Trainerlegende - Der Heppenheimer Hansjörg Holzamer begleitet seit 1972 Spitzensportler auf dem Weg zum Erfolg

Olympia mit Herz und Verstand

Lesedauer: 

Heppenheim. Mit den Olympischen Spielen in Rio blickt Hansjörg Holzamer (77) in Heppenheim zurück auf den Moment seines größten Erfolgs als Leichtathletik-Trainer: Am 9. September 1972 sprang Hans Baumgartner in München 8,18 Meter weit und gewann damit überraschend die Silbermedaille. Baumgartner gehört wie der Hürdensprinter Florian Schwarthoff zu den vielen Talenten - vor allem Weitspringer und Sprinter -, die Holzamer als Trainer entdeckt und zu sportlichen Höchstleistungen gebracht hat.

Holzamer war als Trainer bei sechs Olympischen Spielen dabei, zuletzt 2000 in Sidney. Heute trainiert er noch im Starkenburg-Stadion und in der Nibelungenhalle die Leichtathleten des TV Heppenheim und berät die Basketballer des VfL Bensheim. Doch er genießt auch das Leben als Pensionär. Bis 2006 war er Lehrer am Lichtenberg-Gymnasium in Darmstadt. Täglich kommt er aus seinem Reihenhaus in der Weststadt in die Fußgängerzone, wo er sich im Eiscafé Riviera mit seinem "Beraterstab" trifft. Dabei wird nicht nur über Sport, sondern über Gott und die Welt diskutiert.

Liebste Erinnerung an Barcelona

Auf die Frage, an welche der sechs Olympischen Spiele er sich am liebsten erinnert, kommt eine überraschende Antwort: Barcelona 1992. In München - so erzählt Holzamer - war er als junger Mann zu aufgeregt. Im Olympiastadion stand er ständig unter Stress. Dazu kam der Terroranschlag auf das Olympische Dorf, der die "heiteren Spiele" bis heute überschattet.

Dass Holzamer Barcelona seine "Lieblingsolympiade" nennt, hat nicht nur damit zu tun, dass er dort mit Florian Schwarthoff den Fünftplatzierten über die 110 Meter Hürden betreute. In Barcelona hat Holzamer im Kulturprogramm den Auftritt des Sängers Luciano Pavarotti (1935-2007) live miterlebt. Pavarotti selbst sagte später, das sei der Höhepunkt seiner Sängerkarriere gewesen.

Immer auch unbequem gewesen

Aus dieser Sichtweise wird klar, dass Holzamer kein Trainer ist, der sich nur für Sport interessiert. Musik und Literatur liegen ihm im Blut. In der Sportpolitik war der Trainer aus Heppenheim immer einer, der sich mit den Spitzenfunktionären des DLV anlegte. Er kämpft bis heute für den "sauberen" Sport und hält deshalb den Ausschluss der russischen Leichtathleten von Rio als gerechtfertigt. "Doch das sind nicht die Einzigen", sagt Holzamer. Er hätte es als gerecht empfunden, weitere Dopingverdächtige auszuschließen. Mit seiner kritischen Haltung zu Funktionären und zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Sports hat er nicht nur Freunde gewonnen. "Der Prophet gilt nichts im eigenen Land", dieser Satz ist oft zu hören, wenn von Holzamer die Rede ist.

Was erwartet Hansjörg Holzamer von den Spielen in Rio, von der Leichtathletik? Für die Läufer hänge viel davon ab, wie die Kunststoffbahn beschaffen ist. "Wenn es eine Mondo-Bahn ist, dann gibt es Rekorde", sagt der Experte. Die kunststoffgetränkten Kokosmatten hätten die Bewegungsabläufe der Sprinter verändert. Viele deutsche Leichtathleten trainierten noch so, als liefen sie auf einer Aschebahn. Es komme nicht mehr darauf an, das Bein lang nach hinten auszustrecken. "Läufer wie Usain Bolt arbeiten nach vorne. Im Sprint hinken wir der Entwicklung um 30 Jahre hinterher."

Holzamers Trainingsmethoden bestanden darin, dass er zunächst die Bewegungsabläufe seiner Sportler ohne technische Hilfe genau analysieren konnte. Er habe den "Zeitlupenblick", sagen seine Bewunderer. Auch das Krafttraining so zu gestalten, dass die Bewegungen möglichst nah an den Abläufen im Wettkampf sind, gehört zu seinen Prinzipien.

Dass er die Sportler als ganze Persönlichkeit, und nicht nur als Lauf- oder Sprungmaschine förderte, auch das ist bekannt. Sportler wie Baumgartner oder Schwarthoff sind nach dem Ende ihrer Karrieren in ihren Berufen erfolgreich und als Menschen in ihrem sozialen Umfeld geschätzt. Geprägt wurden sie auch von den Methoden des Hansjörg Holzamer. ai

Die Holzamer-Familie

Hansjörg Holzamer gehört zu einer Familie, die die Entwicklung von Heppenheim mitbestimmt hat.

Onkel Otto Holzamer, von 1948 bis 1954 Bürgermeister, stammt aus dem Holzamer-Haus an der Lorscher Straße.

Großvater Wilhelm Holzamer aus Nieder-Olm (1870-1907) war Schriftsteller.

Ottos Bruder Hans Holzamer, 1901 in Heppenheim geboren, ist der Vater von Hansjörg. 1934 gründete Hans den Verein Bergsträßer Festspiele. Er ist seit dem Zweiten Weltkrieg vermisst. ai

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

  • Festspiele Heppenheim
  • Bürgermeisterwahl Heppenheim