Landau. "Die haben die arme alte Frau nachts in ihrem eigenen Haus überfallen, geschlagen, getreten und dann einfach sterben lassen", sagt eine Landauerin fassungslos. Ihr Blick ruht auf zwei Männern, die an den Füßen gefesselt, hintereinander vor der Anklagebank sitzen. Seit gestern müssen sich die 25 und 30 Jahre alten Komplizen nach dem brutalen Überfall auf eine 86-Jährige wegen gemeinschaftlichen Mordes vor dem Landgericht Landau verantworten. Hier hat unter verschärften Zugangskontrollen der Prozess um den gewaltsamen Tod der allein lebenden Seniorin aus dem Ortsteil Mörlheim begonnen.
Im Saal sitzen auch sechs der sieben Kinder des Opfers, die sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen haben. Ihre Gesichter verraten Anspannung und unglaublichen Schmerz.
Ein Komplize noch auf der Flucht
Oberstaatsanwältin Anne Herrmann geht davon aus, dass die Angeklagten mit einem dritten Mann - der sich auf der Flucht befindet - in der Nacht zum 19. Mai in das Anwesen der 86-Jährigen eingedrungen sind, um sie zu berauben. Ein vierter Mann habe im Wagen geschlafen und sei wohl nicht in den Tatplan eingeweiht gewesen. Das am Ortsrand der 1100-Einwohner-Gemeinde gelegene Anwesen hätte der 25-jährige Rumäne von vorherigen Betteltouren gekannt. Um herauszufinden, wo die Rentnerin ihre Schätze aufbewahrt, haben die Männer sie nach Einschätzung von Herrmann geschlagen und getreten. Als die Beute dann viel kleiner ausgefallen sei als erwartet, habe der Jüngere die bereits am Boden liegende Frau "aus Wut und Enttäuschung" mit großer Kraft gegen Kopf und Oberkörper getreten. "Obwohl sie erkennen mussten, dass die Frau sterben würde, wenn keine Hilfe kommt, haben sie das Haus gegen drei Uhr morgens verlassen und die Schwerverletzte ihrem Schicksal überlassen", fasst die Anklägerin zusammen. Die 86-Jährige starb allein auf dem Fußboden in ihrem Esszimmer, wo sie ihre Tochter am nächsten Morgen fand.
Victor L., der 25-jährige Hauptangeklagte, gibt vor Gericht zu, die Seniorin zweimal gegen den Kopf getreten zu haben. Bei seiner Aussage verstrickt er sich allerdings oft in Widersprüche. "Ich kann gar nichts sagen, weil ich gar nicht dabei war", bezieht der mitangeklagte Silvester Z. (30) eine ganz andere Position.
Da der Wagen der mutmaßlichen Mörder aber um 3.55 Uhr in der Nähe des Tatortes geblitzt worden war, hält ihm der Vorsitzende Richter Urban Ruppert ein Foto aus einer Verkehrskamera vor: "Bei aller Vorsicht könnte man beim Betrachten auf die Idee kommen, dass Sie das auf dem Beifahrersitz sind." Doch Z. schüttelt nur den Kopf und betont, dass der Mann auf dem Bild ein anderer sei. Sehr viel mehr ist aus Z. nicht herauszuholen. Er stamme aus ärmlichen Verhältnissen, habe die Schule mit 13 Jahren verlassen, um sich in Ungarn als Tagelöhner in der Landwirtschaft durchzuschlagen, und ist Vater von vier Kindern. Auch L. hat die Schule abgebrochen, ist zweifacher Vater, Hilfsarbeiter und seit seinem 13. Lebensjahr nach "Roma-Sitte" verheiratet.
"Wir haben Geld gebraucht, weil wir an diesem Abend nach Rumänien zurückfahren wollten", nennt Victor L. das Motiv. Ihm sei die alte Dame eingefallen, die er bei einer Betteltour mit seiner Frau und den Kindern kennengelernt habe. Damals habe die Rentnerin 50 Euro für zwei Stunden Putzen bezahlt. "Ich dachte, sie hat sicher auch Schmuck, aber es war nicht geplant, sie zu töten." Nachdem man über das Hoftor geklettert sei, habe man an den Rollladen geklopft, den die 86-Jährige nach einer Weile hochgezogen habe. "Als sie das Fenster öffnete, hat Silvester sie in den Schwitzkasten genommen, nach hinten geschubst, dann ist er eingestiegen und wir hinterher", sagt L.. "Ich hab' oben nach Beute gesucht, da hat die alte Dame dreimal geschrien. Und als ich runterkam, sah ich nur, wie Silvester und Nico sie geschlagen haben", weist er die Hauptschuld von sich. "Warum sagst Du nicht die Wahrheit, Du wirst sowieso eingesperrt", ruft Z. dazwischen.
Fortsetzung am 2. Februar
Ruppert vermutet etwas anderes: "Haben Sie vielleicht ihre Frau und die Kinder dabei gehabt und die alte Dame so dazu gebracht, mitten in der Nacht die Tür zu öffnen?", hakt der Vorsitzende ein. "Wie kommt sonst ein Haar ihrer Frau ins Bett des Opfers und weshalb war im Fernsehen der Kinderkanal eingestellt und auf dem Tisch lag eine angeknabberte Schokolade?", untermauert er diese Theorie. Dass Victor L. bei der Tat völlig betrunken war, nimmt ihm der Vorsitzende ebenfalls nicht ab. "Ihr im Auto zurückgebliebener Komplize hat mehrfach betont, dass Sie stocknüchtern waren." Er soll beim nächsten Verhandlungstag am 2. Februar zu Wort kommen.
Mord
- Die Umgangssprache unterscheidet nicht immer exakt zwischen Mord und sonstigen Tötungsdelikten.
- In Deutschland liegt die rechtliche Grundlage für den Mordbegriff im Strafgesetzbuch § 211. Mörder ist, wer aus Mordlust (...) Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch, grausam, oder um eine Straftat zu verdecken (...) einen Menschen tötet. Er wird mit lebenslanger Haft bestraft.
- Man unterscheidet Mord vom Totschlag dadurch, dass mindestens eines der in § 211 genannten Mordmerkmale verwirklicht sein muss.
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