Literatur regional - Ex-Domina Nora Schwarz legt mit "Todestrieb" einen gelungen düsteren Mannheim-Krimi vor

"Eine besondere Form der Freiheit"

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Mag die Schwärze der menschlichen Seele: Nora Schwarz.

© Mardo

Im Niemandsland des alten Industriehafens auf der Friesenheimer Insel wird eine Leiche gefunden - so grausig zugerichtet, als hätte sie den Fehler gemacht, eine der Todsünden aus David Finchers Serienmörder-Klassiker "Sieben" zu begehen. Am Tatort: zwei ungleiche Kommissare. Tom Krohne, Typ schluffiger Reggae-T-Shirtträger, und seine Vorgesetzte Hanna Mantolf. Die Hauptkommissarin weiß ihre Reize so vorteilhaft zu betonen, dass ihr Kollege sich fragt, wen sie "mit ihrem Outfit eigentlich quälen wollte. Die Männer draußen an den Stehtischen? Oder ihn?"

Neben dem Geruch des Todes liegt also in Nora Schwarz' erstem Mannheim-Krimi "Todestrieb" schwülstige Erotik in der Hafenluft - eine Mischung, die man pervers nennen könnte. Zumal das Opfer hier der Skandal-Fotokünstler Sven Borke ist, der mit wahrhaften Perversion seinen Marktwert ins Unermessliche gesteigert hat - mit Bildern von bis aufs Blut erniedrigter Frauen.

Seiner von der Todesnachricht nur mäßig geschockten schwangeren Frau Elisabeth scheint die anstehende Vernissage wichtiger zu sein als der sadistische Mord an ihrem Mann, sie verteidigt seine Kunst aber strikt gegen die vermeintlich vorurteilsbeladenen, ignoranten Ermittler. Und staunt nicht schlecht, als die alleinerziehende Hauptkommissarin ihr eine druckreife Bewertung der Borke-Bilder liefert: "Das sind Visionen einer besonderen Form der Freiheit, denke ich. Frei von Moral und Erziehung eine eigene Schönheit im Grauen zu finden" - und letztlich der "Versuch, Schönheit und Sadismus zu vereinen".

Zusammen mit dem Prolog über eine vom Mann ihrer Mutter gequälten Achtjährigen und der forschen Optik Hanna Mantolfs ergibt sich schnell der Verdacht, dass hinter dieser Ermittlerin mehr steckt als eine brave Kriminalpolizistin aus Schwetzingen. Aber Schwarz versteht sich darauf, diesen Anfangsverdacht unterhaltsam zu zerstreuen, andere Fährten spannend zu machen und so ein düster-sinnliches Thriller-Szenario in die Quadratestadt zu projizieren.

Die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Zum einen ist das Mannheimer Lokalkolorit auch im Detail gut getroffen, kommt ohne bräsige Kurpfalz-Klischees und sentimentalischen Zuckerguss aus. Erstaunlich für eine gebürtige Heilbronnerin, die in Stuttgart studiert hat. Zum anderen ist es kein Wunder, dass die Beschreibung des Spiels mit Unterwerfung und Ausgeliefertsein, die man meist unschön grobkörnig unter "Sadomaso" (SM) abheftet, ihr besonders akkurat gelingt: Im Vorgänger-Buch "Lessons in Lack" weiß Nora Schwarz wohl aus eigener Erfahrung von einem "Leben als Domina zwischen Hörsaal und SM-Studio" zu berichten.

Frappierende Wendungen

Dank ihrer Szenekenntnisse und einiger für einige sicher frappierende Wendungen im Fall Borke ist "Todestrieb" zwar nichts für ganz zartbesaitete Gemüter, aber letztlich einer der gelungeneren Mannheim-Krimis auf dem Markt - trotz des Klischee-Alarms beim Blick auf das gegensätzliche Ermittler-Duo, den mitunter etwas gestelzten Dialogen und einigen Längen. Etwas mehr Schliff im Lektorat und dasselbe düstere Schwarz über Mannheim - dann könnte man sich an Mantolf/Krohne glatt gewöhnen.

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