Geschichte - "Kartoffeldeutsche" aus Dänemark besuchten die Heimat ihrer Vorfahren / Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge als Gastgeber

Die Taufkirche der Ur-Ur-Ur-Oma besucht

Von 
Eva Bambach
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Seit 1985 besuchen die Mitglieder des dänischen Vereins "Kartoffeltyskerne pa Alheden" regelmäßig die Heimat ihrer Ahnen.

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Zwingenberg. Bitsch, Bärthel oder Kriegbaum - Träger dieses Namens würde man spontan im Odenwald verorten. Tatsächlich aber sind diese Familiennamen seit mehr als 250 Jahren auch in Dänemark zu finden. Etwa 100 Menschen aus dem Odenwald und von der Bergstraße waren aus purer Not einem Aufruf des dänischen Königs aus dem Jahr 1759 gefolgt.

Ablehnung und karger Boden

In deutschen Zeitungen hatte er Bauern gesucht, die gegen die Bereitstellung eines Hofs mit Grund und Tieren nach Jütland kämen, um die dortige Heide zu kultivieren. Die der Einladung folgten, trafen auf die Ablehnung der einheimischen Bevölkerung und auf einen kargen Boden, der wenig Ertrag brachte. Als Reaktion auf die Feindseligkeit der ansässigen Bauern blieben die Deutschen unter sich, pflegten ihr Heimweh und alte Traditionen.

Erdäpfel als Erfolgsprodukt

Auch die aus der deutschen Heimat mitgebrachten Kartoffeln kultivierten sie in der Fremde und hatten damit einen überraschenden Erfolg. Die Kartoffeln gediehen prächtig und brachten den Einwanderern Wohlstand und - neidbedingt - zunächst noch stärkere Ablehnung. Es dauerte eine Generation bis sich Fremde und Einheimische aneinander gewöhnten.

Heute sind die "Kartoffeldeutschen", wie sie nach ihrem Erfolgsprodukt noch immer heißen, längst voll integriert. Die Erinnerung an ihre Herkunft pflegen sie aber noch immer, unter anderem in dem mehr als 700 Mitglieder starken Verein der "Kartoffeltyskerne pa Alheden". Seit 1985 besucht der Verein immer wieder die alte Heimat. Zunächst bestanden Kontakte vor allem nach Reichenbach, inzwischen sind auch Orte an der Bergstraße hinzugekommen. Zwischen Dänemark und Deutschland sind so auch private Verbindungen entstanden. Etwa zweimal im Jahr kommt zum Beispiel das Ehepaar Dürr an die Bergstraße - seit fast 30 Jahren.

In diesen Tagen hielt sich wieder eine große dänische Gruppe in der Region auf - die Vorfahren der Teilnehmer kamen aus Gronau oder Schönberg, aus Ladenburg oder Reichenbach, aus Rimbach oder Beedenkirchen - oder auch aus Zwingenberg.

Aufschlussreicher Stadtrundgang

Die Reisegruppe folgte der Einladung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge zu einem Stadtrundgang. Geführt von Brigitte Kargoll und der Vorsitzenden des Geschichtsvereins, Berenike Neumeister, lernten sie die Sehenswürdigkeiten der Zwingenberger Altstadt kennen, darunter auch die Bergkirche, in der zum Beispiel noch Eva Jung, die Ur-Ur-Ur-Urgroßmutter des heutigen Vorsitzenden der "Kartoffeldeutschen" Aksel Kramer getauft worden war. Bürgermeister Dr. Holger Habich freute sich, eine so große Gruppe begrüßen zu dürfen.

Thema der Ausstellung Migration

Dr. Fritz Kilthau, Vorsitzender des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge, wies darauf hin, dass die Geschichte der Kartoffeldeutschen zur Geschichte der Migration dazugehöre. Die Menschen damals seien nach heutigen Begriffen Wirtschaftsflüchtlinge gewesen, die aus purer Not ausgewandert seien.

Schon im Februar dieses Jahres hatte die Ausstellung "Migration in Südhessen" in der Zwingenberger Remise auch auf die Auswanderung von Odenwälder und Bergsträßer Familien nach Dänemark aufmerksam gemacht. Im Januar 2014 wird die umfassende Ausstellung noch einmal im Heppenheimer Landratsamt gezeigt werden.

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