Nahverkehr - Die Grenze zwischen den Kreisen Bergstraße und Darmstadt-Dieburg trennt auch zwei Verkehrsverbünde / Stundenlange Umwege für die Buspassagiere

Zwei Stunden Fahrzeit für zwei Kilometer

Von 
Philipp Kriegbaum
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Staffel. Die Strecke auf der Felsbergstraße (L 3101) zwischen dem Parkplatz Kuralpe und der Bürgerhalle von Balkhausen ist etwa zweieinhalb Kilometer lang. Mit dem Auto braucht man dafür rund vier Minuten. Mit dem öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) dauert es vor neun Uhr morgens zwei Stunden und 13 Minuten, einschließlich vier Umsteigevorgängen und Bestellung eines Ruftaxis.

Peter Rohlfs von der Lautertaler Bürgerliste (LBL) hatte wegen der ÖPNV-Anbindung zu einem Ortstermin an der Kreisgrenze Bergstraße / Darmstadt-Dieburg auf der Kuralpe eingeladen. Laut dem Online-Fahrplan des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) kann man die Strecke Kuralpe-Balkhausen zweimal am Tag, nämlich um 9.37 und um 14.03, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln in zwölf Minuten schaffen.

Dazu muss man allerdings zunächst knapp einen halben Kilometer am Rand der vielbefahrenen Landstraße entlang gehen, denn einen Fußgängerweg gibt es dort nicht. Hat man spätestens eine halbe Stunde vorher das Ruftaxi bestellt, kann man oberhalb der beiden Serpentinen an der Haltestelle „Im Winter“ einsteigen und ist fünf Minuten später am Ziel.

Doch 9.37 Uhr ist zu spät, um rechtzeitig zur Schule zu kommen. Deshalb fährt das „Familientaxi“ der Wirtsfamilie Bormuth vom Kreuzhof jeden Morgen kurz nach sieben diese Strecke: Die beiden Söhne der Familie besuchen die Schillerschule in Auerbach. Wenn sie um 7.19 Uhr in Balkhausen in den Bus steigen, sind sie kurz vor halb acht in der Weidgasse in Auerbach und nach fünf Minuten Fußmarsch pünktlich zum Unterrichtsbeginn um acht Uhr in der Schule.

Dabei haben sie eine Haltestelle direkt vor der Haustür auf der Kuralpe. Wollen sie dort einsteigen, müssen sie aber eine Dreiviertelstunde früher los, um zur selben Zeit am Ziel zu sein. Nur eines von vielen Beispielen für die Tücken der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs rund um die Kuralpe.

Dort verläuft nicht nur die Grenze zwischen den Landkreisen Bergstraße und Darmstadt-Dieburg, sondern auch die zwischen dem VRN, dem der Kreis Bergstraße angehört, und dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) im Kreis Darmstadt-Dieburg.

Verbesserungen in Sicht?

Deshalb hatte die Lautertaler Gemeindevertretung bereits im April 2019 den Gemeindevorstand gebeten, mit den zuständigen Stellen in den Kreisen Bergstraße und Darmstadt-Dieburg Gespräche zu führen, „um den Busverkehr im Bereich Beedenkirchen, Wurzelbach, Schmal-Beerbach, Staffel und Kuralpe zu verbessern“.

Peter Castellanos, der Vorsitzende des Vereins Pro Bahn Starkenburg und Sprecher des Fahrgastbeirats des Kreises Bergstraße, erinneret daran, dass die Fortschreibung des Nahverkehrsplans des Landkreises Bergstraße für die Jahre 2020 bis 2024 am 9. November vom Kreistag beschlossen wurde. Auf der Internetseite des Kreises finde sich noch die Version für die Jahre von 2014 bis 2018.

Peter Castellanos machte beim Termin auf der Kuralpe Hoffnung auf kleine Verbesserungen. In dem vom VRN veröffentlichten Entwurf des neuen Nahverkehrsplans wird eine neue Buslinie an Schultagen von Bensheim über Balkhausen, Staffel und Beedenkirchen bis nach Brandau als „Maßnahme des vordringlichen Bedarfs“ beschrieben. Unter derselben Rubrik findet sich die bessere Anbindung von Beedenkirchen durch die Verlängerung der Buslinie MO2 ab Brandau über Beedenkirchen nach Reichenbach. Die in Wurzelbach endende Ruftaxilinie könnte über Staffel bis zur Kuralpe verlängert werden.

Auch der Schulbusverkehr solle bedarfsgerecht optimiert werden. Hier wären Verbesserungen ohne allzu großen Aufwand machbar, berichtete Castellanos. Zum Beispiel könnte die Schulbuslinie von Stettbach statt über Jugenheim auch über die Kuralpe nach Balkhausen fahren.

Peter Rohlfs sagte, er habe er nun erstmals Beteiligte aus beiden Landkreisen eingeladen, um die Betroffenheit beider Seiten darzustellen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Deshalb stellte er als sichtbares Symbol der Trennung zwei Pylonen auf den Verlauf der Kreisgrenze. Rund 15 Interessierte waren Rohlfs‘ Einladung gefolgt, darunter die Ortsvorsteher Hartmut Krämer (Beedenkirchen) und Martin Bersch (Balkhausen), der Vorsitzende der Lautertaler Gemeindevertretung Günter Haas, Olaf Bormuth, Wirt des Kreuzhofs, Monika Bauschbach vom Lindenhof, einem von drei Pferdehöfen in Staffel, Britta Hoffner vom Ortsbeirat Balkhausen und die LBL-Fraktionsvorsitzende Silvia Bollmann.

Trotz Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, Wind und Nebel war der Parkplatz gut belegt, als sich die Gruppe dort traf – und das, obwohl eine Einkehr derzeit nicht möglich ist. Olaf Bormuth bedauerte, dass Besucher seiner Gaststätte auf das Auto angewiesen seien. Die Pferdehöfe in Staffel haben jugendliche Reiter, die mangels Busverbindung mit dem elterlichen Pkw gebracht und geholt werden.

Der Beedenkircher Ortsvorsteher Krämer wies auf den Parkplatzmangel am Felsenmeer hin. Ein Engpass, der durch eine bessere Anbindung an den Nahverkehr entschärft werden könnte.

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