Natur - Trotz rekordverdächtigem Einsatz der Kommunalen Aktionsgemeinschaft mehr Insekten unterwegs

Ein anstrengendes Jahr für die Schnakenbekämpfer

Von 
Michaela Roßner
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Möglicherweise schon am Wochenende schwirren die Hubschrauber wieder aus, um in frisch überfluteten Rheinauen Schnaken zu bekämpfen.

© Venus

Rhein-Neckar. Trotz Dauereinsatz haben die Schnakenbekämpfer der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) ihr Ziel nicht ganz erreicht: Anfang Juni schwirrten in den Abendstunden vermehrt Hausschnaken in der Region. Mehrere Hochwasserwellen und eine für Hubschraubereinsätze schwierige Wettersituation setzten der Bekämpfung nach Auskunft von KABS-Direktor Dr. Norbert Becker Grenzen - doch man bleibe dran.

Starke Regenfälle im Schwarzwald - sollte man meinen - "jucken" eher wenig zwischen Oftersheim und Worms. Falsch gedacht! Denn die zum Beispiel auf Baden-Baden massenhaft herabprasselnden Tropfen landen unvermeidlich im Rhein. Und lassen den Fluss in den Auenlandschaften über das Ufer treten. Das wiederum gefällt der zartbeflügelten Culex pipiens sehr gut, der gemeinen Hausschnake. Ihre Larven schlüpfen massenhaft und die Stichler können so schnell einen Feierabend auf der Terrasse vermiesen. Oder die Nacht danach.

Seit 30 Jahren hat sich die KABS auf die Fahnen geschrieben, das zu verhindern. Dafür setzt sie den Wirkstoff Bti ein, ein Eiweiß, den der Bacillus thuringiensis israelensis produziert. Aufmerksam behalten Becker und seine Mitarbeiter die Pegelstände des Rheins im Blick und testen, wo wie viele Schnaken - so heißen Stechmücken in Süddeutschland - unterwegs sind beziehungsweise wie viele Larven im Liter Rheinwasser schwimmen. "Die KABS bittet um Verständnis, dass unter den gegebenen Umständen eine Stechmückenbelästigung nicht überall verhindert werden konnte", bedauert Dr. Paul Schädler, KABS-Präsident und Geschäftsführer der Firma Icybag Mosquitocontrol GmbH Speyer, die das Bekämpfungsmittel herstellt. Derzeit wird das mit dem Eiweißstoff versetzte Eisgranulat auch an Wochenenden mit Hochdruck produziert, um für die nächste Hochwasserwelle gewappnet zu sein, erzählt Becker.

Kritik von Naturschützern

Naturschützer werfen den Schnakenbekämpfern immer wieder vor, dass der biologische Kampfstoff nicht so ungefährlich für die Umwelt sei, wie von der KABS betont. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, sollen Studien belegt haben, dass nicht nur Schnaken, sondern auch Zuckmücken an diesem, den Darm der Insekten zerstörenden, Bakterium zugrunde gingen - und in mit Bti-Granulat behandelten Regionen angeblich die Zuckmücken-Population deutlich zurückging. Mehlschwalben hätten daher die weniger gehaltvollen Ameisen als "Schmalkost" picken müssen, was dem kümmernden Vogelnachwuchs schade.

"Das ist Blödsinn", reagiert Becker. "Zuckmücken-Larven entwickeln sich im Schlamm zum Beispiel von Badeseen, da kommt kein Bti hin. Die Schnaken bekämpfen wir nur in den Hochwasserflächen. Außerdem vertragen Zuckmücken eine etwa zehnmal höhere Bti-Dosis, als wir sie ausbringen."

Apropos Dosis: Allein in einer Maiwoche wurden bereits 150 Tonnen Bekämpfungsmaterial per Hubschrauber ausgebracht - insgesamt waren es 200 Tonnen Material, das entspricht der Gesamtmenge von 2014. "96 Prozent davon ist Wasser", betont Becker mit Blick auf das Eisgranulat, das aus der Luft auf die vorher auf ihre Larvendichte hin untersuchten Wasserflächen abgeworfen wird. "Die Arbeit geht uns nicht aus", weiß Becker, denn Schnaken sind extrem fruchtbar. "Wenn wir - wie 2014 - 99 Prozent der Population erwischen, setzt das übrige ein Prozent Schnaken zwei Millionen Eier ab - so viele, wie wir Larven abgetötet haben." Im Mai seien 95 Prozent der Population erwischt worden. Finanziell und personell an den Grenzen, gibt es für die KABS indes eine Gewissheit: Ende September gehen die Schnakenlarven in "Winterschlaf".

Weil sich heiße und kühle Tage in den vergangenen Wochen abwechselten und böige Winde entfachten, musste mancher Hubschraubereinsatz abgeblasen werden. "Wir kamen nicht überall hin", nennt Becker eine weitere Erklärung dafür, dass in den vergangenen Tagen ungewöhnlich viele Schnaken gesichtet wurden. Aber: "An unserer Messstelle haben wir gerade mal 30 Mücken in zwei Minuten gezählt, in den 1970er Jahren waren es 300 bis 1000." Im Vergleich zu jenen Zeiten, als die KABS noch nicht unterwegs war, seien die Sauger-Mengen jetzt also eher - ein Mückenschiss.

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