Bensheim. Mit deutlichen Worten hat António Guterres die 24. Klimakonferenz der Vereinen Nationen am Montag eröffnet. Der Klimawandel sei für viele Menschen und Staaten bereits heute „eine Frage von Leben und Tod“ betonte der UN-Generalsekretär im polnischen Katowice. „Wir sind in Schwierigkeiten, wir sind in großen Schwierigkeiten“, formulierte Guterres.
Eine Sicht der Dinge, die Oliver M. Herchen teilt. Der Klimawandel sei die größte Herausforderung, vor der die Menschheit jemals gestanden habe, sagte Herchen am Montagabend bei einem Vortrag in Bensheim. Eingeladen zu der Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Grüne Runde“ hatten die Grüne Liste Bensheim und der BUND-Ortsverband. Rund 25 Zuhörer folgten im Nebenraum des Präsenzhofs den zweistündigen Ausführungen des Referenten zum Klimawandel.
Herchen, gelernter Bau- und Wirtschaftsingenieur, beschäftig sich seit Jahren nebenberuflich mit diesem Thema; er hat ein Buch zum Klimawandel geschrieben: „Des Menschen Erde – Inferno Anthropozän“ (2017). In diesem Werk beschreibt der Autor die Auswirkungen des vom Mensch verursachten Klimawandels und fordert dazu auf, den „Krieg gegen die Natur“ zu beenden.
In Bensheim gab Herchen, der Mittvierziger lebt in der Nähe von Darmstadt, anhand von Schaubildern und Statistiken zunächst einen Überblick über die erdgeschichtliche Entwicklung des Klimas.
Als Einflussfaktoren für das Klima gelten Sonnenaktivität, Kontinentaldrift, die sogenannten Milankovic-Zyklen, ein Modell, welches das periodische Auftreten von Kalt- und Warmzeiten mit Umlaufbahn und Neigung der Erde erklärt, sowie der Treibhauseffekt. Die Zunahme des Treibhauseffekts ist die Ursache für die globale Erwärmung.
Treibhausgase wie Wasserdampf, Kohlendioxid (CO2) oder Methan sind natürliche Bestandteile des Klimasystems und sorgen für den natürlichen Treibhauseffekt, der die Erde auf eine Durchschnittstemperatur von circa 14 Grad erwärmt(e), erläuterte Herchen. Durch die (industriellen) Aktivitäten des Menschen ist die Konzentration der Treibhausgase stark angestiegen, verbunden mit einer Erhöhung der Temperatur. Als Hauptverursacher dafür wird der hohe CO2-Wert betrachtet.
Folgen der globalen Erwärmung
Die Weltwetterorganisation der UNO ermittelte kürzlich, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre so hoch wie noch nie ist. Der Weltklimarat (ICPP) mahnte in seinem jüngsten Bericht die Dringlichkeit von Maßnahmen an zur Reduzierung der Emissionen aus dem Verbrauch fossiler Brennstoffe sowie industrieller und landwirtschaftlicher Produktion.
Herchen wies ausdrücklich auf die heterogene Zusammensetzung des ICPP hin, in dessen Schriften Meinungen aus allen Richtungen einfließen würden. Der ICPP neige nicht zur Übertreibung, sondern gebe vielmehr den allgemeinen Konsens der Wissenschaft wieder, betonte er.
Anschaulich beschrieb Herchen die Folgen der globalen Erwärmung. Tauten etwa die Permafrostböden in Sibirien auf, würden die dort eingeschlossenen Pflanzenreste der natürlichen Zersetzung ausgesetzt. Dadurch würden enorme Mengen von CO2 und Methan frei werden und in die Atmosphäre gelangen. Die Eisschmelze in der Arktis führe zur Beeinflussung der Ozeanströme, was etwa die Abschwächung des Golfstromes nach sich ziehe könne. Das Schmelzen von Schelfeis und nachfolgend von Landeis in der Antarktis lasse den Meeresspiegel ansteigen.
Durch das Abholzen von Wäldern gingen wichtige CO2-Speicher verloren, so Herchen. Zudem verstärke sich die Erwärmung aufgrund sogenannter Rückkoppelungseffekte, die steigenden Temperaturen lassen in der Natur mehr CO2 frei werden, quasi selbst.
Auf all diesen Feldern droht eine Schwelle überschritten zu werden, die das Klima verändern kann. Diese von der Wissenschaft als Kippelemente bezeichneten Ereignisse sind unumkehrbar und verstärken die negativen Konsequenzen der globalen Erwärmung – sie bringen das Klima zum Kippen. Habe ein solcher Prozess begonnen, lasse er sich innerhalb eines komplexen Systems wie der Erde nicht mehr stoppen, erläuterte Herchen.
Ist der Klimawandel überhaupt noch aufzuhalten? Mit einem Gesamtkonzept, meinte Oliver Herchen. Die Energiewende sei alternativlos, die Kosten dafür verschwindend gering im Vergleich zu den Schäden und Folgen (Hunger, Dürre, Kriege, Flüchtlingsströme), die der Klimawandel auslösen könne.
Benötigt würde ein globaler Plan für Industrie, Landwirtschaft, Verkehr, Energie und Umwelt.
Ob das Pariser Klimaabkommen, das 2020 das Kyoto II-Protokoll ablöst, die Basis für die erforderliche Umkehr bilden kann, hält Herchen für mindestens fraglich. „Das wird kaum reichen.“
Die Politik dürfe sich auf dieser Vereinbarung nicht ausruhen, sondern müsse „jetzt“ tiefgreifende Maßnahmen ergreifen. Denn: „Nichtstun ist keine Option.“
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-krieg-gegen-die-natur-beenden-_arid,1364477.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html