Es steht ernst um den Patienten Wald. Wo saurer Regen und die Angst vor dem Waldsterben wie in den 90ern nicht ausreichten, macht jetzt El Nino seine Aufwartung. Und der "kleine Junge" hat einiges im Gepäck. Richard Mertel deutete auf das staubtrockene Altblattwerk zu seinen Füßen und senkte die Stimme. "Wenn diese Mulchschicht nicht mehr zersetzt wird, gibt es keine Nahrung für die Bäume."
Der Forstrevierleiter a. D. scharrte vernehmlich mit seinen Füßen über den Waldboden, "die Wurzelverfügbarkeit der Nährstoffe ist nur in Verbindung mit Wasser möglich." Dort also, wo kein Regen fällt, so der Fachmann, können die Bodenlebewesen auch nicht für den natürlichen Rotteprozess sorgen. "Die stellen schlicht ihre Arbeit ein", betonte der Fachmann, der gemeinsam mit Revierleiter Andreas Kolb die Agendagruppe "Tag der Artenvielfalt" bei ihrem viertätigen Programm unterstützte.
Natur- und Artenschutz
"Wild auf Wald" hatten sie die Exkursion in den Hardtwald genannt und damit den Schritt in Richtung des diesjährigen Mottos gelenkt. "Vielfalt entdecken", steht auf der Fahne der Gruppe, die bereits vor zwei Jahren den Landesnaturschutzpreis für ihre wertvolle Arbeit rund um den Naturschutz erhielt.
In diesem Jahr luden sie daher erneut zu Exkursionen, Expertengesprächen, Gottesdienst und Nachdenken ein. Das tut not, erkannten die rund 40 Teilnehmer der Wanderung durch die Schwetzinger Hardt, die unmittelbar an den Zaun des Hockenheimrings angrenzt. "Hier finden wir eine Mischung aus Bann-, Schon- und Erholungswald vor", so Andreas Kolb, "in dem die Forstverwaltung den Natur- und Artenschutz betreibt."
Der Staatswald, so erzählte Richard Mertel noch schnell und von großem Humor beseelt, "ist ein Relikt aus der Zeit Carl Theodors, der dies als kurfürstliches Jagdgebiet nutzte. Heute heißt der Kurfürst Kretschmann."
Regionales Schutzgebiet
Mit einem Augenzwinkern deutete er erneut auf Boden und Wipfelspitzen der großen, alten Kieferbäume. Weit oben ließen sich nurmehr dürre Äste erahnen. "Und ein paar Misteln", betonte er. Schmarotzer, die der Pflanze nichts bringen, aber viel nehmen.
Andreas Kolb erzählte überdies, dass dieser Bereich "Schwetzinger Hardt" seit November 2013 zum regionalen Waldschutzgebiet gehöre. Die Bedeutung für die Menschen sei immens. Darum habe die Forstverwaltung erst unlängst 40 000 Flyer in den Haushalten verteilen lassen, um zu informieren, was es bedeute, dass ein Wald geschützt sei. Das ginge vom Sammelverbot für Waldfrüchte bis hin zum Anleinen der Hunde und dem Gebot, die Waldwege nicht zu verlassen.
"Pilze sammeln ist damit tabu?", erkundigte sich da Dr. Michael König. Der Mannheimer nahm zum ersten Mal am Hockenheimer Tag der Artenvielfalt teil und zeigte sich begeistert angesichts des Angebotes. Aber auch verwirrt anhand der Gesetzgebung. Denn Beeren dürfen im Schonwald nicht gesammelt werden, dafür aber Pilze. Im Erholungswald hingegen sei es erlaubt, Beeren und "sonstige Walderzeugnisse" zu sammeln. Auch das Geo-Caching ist nur im Erholungswald erlaubt.
Woher man wisse, wo man sich gerade befinde, war eine der Fragen. "Schilder", so Andreas Kolb, "weisen darauf hin." Im Wald also gilt: Augen auf und Respekt vor den Anforderungen. Und hoffen, dass bald wieder Regen fällt, so dass der Wald seinen ganz eigenen Job erledigen kann. Die Wandergruppe erfuhr noch viele Details aus dem Arbeitsleben der Forstwirte: Von der Plage der Maikäfer, die in Sandhausen bereits Kahlfraß betrieben haben, und von den heiß diskutierten Konzepten der nachhaltigen Forstwirtschaft, die heute Strukturen schafft anstatt kahl zu schlagen. Über die weiteren Aktionen werden wir noch berichten.
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