Rhein-Neckar. Mit einem lauten Seufzer der Erleichterung nimmt C. den Urteilsspruch auf: Die 42-Jährige, die wegen Mordes angeklagt war und mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen musste, bekommt eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren - wegen Beihilfe zum Totschlag. Nach sechs Verhandlungstagen hat das Heidelberger Landgericht gestern das Urteil gegen eine dreiköpfige Familie gesprochen, die gestanden hatte, im Dezember 2009 die Geliebte des Mannes getötet zu haben. 13 Jahre muss der Ehemann wegen Totschlags hinter Gittern, seine 20-jährige Stieftochter wird nach dem Jugendstrafrecht zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
"Diese Tat hat uns erschüttert", resümiert die Vorsitzende Richterin Daniela Kölsch eine lange Beweisaufnahme. 27 Zeugen seien gehört, drei Sachverständige beauftragt und viele Dokumente gesichtet worden. "Manches konnten wir nicht klären", macht Kölsch auch keinen Hehl daraus, dass Fragen offenbleiben. "Im Zweifel für den Angeklagten" habe daher das Motto lauten müssen.
"Aus nichtigem Anlass"
Die Tat sei zwar nicht geplant gewesen, aber besonders verwerflich, weil sie "aus nichtigem Anlass" erfolgte. Dass am Ende nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags verurteilt wurde, führt Kölsch vor allem auf eine offene Frage zurück: Niemand könne sagen, wie viel Zeit zwischen den Schnitten an den Armen und den tödlichen Schnitten am Hals des Opfers vergangen sei.
Die Rechtsmedizinerin habe zwar berichtet, dass bis zu zwei Stunden dazwischen lagen - mit letzter Gewissheit habe man das aber nicht klären können. Auch der in der Anklage geschilderte Ablauf, wonach die Familie die Rheinauerin mit dem Vorsatz nach Edingen gelockt habe, sie umzubringen, habe sich nicht bestätigt. Vielmehr sei wohl das als "klärend" gedachte Gespräch aus dem Ruder gelaufen.
Unter anderem habe das verzweifelte Opfer, das unter Medikamentensucht litt, den Mann aufgefordert "dann tu Du es doch" - und ihm Messer und Handgelenk hingestreckt. "Ob es die Tochter oder ihr Stiefvater war - wer den Schnitt am Arm des Opfers vornahm, wissen wir nicht", geht Kölsch auf eine weitere offene Frage ein. Zu dritt habe man die Verletzte dann in den Park gebracht, wo der Mann seiner Bekannten den Hals durchschnitt. Auf die von der Verteidigung ins Spiel gebrachte "Tötung auf Verlangen" - die mit einer Höchststrafe von fünf Jahren belegt wird - ging Kölsch "ganz bewusst" nur am Ende kurz ein: "Dabei geht es um Konfliktsituationen auf ganz anderem ethischen Niveau", verwies die Vorsitzende auf Fälle, in denen verzweifelte Angehörige oder Mediziner das Leiden von todgeweihten Menschen verkürzen wollen. Der Anwalt, der das gefordert hatte, ist Verteidiger Steffen Lindberg. Er freut sich über das "sensationelle" Urteil für seine Mandantin. "Wenn sie sich gut führt, ist sie zur nächsten Fußballweltmeisterschaft wieder raus", entfährt es ihm im Überschwang etwas flapsig.
Oberstaatsanwältin Kerstin Anderson, die noch am Tag zuvor auf Mord plädiert hatte, bezeichnet die "hohen Haftstrafen" als "der Tat angemessen". Beide Parteien halten sich einen Revisionsantrag offen - eine Woche haben sie dafür Zeit, danach ist das Urteil rechtskräftig. "Das Urteil ist sehr gut begründet und in sich schlüssig", kommentiert Sabrina Hausen, die die Mutter des Opfers bei dem Prozess vertrat. "Natürlich ist es für Menschen, die Angehörige verloren haben, schwierig, solche Urteilsbegründungen nachzuvollziehen - ihr Schmerz bleibt", schiebt sie nachdenklich hinterher.
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