Lorsch. In Lauresham flogen jetzt kräftig die Holzspäne, und zwar im Rahmen einer anspruchsvollen Projektarbeit. Fachoberschüler der Bautechnik in der Heinrich-Metzendorf-Schule Bensheim haben sich im Freilichtlabor gemeinsam mit Auszubildenden des Zimmereihandwerks an eine herausfordernde Aufgabe gemacht. Auf dem Areal im Klosterfeld, das einen anschaulichen Eindruck von der Karolingerzeit im Mittelalter vermittelt, lassen sie ein neues Gebäude entstehen. Direkt gegenüber dem Knochenschnitzer-Häuschen wird mit ihrer Hilfe ein weiteres Grubenhaus errichtet – aber eines, das anderthalbgeschossig wird.
Ausdauer und Muskelkraft nötig
Bei dem Projekt handelt es sich um eine Kooperation mit Wissenschaftlern des Freilichtlabors, berichtet Lauresham-Leiter Claus Kropp. Gearbeitet wird weitgehend mit Materialien und nach Arbeitstechniken wie sie vor 1250 Jahren üblich waren. Schließlich wird in Lauresham, das sich experimentalarchäologisches Labor nennt, möglichst authentisch über die ferne Vergangenheit informiert – und fast alles selbst erprobt wie anno dazumal, um genaue Kenntnisse zu erlangen. Die jungen Leute waren daher jetzt mit nachgebildeten handgeschmiedeten Bartäxten zugange, um das Holz für den Hausbau in Form zu bringen.
Das ungewohnte Handwerkszeug verlangte ihnen viel Ausdauer, Konzentration und Muskelkraft ab. Heutzutage haben angehende Zimmerer schließlich hauptsächlich mit Sägen, Stemmeisen und allerlei Maschinen zu tun – und mit fertig zugeschnittenen Kanthölzern statt mit frisch geschlagenen Baumstämmen und einfachsten Werkzeugen. „Sehr anstrengend“, stellten die Auszubildenden fest, als sie sich mit den Arbeitsmethoden ihrer Vorfahren vertraut machten. „Viel Energie und Zeit“ müssen investiert werden, erklärt unter anderem Nicolas Schmitt.
Die frisch geschlagenen Eichenholz-Stämme wurden im Lorscher Wald mit Hilfe der Zugochsen von Lauresham bewegt. Im Freilichtlabor wurden sie von den Zimmerern im zweiten und dritten Lehrjahr weiterverarbeitet. „Das ist kein Spaß“, zeigte Kropp mit Blick auf die mühevolle Millimeterarbeit an den dicken gut fünf Meter langen Stämmen mit hohem Kernholz-Anteil auf. Statt mit modernen Messgeräten wurden Markierungen mit einer in Kohle getränkten Schnur angezeigt.
Glücklicherweise war auf der Baustelle in Lorsch auch Janis Kondrats zugegen. Der Handwerksmeister aus Lettland beherrscht historische Arbeitstechniken und gab seine Erfahrungen gerne weiter.
Die ersten tragenden Pfosten für das neue Grubenhaus wurden bereits in den Erdboden eingelassen. Die Baugrube wurde mit einem Spaten wie aus de Mittelalter ausgehoben. Mit dem weitgehend aus Holz gefertigten Arbeitsgerät war auch das ein vergleichsweise mühevolles und zeitaufwendiges Werk.
Die jungen Leute freuten sich aber darüber, wertvolle Erfahrungen in ihrem Berufsfeld sammeln zu können. Auch die Schüler, von denen einige Architektur studieren wollen, nahmen die Gelegenheit gerne wahr, Modelle für ein Grubenhaus zu entwerfen. Die historischen Funde lassen einen gewissen Spielraum dafür zu, so Kropp. Verschiedene anderthalb- bis zweigeschossige Lagerhäuser mit Reetdächern wurden in Lauresham präsentiert. Eines wird Vorbild für die neue Rekonstruktion sein. Finanziell unterstützt wird das Projekt durch das Kuratorium Welterbe Kloster Lorsch.
Erste Führung Anfang 2020
Das Bauprojekt soll im Herbst 2020 fertig sein, zuvor aber bereits mehrfach im Rahmen von Führungen und Veranstaltungen vorgestellt werden. Eine erste Baustellenführung ist für Anfang 2020 geplant.
Das Projekt sorge nicht allein für eine weitere Rekonstruktion, Lauresham vermittle dabei auch erneut Wertschätzung für das Handwerk, erinnert Kropp.
Und auch ein so hochaktuelles Thema wie Nachhaltigkeit ist in Lauresham dauerhaft präsent. Eine moderne Wegwerf-Mentalität ist dem Mittelalter schließlich fremd. Müll kennen unsere Vorfahren nicht. So werden natürlich auch die Holzspäne vom Grubenhaus-Bau nicht entsorgt. Sie wandern nicht in den Abfall, sondern dienen als wertvolles Brennholz.
Rundgang im Fackelschein
Zum letzten Thementag in diesem Jahr sind Interessierte am 21. Dezember (Samstag) nach Lauresham eingeladen. Mitzuerleben ist dann ein Rundgang bei Fackelschein.
„Lauresham bei Nacht“ heißt das Angebot, das einen Eindruck davon vermittelt, wie die Menschen des Frühmittelalters mit der Dunkelheit zurecht kamen. Einlass ist ab 17.30 Uhr, Eintritt wird erhoben.
Was war möglich in der Zeit vor über 1200 Jahren, als es weder elektrisches Licht noch Kerzen für jeden gab? Wie bewältigten unsere Vorfahren ihren Alltag nach Einbruch der Dunkelheit? Beim Thementag können Kinder und Erwachsene erfahren, welche Tätigkeiten zu später Stunde auf einem karolingischen Herrenhof zu erledigen waren. Auch das Weihnachtsfest wird diesmal dabei eine Rolle spielen.
Geboten werden insgesamt drei neunzigminütige Führungen im Fackelschein um 18, 19 und 20 Uhr, die das nächtliche Leben zur Zeit Karls des Großen beleuchten. Magd Oda wird die Weihnachtsgeschichte nach dem frühmittelalterlichen Epos Heiliand erzählen, es gibt Musik und viel Wissenswertes über die Bedeutung der Nacht und Buden mit winterlichen Leckereien. Auf dem Hauptplatz wird ein großes Feuer für Wärme und Licht sorgen.
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