Brühl. Heute ist die letzte Möglichkeit, ein professionell in Rohrhof gebackenes Brot zu kaufen. Wolfram Gothe, der vor 35 Jahren die Bäckerei seines Großvaters Fritz Hauck übernommen hat, lässt den Ofen ab morgen früh kalt. Damit endet ein weiteres Kapitel eines örtlichen Handwerksbetriebes. Künftig gibt es mit Volker Lutz in der Görngasse nur noch eine Bäckerei, die nicht nur aufbackt, sondern vor Ort produziert. Vor rund 50 Jahren versorgten noch sieben Bäcker die Menschen in Brühl und Rohrhof mit Brötchen, Brot, süßen Stückchen und Torten.
"Es ist der allgemeine Trend", bilanziert Gothe. Und dann berichtet der 62-Jährige aus seiner Erfahrung im erweiterten Vorstand der Innung. Immer mehr alteingesessene Bäckereien ließen das Feuer im Ofen verlöschen, weil es keine Nachfolger gebe und der "dramatische Preiskampf" mit den Aufbackstationen in Discountern und Tankstellen sei kaum noch zu stemmen. Auch in Gothes Familie habe sich kein Nachfolger gefunden, der den in den 30-er Jahren gegründeten Familienbetrieb habe übernehmen wollen - Sohn und Tochter hätten sich für andere Berufsbilder entschieden.
Und das verwundert den Bäckermeister nicht, denn die Arbeitszeiten, die einen Bäcker mitten in der Nacht - auch an Wochenenden - aus dem Schlaf rissen, seien nicht unbedingt ein Pluspunkt für das Bäckerimage. Hinzu komme die wachsende Belastung durch Verwaltungstätigkeiten im Büro, die auch Gothe nicht in Begeisterung ausbrechen lasse. "Dabei ist das Handwerk des Bäckers ein wirklich tolles", sagt er. Doch als er mit 14 Jahren als Lehrling erstmals die Schürze umgelegt habe, sei Bäcker nicht sein Traumberuf gewesen, räumt Gothe im Gespräch mit unserer Zeitung unumwunden ein. "Das frühe Aufstehen war nicht unbedingt meine Sache."
Harter wirtschaftliche Kampf
Doch im Lauf der Jahre, die er bis auf eine zweijährige Unterbrechung im Dienst bei der Marine in der Backstube verbrachte, sei sein Leben vom Rhythmus des Ofens geprägt gewesen. Und er entdeckte den Spaß, den dieses Handwerk macht. Anders sind wohl auch die Auszeichnungen nicht zu erklären, die Gothe im Laufe der Jahre gesammelt hat - immer wieder waren auch die Stollen-Oskars als hohe Prämierung dabei. Doch fragt man ihn, ob er einem jungen Menschen, der den Wunsch habe, Bäcker zu werden, zu diesem Beruf raten würde, wird der Meister nachdenklich. "Der wirtschaftliche Überlebenskampf in dieser Branche ist inzwischen sehr hart", fasst er seine Erfahrungen zusammen.
Das sah in den frühen 80er Jahren noch anders aus, als der frischgebackene Meister nach seinen Jahren in anderen Bäckereien den großväterlichen Betrieb in Rohrhof übernahm. Immer investierte er in den Ausbau der Backstube, zwischenzeitlich hatte er sieben eigen Filialen und mehrere Schulen sowie Unternehmen zu beliefern. Doch nach und nach zog er sich aus der Fläche zurück, hatte zuletzt noch drei Verkaufsfilialen in Brühl, Ketsch und Mannheim.
Doch mit dem Aus in der Backstube müssen die Rohrhofer und Brühler keinen Versorgungsengpass befürchten. Michael Utz übernimmt die Verkaufsstellen, "da weiß ich meine Kunden und meine Mitarbeiter, die fast alle das Angebot auf Übernahme angenommen haben, in besten Händen", ist Gothe überzeugt.
Malerei und Motivtorten
Und was hat Gothe jetzt vor? "Ich habe das Glück, erst einmal alles Weitere in Ruhe auf mich zukommen lassen zu können", sagt er. Er will sich seinem liebsten Hobby, der Malerei, widmen. Und so ganz aufhören mag er dann auch nicht. So bleibt der Konditoreibereich in der Hofstraße erhalten, "da werde ich wohl auch künftig meine Motivtorten gestalten".
Daneben will er sich weiter seinen Ehrenämtern als Vereinsvertretervorsitzender, Gemeinderat und in der Innung widmen. "Und ich habe noch einige Ideen mehr", verrät der 62-Jährige mit einem breiten Grinsen, "langweilig wird mir sicher nicht". So verlässt er mit dem berühmten weinenden und dem lachenden Auge heute die Backstube.
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