaftlichen Beruf zu ergreifen", erklärt Reinhardt. Am Girl's Day, einem Projekttag, der von vielen Schulen unterstützt wird, können sich Mädchen direkt in den Betrieben über ihre beruflichen Möglichkeiten informieren. Ganz wichtig sei hier, dass den Mädchen von den Eltern gezeigt werde: "Wir trauen euch auch einen technisch-naturwissenschaftlichen Beruf hundertprozentig zu." dpa

Ein Verbot von Spielzeugen wie Lillifee oder Barbie macht ...

Ein Verbot von Spielzeugen wie Lillifee oder Barbie macht keinen Sinn und kann heftige Gegenreaktionen bei den Kindern auslösen.

Viel wichtiger ist, welche Rollenbilder Eltern ihren Kindern vorleben. Dazu gehört eine gerechte Arbeitsaufteilung.

Projekttage wie der Girl's Day können Mädchen mit technischen oder handwerklichen Berufen in Kontakt bringen.

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