Lutherhaus - Ensemble "Fine Art Music" begeistert mit Stücken aus der Rock- und Popgeschichte / Totos "Africa" gehört zu den wirkungsmächtigsten Nummern

Experimentelles schlägt ein

Von 
Markus Mertens
Lesedauer: 

Das Publikum im Lutherhaus zeigte sich durchweg begeistert von dem Konzert, das der Chor "Fine Art Music" (unten) bei seiner Premiere in Schwetzingen aufzubieten hatte.

© Mertens

Bei ihrer Chorprobe vor zwei Wochen hatten sich "Fine Art Music" noch Gedanken gemacht, ob sie das Lutherhaus wohl für sich würden einnehmen können (wir berichteten) - nach diesem donnernden Einstand in der Spargelstadt dürfte daran niemand mehr zweifeln.

Und das liegt einmal mehr am Gesamtkonzept, mit dem das gesangliche Ensemble um seinen Leiter Jo Völker zu Werke geht. Man darf davon ausgehen, dass das Probenwochenende im kleinen elsässischen Niederbronn-les-Bains zu dieser Einheit sein Übriges getan haben wird, denn vom Eingang ab präsentieren sich "Fine Art Music" ihren 150 Zuhörern als Einheit.

Bereits die Dekoration mutet in leuchtend-buntem Schwarz-Pink nach einem forschen Mut an, der sich freilich nicht nur in der Kleidung der 22 Sänger, sondern auch in ihren Stimmen widerspiegelt. Ein Konzert als Wetterereignis und begeisterte Reihen, die jeden Umschwung mitnehmen, als wäre er ein Abenteuer.

Strahlend sonnig beginnt das Set so klassisch wie gekonnt mit "Let Me Entertain You" von Robbie Williams. Überraschen kann eine solche Wahl sicherlich kaum, doch bereits hier beweisen sich die durch und durch selbst gearbeiteten Arrangements von Jo Völker als Goldgriff. Drei-, vier-, teilweise fünfstimmig spaltet Völker die Partien auf, lässt die Zeilen wie eine Welle von den Sopranistinnen bis in den Bass schwappen und hat dabei vor allem eines im Sinn: Diversität. In Polyphonie glänzen, weil diese Sänger es können. Und wie sie es können! "Eleanor Rigby" von den "Beatles" als frühen Morgensonnenschein einfach mal zur vollakustischen Kammerchor-Fassung umarbeiten, um die Stimme allein Instrument werden zu lassen? Für dieses Ensemble ein Kinderspiel, herrscht doch so viel an musikalischem Verständnis vor, dass das Ergebnis nicht einfach nur gut, sondern überragend klingt. Zwar sind Jens Schulze-Osthoff und Ralf Piepenstock natürlich nicht Frank Sinatra und Sammy Davis Junior, doch wenn die beiden Solisten - dem alten Barbershop-Stil verpflichtet - zu "Me And My Shadow" ausholen, tobt das Publikum ganz zu Recht, denn es hat von der drallen Energie eines Frühlingsmittags im Park kosten dürfen. Wer will das schon im Herbst von sich behaupten dürfen?

Experimentelle Nummern wirken

Gewiss darf nicht verschwiegen werden, dass anfangs durchaus auch leichte Nervosität zu spüren ist. Die große Bühne, die Premiere in Schwetzingen - die Gesangsartisten begegnen diesem Konzert mit großem Respekt und wollen es richtig machen. Doch weil sie sich auf eigene Stärken besinnen, als sie den warmen, prasselnden Applaus des Publikums erst einmal im Rücken spüren, machen sie es eben auch richtig. Wer hört, wie elektrisierend die Stimme von Stefanie Schati die Zuhörer packt, als sie bei "Dream A Little Dream" ihre unbedingte Leidenschaft in Töne kleidet, kommt schwerlich umhin, nicht ins Schwelgen zu verfallen.

Gewiss spart auch "Fine Art Music" die Klassiker zwischen Oldies und aktuellen Charthits nicht aus - und so darf das Ensemble, das sonst vornehmlich zu englischen Texten musiziert, neben dem altbewährten und strahlend hell gesungenen "America" auch mit Tim Bendzkos "Nur noch kurz die Welt retten" auf der "bevorzugten Fremdsprache Deutsch" glänzen. Doch wagen die Sänger auch den Sprung ins Ungewisse und weisen sich damit als Spitzen-Chor aus. Ob es die packende Geschwindigkeit in Lordes "Royals", das nordisch-melancholische Silbenspiel im sehnsuchtsvollen "Gøta" oder die nebelfinster-poetische Version des Manhattan Transfer-Hits "A Nighthingale Sang In Berkeley Square" betrifft: Der Chor streift die Avantgarde und schafft es, sie populär zu machen. Dabei werden "Fine-Art-Music"-Doo-Wop-Elemente ebenso zum Werkzeug wie expressive Klangschichtung und Interpretation jeder einzelnen, emotional getränkten Textur. Und so gehören Titel wie "Happy" (mit Solistin Lena Staader) und "Empire State Of Mind" (mit Solistin Ruth Hofstätter) zweifelsohne zu den Höhepunkten des Abends - die wirkungsmächtigsten Nummern bleiben jedoch die experimentellen, so wie "Africa" von Toto: Hände reiben Regenrauschen, klatschend prasseln massige Tropfen herab, bis sie schnipsend vereinzeln und im gesprungenen Donner ihr Auffangbecken finden.

Frenetische Ovationen

Dass es sich hierbei um die wohl beste Chormusik handelt, die ein ambitionierter Laienchor vorlegen kann, ist so unstrittig wie die Tatsache, dass sie einschlägt wie ein Blitz. Und so demonstriert ein begeistertes Publikum seine Wertschätzung für den gelungenen Abend durch frenetische stehende Ovationen, die nicht nur zu massigen Zugaben führten, sondern auch klarmachen, dass dies nicht das letzte Konzert von "Fine Art Music" in Schwetzingen gewesen sein sollte.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung