(Archiv-Artikel vom 4.9.2020)
Eine der großen Mannheimer, nein: deutschen Musik- und Show-Veranstalter-Persönlichkeiten ist für immer von der Bühne abgetreten. Wolfgang Bocksch starb, wie seine Schwester Michaela Bocksch dieser Redaktion am Freitag bestätigte, am 26. August im Alter von 70 Jahren im Mannheimer Klinikum. Er sei an Krebs erkrankt gewesen, aber überraschend gestorben.
Bocksch erlebte in den 1980er Jahren einen steilen Aufstieg, als er Musicals wie „ A Chorus Line“, „Evita“ und andere nach Deutschland brachte und die Säle füllte – bevor hierzulande das große Musicalfieber ausbrach. Und mit der Verpflichtung des Star-Magiers David Copperfield gelang ihm 1993 ein Welterfolg. Der Mannheimer hatte eben den sprichwörtlichen „richtigen Riecher“. „Ich bin kein Taktierer, ich gehe immer dem Gefühl nach“, bekannte Bocksch 1994 im Gespräch mit dieser Zeitung. Im direkten Kontakt war der 1,95-Meter-Hüne damals alles andere als ein kühl kalkulierender Geschäftsmann. Er war ein herzlicher, offener Dialogpartner, der seine Erzählungen gerne durch schallendes Gelächter aufheiterte.
Viele seiner Erfolgsshows wie „42nd Street“, „Hair“, „Jesus Christ Superstar“ oder „African Footprint“ – um nur einige zu nennen – brachte der Mannheimer auch ans Nationaltheater, wo er als Erster die Spielpause im Sommer für derartige Gastspiele nutzte. Und nicht selten platzierte er seine Produktionen auch in populären Fernsehsendungen wie „Wetten dass…?“
Eine solche Karriere war Bocksch, der mit seiner Familie 1961 aus der damaligen DDR nach Mannheim übergesiedelt war, nicht vorbestimmt. Er absolvierte hier eine Ausbildung als Grafik-Designer, nebenher jobbte er in der Konzertagentur von Mathias Hoffmann.
Aufstieg mit Gheorghe Zamfir
Erstmals bewies Bocksch sein Talent, neue Trends aufzuspüren, als er 1979 den rumänischen Panflötenspieler Gheorghe Zamfir kennenlernte und sich entschloss, eine Tour mit ihm zu organisieren – auf eigene Kosten. Das Risiko zahlte sich aus, die Tour wurde ein riesiger Erfolg. Für Bocksch folgte ein fast märchenhafter Aufstieg: Gastspielreisen mit dem russischen Bolschoi-Ballett, die Bekanntschaft mit Tanzstar Rudolf Nurejew, umjubelte Welttourneen, dann der Coup mit „A Chorus Line“.
Oft jettete Bocksch nach Amerika, suchte in den USA höchstpersönlich nach Talenten für seine Produktionen. Da freilich verließ er sich nicht auf sein Bauchgefühl, sondern legte Wert auf hohe Qualität – was jeder, der eine seiner Bühnenshows gesehen hat, bestätigen kann. Trotz dieser Bilderbuchkarriere war Bocksch ein Promoter, der die Öffentlichkeit scheute, sich bescheiden im Hintergrund hielt. Unvergesslich die Szene, als die Mannheimer 1996 seine erste Nationaltheater-Premiere „42nd Street“ besuchten und in festlicher Garderobe durchs Foyer eilten, während der Veranstalter mit Nadelstreifen-Jackett, in Jeans und Stiefeln unerkannt an einer Säule lehnte und versonnen lächelte.
Berichtet wurde damals auch von einem seiner Mitarbeiter, dass Bocksch nach einem Kassenknüller sein Team für ein Wochenende zum Kurzurlaub nach Florida einlud. Wer die Gepflogenheiten der Branche kennt, weiß, was dies für eine Ausnahme war.
Einen Traum erfüllte sich der Mannheimer, als er 1997 das Berliner Schillertheater übernahm und es als Musicaltheater auf Kurs bringen wollte. Doch das Glück blieb ihm nicht treu, und nach nur einem Jahr warf Bocksch in der Hauptstadt das Handtuch. Es kam noch schlimmer: 2007 musste er Insolvenz anmelden. 2010 wurde er vor dem Landgericht Mannheim wegen Steuerhinterziehung verurteilt. „Ich bin von ganz oben ganz tief gefallen“, sagte er damals. 2014 tauchte Bocksch in der „Berliner Zeitung“ als Veranstalter der Pferde-Show „Apassionata“ auf.
Bis zuletzt habe ihr Bruder die Zukunft im Blick gehabt und Pläne geschmiedet, berichtet Michaela Bocksch. Schon 1994 hatte er prophezeit: „Ich werde nie der Typ sein, der um 6 Uhr die Füße hochlegt oder sich am Strand von Mallorca grillen lässt.“ Nun muss die Musikszene den Tod dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit betrauern.
Erfolge mit Musicals und Magier-Shows
- Wolfgang Bocksch, 1949 in Herzberg (Brandenburg) geboren, kam 1961 mit seiner Familie nach Mannheim. 1979 organisierte er seine erste Tournee mit dem Panflötenspieler Gheorghe Zamfir.
- In den 1980ern veranstaltete er Tourneen mit dem Bolschoi Ballett, war mit deutschsprachigen Musical-Produktionen wie „A Chorus Line“, „Evita“, „West Side Story“ erfolgreich.
- 1987 gründete Bocksch mit Michael Brenner die Agentur BB Promotion, machte sich dann selbstständig, mit zwei Büros in den USA.
- 1993 wurde er als Promoter des Zauberkünstlers David Copperfield gefeiert. 1999 organisierte er Auftritte mit dem Magier Hans Klok. 1997 übernahm Bocksch das Berliner Schillertheater als Musicalbühne, das er 1998 aber wieder abgab.
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