Bergstrasse. Die jungen Mädchen sind auf Zack, aber am Ende fehlt das letzte Quäntchen Mut. Annika und ihre Freundinnen knien um einen Plastikeimer, in dem Erdkröten und Molche die Sonne genießen. Die Augen der Mädchen sind groß, als sie die Tiere auf der Hand haben und sie streicheln. Aber zu einem Küsschen können sie sich nicht durchringen - potenzieller Märchenprinz hin oder her. Wählerisch sind sie, die Freundinnen. "Ich würde niemals eine Kröte in die Hand nehmen. Die sind dick und hässlich", sagt die elfjährige Annika. Molche dagegen streichelt sie ohne Ekel. "Die sind klein und süß." Gestern jedenfalls hatte nicht nur Annika die Chance dazu: Rund 1300 Menschen besuchten das Frühlingsfest am Naturschutzzentrum und feierten gemeinsam mit dem Bergsträßer Anzeiger und dem NZB den Auftakt der diesjährigen Veranstaltungsreihe "Natürlich".
Grusel in der Colaflasche
An zahlreichen Stationen konnten Kinder und Erwachsene die Natur erleben, konnten sie mit allen Sinnen genießen. Doch in den meisten Fällen ließen die Eltern ihrem Nachwuchs den Vortritt - oft auch am Kröteneimer des NABU. "Hauptsache die Tiere werden nicht mit nach Hause genommen", sagte beispielsweise Philipp Beinker, der das Frühlingsfest für eine Radtour mit seinen zwei Söhnen und seiner Frau genutzt hat. Schon der Blick in den Eimer ließ ihn erschaudern.
Auf den iiiiiihhhh-Faktor setzte auch Förster Jens-Uwe Eder. Nicht nur die Augen der kleinen Besucher wurden groß, als er seine Tierschädelsammlung präsentierte. Der Grusel stieg beim Blick in eine Colaflasche, in der zwei Mäuse gestorben waren - das Gewebe hat sich zersetzt, Knochen und Fell stecken noch in der Flasche. Neugierige Blicke gab es auch von den Großen: "Die Eltern schicken ihre Kinder vor, wollen aber eigentlich selbst etwas erfahren", sagt der Förster. Gleiches Spiel an vielen anderen Ständen: Zuerst mussten die Kinder die Limonade aus Unkräutern und den Frühlingsdrink aus Brennnesseln probieren. "Kids first" hieß es gestern bei insgesamt zehn Vereinen und Institutionen, die die Chance genutzt haben, beim Frühlingsfest am Start zu sein. Auch bei den Imkern.
Dort konnten die Besucher Hotels für Wildbienen basteln. Auch Jochen Dauster und sein Sohn Benjamin sägten, was das Zeug hält, um die Bambusstöcke in die richtige Länge zu bringen. "Ganz schön anstrengend", sagte der Achtjährige und atmete tief durch. Die Tuchfühlung mit der Natur ist mitunter harte Arbeit - beim Schafestreicheln geht es schon leichter. Dazwischen tobten sich viele Kinder beim Klettern auf Steinen, Baumstämmen und Hügeln aus.
Qualmende Füße, pochendes Herz
Wer dann noch Kraft hatte, ließ die letzten Körner beim Anlegen des eigenen Blumenbeets in einer Obstkiste. Der anstrengende Tag hatte einen positiven Nebeneffekt für alle Eltern: Die Kinder schliefen abends sicherlich ruhig.
Apropos harte Arbeit: Die rund 30 Mitarbeiter des NZB waren gestern im Dauereinsatz. "Meine Füße qualmen, aber mein Herz pocht zufrieden", sagte Veronika Lindmayer vom Naturschutzzentrum. Damit, dass das Frühlingsfest viele Menschen anlockt, habe sie gerechnet - der tatsächliche Andrang aber habe sie überwältigt. Das Fest hat seine Kapazitätsgrenze erreicht. "Mehr schaffen wir nicht", sagte Lindmayer deswegen. "Aber es hat sich gelohnt: Ich schaue in so viele glückliche Gesichter von Kindern und Erwachsenen."
Zum Beispiel in die von Ilona und Wolfgang Gansmann. Das Ehepaar war zum ersten Mal beim Frühlingsfest. Als sich das Geschehen am Nachmittag immer mehr ans Ufer der Erlache verlagerte, saugten die beiden die Stimmung förmlich auf. Während Erwachsene im Gras lagen und Sonne tankten, spielte der Nachwuchs am Wasser, flogen Frisbees über die Wiese und picknickten Familien auf Decken oder Bänken. "Die Atmosphäre ist bei diesem Wetter super", lobt Wolfgang Gansmann. Und seine Frau ergänzt: "Ein ideales Plätzchen zum Relaxen."
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