Metropolregion (mit Video und Bildern) - Letzter "World Klapp" auf der Radrennbahn Friesenheim von Zusammenstoß überschattet / Fahrer erleiden Knochenbrüche

Mit Schnurrbart gegen den Wind

Von 
Ulli Heidelberger
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Ludwigshafen. Das Feld ist eng, die Geschwindigkeit hoch. In 70er-Jahre-Outfits und mit Oberlippenbart erreichen die Fahrer auf ihrem Klapprad einen sensationellen Schnitt von über 30 Stundenkilometer, und das schon in der ersten Runde. Dann passiert das Unfassbare: Ein Fahrer touchiert mit seinem Lenker einen weiteren, beide gehen zu Boden und reißen einen Dritten mit. Eine Schrecksekunde ist es ganz still im "Klappodrom" in Friesenheim. Sanitäter eilen sofort an den Unfallort. "Den Fahrern geht es gut", gibt Stadionsprecher Udo Scholz wenig später Entwarnung. Wie gestern zu erfahren war, ist aus dem Spaß offenbar aber doch Ernst geworden: Zwei Fahrer haben einen Schlüsselbeinbruch erlitten, ein weiterer Unfallbeteiligter kam mit einer schweren Prellung am Ellenbogen und Schürfwunden davon.

"Typische Radfahrerverletzungen", bedauert Organisator Peter Zürker gestern auf Anfrage. "Die Fahrer sind aber wieder guter Dinge." Für die Veranstalter - den Pfälzer Klappverein und den RC Friesenheim - ist es ohnehin der letzte "World-Klapp". Zwar soll die Radrennbahn in Friesenheim - anders als angekündigt - nicht abgerissen werden. Doch die Zukunft der ehrenamtlich organisierten Veranstaltung ist offen. Fahrer und Fans - oder "Sportsfreunde", wie sie sich im Jargon von damals nennen - hoffen auf Fortsetzung: "Egal wie und wo", meint Jochen Brasse (38) alias "Al Klappone". Er kam mit Freunden aus Esslingen angereist - auf dem Klapprad, behauptet er. Man habe auf "Wildcards" gehofft, um auch noch starten zu können, doch die Plätze waren begrenzt. So sitzt er nun am Streckenrand in einem orange-braun gestreiften Bademantel. Der ist "authentisch", meint er, "ein Secondhand-Kauf im Osten".

Klappradfahren ist für ihn eine Philosophie, eine Art von "Rebellion" gegen die Hightech-Radrennfahrer von heute, erklärt er, während im Hintergrund Musik von Boney M. zu hören ist. "Manchmal ist es auch gut, gar nicht so schnell zu sein und den Alltag etwas zu entschleunigen", meint der Erzieher. Genau das mache auch den besonderen Reiz der 70er-Jahre-Nostalgie aus. Bevor es losgeht, vereidigt der Ludwigshafener KFZ-Meister und afrikanische König Céphas Bansah die Fahrer. Diese müssen geloben, "Bart aber fair" zu fahren, und das ohne eine Gangschaltung und auf 20-Zoll-Rädern.

"Miss Lu" drückt die Daumen

Unterstützt wird Seine Majestät von der "Miss Lu" Anja Kugler, die ebenfalls Oberlippenbart trägt. Danach stimmt Schlagersänger Hans Freistadt die Word-Klapp-Hymne "Kennst du Ludwigshafen?" an. In vier Ausscheidungsrennen werden die 32 schnellsten Sportler ermittelt, die anschließend im Endlauf den Stundenweltrekord ausfahren sollen. Ein Fahrer muss schon nach wenigen Metern wegen eines technischen Defekts passen, und er sollte nicht der Letzte sein. Rausgenommen werden in den Wertungsrunden jeweils die langsamsten Fahrer, aber auch für sie gibt es begeisterten Applaus vom Publikum. "Ich habe mein Ziel erreicht: Ich bin nicht Letzter geworden", meint Michael "Miguel" Einrich (40). "Der Gegenwind war enorm", betreibt "Miguel" Ursachenforschung. Seine Afro-Perücke hat ihn offenbar ausgebremst: "Ich hatte auf Regen gesetzt, da wären meine Locken windschnittiger gewesen und die Frisur erst richtig zur Geltung gekommen."

Der Regen kommt auch noch, in Form eines heftigen Gewitters und genau zwischen den Ausscheidungsrennen und dem Finale. Zürker freut sich, "dass fast alle der rund 3000 Zuschauer dabei bleiben". Neuer Stundenweltrekordhalter wird nach einem spannenden Schlussspurt der "stolze Pornobalkenträger" Andreas Gebhardt (35) aus Teningen. Er setzt sich gegen Vorjahressieger Egbert "Eggi" Fecht aus Friesenheim und Peter Daicsak aus Speyer durch. Tabak- und Hanfprodukte, für die Teningen einst bekannt war, haben dabei aber keine Rolle gespielt.

World-Klapp 2013

Beim "World-Klapp" mussten die Teilnehmer einen Oberlippenbart tragen und auf einem Original-Klapprad aus den 1970er Jahren starten - auch die 28 Damen am Start.

Es soll die letzte Auflage des skurrilen Rennens gewesen sein.

Neuer Stundenweltrekordhalter wurde Andreas Gebhardt (35) aus Teningen. Er hatte nach 60 Minuten die weiteste Strecke zurückgelegt und verwies mit 36,96 Stundenkilometern Vorjahressieger Egbert "Eggi" Fescht aus Friesenheim auf den zweiten Platz. Dritter wurde Peter Daicsak aus Speyer.

Im Durchschnitt waren die Fahrer mit 37,2 Stundenkilometern unterwegs; als Spitzenwert wurde Tempo 47 gemessen - laut Pfälzer Klappverein und RC Friesenheim (www.world-klapp.de).

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