Das Interview - Sopranistin Astrid Kessler über das 3. Hirschberger Liedfest und ihren Liederabend am Sonntag, 30. Juni

„Aber es geht doch auch um Liebe“

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Freut sich aufs Liedfest: Astrid Kessler mit Stefan M. Dettlinger. © Manfred Rinderspacher

Am Wochenende, von 28. Bis 30. Juni, findet an der Bergstraße wieder ein kleines Gipfeltreffen statt. Zum dritten Mal schon treffen sich Profisängerinnen und –sänger mit Pianist Alexander Fleischer zum Hirschberger Liedfest. Und Astrid Kessler, eine der Protagonistinnen, ist begeistert.

Sie findet es „super“, was in der Synagoge in Hirschberg geschieht. „Das ist klein und auf dem Land, aber der ideale Rahmen für das, was wir tun“, sagt die Sopranistin. Mit Werken von Alban Berg, Johannes Brahms und Robert Schumann sorgt der Nationaltheaterstar für den Abschluss des kleinen Fests, das unter der prominenten Schirmherrschaft von Thomas Quasthoff stattfindet – ein Gespräch.

Frau Kessler, Sie singen fast nur Oper. Wie sind Sie zum Lied gekommen?

Astrid Kessler: Ich habe schon vor der Oper Lieder gesungen und auch Oratorien. Das mit der Oper kam eigentlich erst danach.

Aber auf Oratorienprogrammen in der Region habe ich Sie noch nicht entdeckt?

Kessler: Stimmt, aber früher habe ich das viel gemacht. Ich habe auch Wettbewerbe gesungen und mit einer Berliner Pianistin zusammen ein Programm gestaltet, das wir auf einer Südkorea-Tournee gemacht haben. Es ist also eine Art Back-to-the-Roots für mich.

Ist das Lied mit den intimen Inhalten in intimen Räumen eine Art Gegenwelt zur großen Oper für Sie?

Kessler: Man muss sich da schon umstellen, hineinfinden, einen andere Ton finden. Ich mache seit Jahren nur noch Oper. Für das Hirn ist, was Alexander Fleischer und ich machen, wahnsinnig anspruchsvoll. Das ist ja ein Monolog und von der Menge her wie eine große Opernpartie. Aber das kann man nicht mit der gleichen Größe und Emotionalität bringen, allein weil der Rahmen kleiner ist. Da muss man konzentrieren.

Das Lied ist immer noch sehr stark eine Männerdomäne. Eignet sich die weibliche Stimme dazu, die starken Charakterisierungen und Farben zu gestalten, die es fordert?

Kessler: Ich würde sagen, ja. Natürlich ist die hohe Lage schwierig. Bei Bariton ist die Gesangstimme im Grunde wie die Sprechstimme. Das ist eine Erzähllage. Man versteht das gut. Das ist für Frauen, vor allem in den hohen Stimmen, wesentlich schwieriger. Trotzdem gibt es ja auch Repertoire. Aber was ich in Hirschberg singe, „Frauenliebe und Leben“ von Robert Schumann, ist natürlich für eine Frau geschrieben. Außerdem: Denken Sie an jemanden wie Jessye Norman

… die in der Tat viel Lied gesungen hat und das sehr gut. Sie spielt übrigens viel mit der Stimmfarbe.

Kessler: Ich glaube aber, dass das beim Lied gar nicht in dem Maße nötig ist. Das kann schnell leicht komisch werden, wenn man zu viel mit der Stimmfarbe charakterisiert wie bei Wagner. Man muss sich da in den Mitteln schon dem Rahmen anpassen. Also ich mache das auf der Opernbühne extremer als mit Klavier, obwohl die Lieder von Alban Berg, die ich in Hirschberg singen werde, schon auch opernartig sind.

Schumanns „Frauenliebe und Leben“ kann heute durchaus befremdend wirken. Die Frau ist darin weitgehen auf ihre Rolle als Frau des Mannes reduziert. In emanzipierten Metoo-Zeiten: Wie ist das für Sie als moderne junge Frau?

Kessler: Ich habe damit kein Problem. Es ist ja ihre Sicht, die Ich-Erzählerin berichtet aus ihrem Inneren. Ich denke, Sie ist eine glückliche Ehefrau, die nichts Anderes will. Da kann man dann sagen: Okay, das ist seltsam. Aber ich glaube, es gibt schon noch Leute, für die Familie einfach alles ist. Das ist ja auch nichts Schlechtes. Jede muss wissen, was sie will.

Sie stört die Reduktion nicht?

Kessler: Aber es geht doch auch um Liebe, um ihre verschiedenen Formen, um die Erwartung auf ein Kind. Und das ist ja das Zeitlose daran. Also ich finde das nicht problematisch. Es ist im Zyklus einfach eine Person, die so ist. Klar, die Problematik des Standesunterschiedes gibt es noch immer, es gibt immer noch Männer, die reich und mächtig sind, und Frauen, die dorthin möchten.

Lassen Sie das dann so stehen im Konzert, oder kommentieren Sie das? Vom Publikum wird das meistens dankbar angenommen. Gerade junge Menschen möchten Informationen über den Text, den man selbst beim Lied oft leider nicht versteht, obwohl das anders gedacht ist.

Kessler: Darüber haben wir nicht nachgedacht.

Vorhin haben Sie Jessye Norman angeführt. Haben Sie noch andere Vorbilder beim Liedgesang?

Kessler: Christa Ludwig gehört dazu. Aber man findet viel mehr mit Männern. Die höre ich mir dann an. Aber jemand wie Diana Damrau singt auch Lieder sehr gut. Die verehre ich schon sehr. Sie ist auch in der Farbgebung sehr expressiv.

In Heidelberg gibt es das Liedzentrum, bei den Schwetzinger Festspielen wird auch das Kunstlied gepflegt, und auch das Nationaltheater macht seit einiger Zeit Liederabende. Sehen Sie insgesamt für den Liedgesang ein Comeback?

Kessler: Ja, ich finde das super, auch was wir da in der Synagoge in Hirschberg machen. Das ist klein und auf dem Land, aber der ideale Rahmen für das, was wir tun.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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