Ökumenische Flüchtlingshilfe - Lorscher Aktive engagieren sich ehrenamtlich als Integrationspartner für Asylbewerber / Weitere Teilnehmer willkommen

"Wir bekommen ganz viel zurück"

Von 
Nina Schmelzing
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Sibylle Römer (2.v.l.) sowie Arno Denefleh, Wolfgang Ensinger und Nadja Hohler kümmern sich als Integrationspartner um Lorscher Flüchtlinge.

© Lotz

Lorsch. Fast 70 Flüchtlinge leben derzeit in Lorsch. Fehlende Unterkünfte, lange ein großes Problem, bereiten kein Kopfzerbrechen mehr, seit auch mehrere Privatleute Wohnraum an Asylsuchende vermietet haben. Nun konzentrieren sich die Aktiven der Lorscher Flüchtlingshilfe daher auf ein neues Projekt. "Begegnung" heißt es. Gesucht werden dafür jetzt Integrationspartner.

Die Mitglieder des Vereins - Unterstützung erhalten sie von der Stadt sowie den beiden Kirchengemeinde - haben früh erkannt, dass es nicht reicht, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf sowie eine Grundversorgung zu verschaffen und sich sonst aus dem Weg zu gehen. Wenn Integration gelingen soll, ist es wichtig, auf die Fremden zuzugehen.

Ziel: Voneinander lernen

Die Freiwilligen der Flüchtlingshilfe organisieren deswegen Deutsch-Kurse, helfen ehrenamtlich bei Arztbesuchen, Behördengängen und der Jobsuche. Und sie laden die Asylsuchenden zu Freizeitaktivitäten ein und beschaffen Spenden. Jetzt engagieren sich einige der Aktiven auch als Integrationshelfer.

Das heißt, sie widmen einen Teil ihrer Zeit einem Flüchtling, der den Alltag, die Sitten und Gebräuche hierzulande kennenlernen will. Gemeinsame Spaziergänge und Radtouren unternehmen oder sich mit Sport und Spielen beschäftigen - und vor allem Deutsch sprechen und voneinander lernen ist das Ziel.

13 Integrationspartnerschaften hat Sibylle Römer inzwischen vermittelt. "Das ist noch nicht viel", bedauert die Kassenprüferin der Flüchtlingshilfe. Sie möchte, dass es noch viel mehr werden. Schließlich wird die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen. Warum aber sollen Lorscher Freizeit dafür opfern? Was hat die ersten Integrationspartner zu ihrem Einsatz veranlasst?

Reden über Gott und die Welt

"Ich habe viele ausländische Freunde und auch Interesse an fremden Kulturen - und meine Tochter lebt selbst im Ausland", erklärt zum Beispiel Wolfgang Ensinger seine Beweggründe. Der frühere Manager eines Pharma-Unternehmens kümmert sich um einen Flüchtling aus Äthiopien. "Wir gehen mit dem Hund spazieren und plaudern über Gott und die Welt", berichtet er. Das ist in seinem Fall einfach, weil sein Gesprächspartner neben der Muttersprache auch Englisch beherrscht. Der Äthiopier, ein studierter Verwaltungsexperte, geriet in seinem ostafrikanischen Heimatland, das auf dem internationalen Korruptionsindex weit vorne liegt, in Konflikt mit der Regierung. Er wurde inhaftiert, nach der Entlassung floh er.

Noch keine gemeinsame Sprache

Ensinger hofft, dass die akademischen Grade seines Integrationspartners in Deutschland anerkannt werden und er eine neue berufliche Zukunft findet. Der Ruheständler, der erklärt, sein Ehrenamt auch aus Neugier begonnen zu haben, hat sich inzwischen viel über den afrikanischen Kontinent, seine Regime und seine Geschichte informiert.

"Wir engagieren uns, weil wir etwas zurückgeben wollen - so gut, wie es uns geht." Das sagen Arno Denefleh und Nadja Hohler. Das Paar betreut zwei Flüchtlinge aus Äthiopien und Eritrea, mit denen die Verständigung wegen fehlender Sprachkenntnisse noch schwierig ist. Die vierstündige Kommunikation einen Samstagnachmittag lang sei "schon sehr anstrengend" gewesen, gibt Hohler zu, die als Projektleiterin in einem IT-Betrieb in Frankfurt arbeitet.

Weil sie derzeit ein Sabbatical einlegt, investiere sie gerne Zeit, um gemeinsam mit Denefleh eine Partnerschaft zu übernehmen. "Es ist keine Last, denn man bekommt ganz viel zurück", betont der 51-Jährige.

Durch die Betreuungsaufgabe habe sie auch selbst in Lorsch sehr viele neue Leute kennengelernt, freut sich Hohler, die vor sechs Jahren zugezogen ist. Den ihnen zugeteilten Flüchtlingen ermöglichen sie nun ebenfalls neue Kontakte. Und den jungen Männern, die in der Heimat als Handwerker und Traktorfahrer gearbeitet haben, bringe er zudem den Umgang mit den Gerätschaften in seiner kleinen Werkstatt bei, erzählt Denefleh - mit Bohrmaschine und Rasenmäher etwa.

Warum haben alle ein Handy?

Im Bekanntenkreis sorge ihr Engagement für Interesse, so das Paar. Immer wieder werde zum Beispiel gefragt, warum sich alle Flüchtlinge Handys leisten könnten. Das Mobiltelefon sei ihnen die wichtigste Habseligkeit, weil sie nur damit die Verbindung zu Angehörigen daheim halten, wissen die Aktiven der Flüchtlingshilfe. Die meisten dieser Handys seien zudem deutlich billigere Modelle als die hierzulande üblichen, so IT-Fachfrau Hohler.

Lange im Ausland daheim

Auch Sibylle Römer nennt mehrere Gründe für ihre ehrenamtliche Arbeit. Die Ehefrau des pensionierten Pfarrers Dirk Römer hat vor vielen Jahren selbst in Südafrika gelebt und Erfahrung im Entwicklungsdienst. Die Integrationspartnerschaften seien keine ganz neue Idee, sagt sie. Sie funktionierten stets als ein "Geben und Nehmen". Die Lorscher Daniel und Gerda Brunnengräber verstehen sich mit einem Flüchtling inzwischen sogar so gut, dass sie ihn in ihr Haus aufgenommen haben.

Allen Flüchtlingen gemein sei die Sehnsucht nach Frieden, Freiheit und Sicherheit, unterstreichen die Mitglieder der Lorscher Vereins. Diese sei stärker als das Heimweh. Wären die Verhältnisse dort aber anders, würden viele lieber wieder zurückkehren, als hier zu bleiben. Die Asylbewerber, die Wolfgang Ensinger kennt, "würden auf dem Absatz kehrt machen, wenn sie könnten".

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