Naturschutzbund - Vorgehen zum geplanten Reiserschnittgarten stößt bei Stammtisch auf Kritik

"Aus Stuttgart 21 nichts gelernt"

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Über 30 interessierte Bürger nahmen am Stammtisch des Naturschutzbunds (Nabu) teil. Sie wollten sich informieren über den geplanten Reiserschnittgarten und ihrem Ärger Luft machen über die Art und Weise, wie von Stuttgart die Entscheidung über die Rodung öffentlicher und privater Obstbäume gefällt wurde.

Unter den Teilnehmern waren Bewohner des Insultheimer Hofs, Jäger, Landwirte, Mitglieder von Nabu und Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) sowie die Hockenheimer Gemeinderäte Adolf Härdle (Grüne), Fritz Rösch und Markus Fuchs (beide CDU). Nabu-Sprecher Andreas Diebold erläuterte, was es mit dem Reiserschnittgarten auf sich hat und was die beiden Umweltverbände bisher gemeinsam unternommen haben.

Nur Fachkreise informiert

Der Insultheimer Hof sei im März 2012 zum ersten Mal als Standort genannt worden. Informationen seien jedoch nur in Fachkreisen veröffentlicht worden, die Öffentlichkeit sei über das Vorhaben in Unkenntnis gelassen worden. Die Gemeinderäte teilten mit, auch die Stadt Hockenheim und der Gemeinderat seien vorab nicht informiert worden.

Bereits im April habe der Landtag mit Zustimmung aller Parteien eine finanzielle Förderung des Vorhabens beschlossen. Im Juni sei die Betreibergesellschaft des Reiserschnittgartens gegründet worden.

Nachdem Nabu und BUND im September erste Hinweise auf das Vorhaben aus der Bevölkerung erhalten und bei den zuständigen Behörden um Aufklärung gebeten hatten, seien sie vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz kurzfristig zur einer Informationsveranstaltung im Hockenheimer Rathaus eingeladen worden.

Viele Fragen offengeblieben

Um die Gesundheit der Reiser zu gewährleisten, sollen bekanntlich im Umkreis von 250 Meter um den Reiserschnittgarten 400 Obstbäume und weitere Gehölze wie Schlehe und Weißdorn gefällt werden, da sie Pflanzenkrankheiten übertragen könnten. Das gelte auch für Obstbäume und Gehölze in privaten Gärten. Daher seien die Anwohner inzwischen aufgefordert worden, diese zu entfernen.

Nach diesen Veranstaltungen seien, so die Kritik Diebolds, im Hinblick auf Verfahren, Standortsuche, Artenschutz sowie den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika viele Fragen offengeblieben. Daher hätten Nabu und BUND Ende Oktober beim Ministerium und Naturschutzbehörden Anträge nach dem Umweltinformationsgesetz gestellt, um das Vorhaben angemessen prüfen und beurteilen zu können.

Etwa zur gleichen Zeit seien immer mehr Widerstände von Betroffenen publik geworden.

Im Anschluss an Andreas Diebolds Chronik kam eine rege, teils recht emotionale Diskussion in Gang und es wurden viele Fragen aufgeworfen. So ist unklar, wie die Entfernung aller potenziellen Krankheitsüberträger, etwa der vorhandenen Wildreiser, erfolgen soll und welche Auswirkungen die Einzäunung des Reiserschnittgartens auf den Wildwechsel und die nordischen Wildgänse hat, die beim Insultheimer Hof überwintern.

Auch sei nicht bekannt, welche Auswirkungen der Einsatz von Pestiziden und Antibiotika auf Tiere wie Bienen hat und ob deren Honig dadurch belastet wird. Anwohner des Insultheimer Hofs befürchten, dass ihr Trinkwasser belastet wird, das sie aus Brunnen vor Ort beziehen.

Weiter wurde gefragt, wie eine mögliche spätere Erweiterung des Reiserschnittgartens auf einer Fläche aussehen soll, die unmittelbar an das Naturschutzgebiet "Marlach" grenzt und auf der Kiebitze brüten. Ungeklärt sei die Frage, ob der Reiserschnittgarten nicht in einem Gewächshaus betrieben werden kann, in dem mögliche Fremdeinwirkungen durch benachbarte Gehölze ausgeschlossen werden könnten.

Ortstermin am Samstag

Auf Anregung mehrerer Anwesender wurde beschlossen, einen Ortstermin mit allen Betroffenen durchzuführen. Dieser findet statt am kommenden Samstag und dauert rund zwei Stunden. Treffpunkt ist um 14 Uhr an der Einfahrt zum Hofweg in Altlußheim. Von dort geht es zu Fuß zum Insultheimer Hof. Parkmöglichkeiten bestehen bei der Rheinfrankenhalle. tp/tk

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