Mainfranken Theater Würzburg - Ein-Personen-Stück „Schwalbenkönig“ von Stefan Hornbach feierte Premiere

Enorm lehrreich und anregend

Von 
Felix Röttger
Lesedauer: 
Nicht im Alleingang auf die Bühne gebracht: Szene aus „Schwalbenkönig“ mit Martin Liema als Fußballstar Philip. © Gabriela Knoch

In den Kammerspielen am Würzburger Mainfranken Theater feierte das Ein-Personen-Stück „Schwalbenkönig“ des Autors und Schauspielers Stefan Hornbach Premiere. Ein Fußballer ist in drei typischen Siegerposen überlebensgroß auf der schwarzen Bühnenwand zu bewundern.

Fast könnte man vermuten, dass sich hier das Stadttheater mit dem dezenten „W“ über der Rückennummer 17 einen kommenden Stern am Fußballhimmel gesichert hat. Mit jungen Talenten, die mit 15 Jahren schon die Ballbehandlung der Profis zeigen, lässt sich bei einem Vereinswechsel viel Geld verdienen. Und manche Spieler bekommen ein, zwei Jahre später schon fünfstellige Monatsgehälter.

Christiano Ronaldo fing in der portugiesischen Nationalmannschaft mit der Rückennummer 17 an. In der deutschen Nationalmannschaft trug sie immer der Verteidiger Per Mertesacker. Mit diesem Spielertyp ist in dem sehr unterhaltsamen Jugendstück Philip zu vergleichen, der sich nach seiner eigenen Einschätzung mit Fleiß und Beharrlichkeit nach oben gekämpft hat. Martin Liema verkörpert den angehenden Fußballprofi Philip, der vor einer Schulklasse von seinem Weg zum Erfolg berichten soll.

Mit 13 Jahren bekam er eine Zusage für ein Leistungszentrum. Es ist nichts anderes als ein Sportinternat, in dem die schulische Ausbildung mit der im Vordergrund stehenden Fußballer-Karriere im Einklang gebracht werden soll.

Philip hat lediglich mit einem Frage-Antwort-Spiel gerechnet. Doch meistert er den ungewohnten Auftritt ebenso souverän wie auf dem Rasen. Auf den ersten Blick ein tolles Erlebnis für wissbegierige Jugendliche. Bestimmt halten sich nicht wenige fußballbegeisterte Schüler für sehr talentiert, um ganz schnell - an der öffentlichen Schule vorbei - von einem Verein für ihr Leistungszentrum entdeckt und mit einem tollen Vertrag ausgestattet zu werden. Philip macht den Zuhörern schnell klar, dass man grandios scheitert, wenn man nicht enorme Disziplin und Leistungsbereitschaft mitbringt. Der Tagesablauf ist eng getaktet; die altersgemäße Zerstreuung mit Kumpels, das Erlernen eines Musikinstrumentes oder Kinobesuche mit der Freundin sind schon zeitlich nicht drin.

Doch mit Mädchen kann Philip sowieso nichts anfangen. Auch wenn alles passt, kann nach einer schweren Verletzung der große Traum unvermittelt platzen. Dann stürzt plötzlich der Himmel ein, denn einen Plan „B“ haben selbst die wenigen Kicker nicht, die es auf dem Platz nach ganz oben schaffen. Ein prägendes Erlebnis ist für Philip, dass der ebenfalls für das Leistungszentrum auserwählte Timothy sein Freund und Zimmergenosse wird. Beide verstehen sich blind, ohne viel miteinander zu reden.

Timo aus Ruanda hängt sich, so sehen es die anderen Nachwuchstalente, voll und ganz an den Rockzipfel von Philip. Nachts kann Timo erst einschlafen, wenn er sich neben Philip ins Etagenbett legen darf. Mehr und mehr wird Philip bewusst, dass Timo viel talentierter als er ist. Alles sieht bei ihm so leicht aus, denn er beherrscht den Ball perfekt. Alle beneiden ihn und für den Nachwuchstrainer wird Timo zum Star des Sportinternats.

Tonlage ändert sich

Plötzlich ändert sich die Tonlage von Philip, als er davon erzählt, dass er Timo mehr und mehr als Konkurrenten um die Gunst des Trainers und der Fußballexperten sieht.

Fußball ist Mannschaftssport, aber jeder Spieler muss sehen, wo er bleibt. Dass Philip nicht mehr wie Pech und Schwefel hinter ihm steht, muss Timo gespürt haben, denn plötzlich lassen seine Leistungen auf dem Platz nach, er foult und sinkt immer häufiger in Zweikämpfen auf den Boden, bis er ausgewechselt und von den Mannschaftskameraden bald als Schwalbenkönig tituliert wird. Kaum ist Timo aus dem Sportinternat geflogen, steigt Philip zum Lieblingsspieler des Trainers auf. Philip fühlt sich befreit, vermisst aber andererseits Timo sehr. Dafür muss er jetzt nicht mehr befürchten, von der Ersatzbank unvermittelt auf der Rückbank im Auto der ihn abholenden Eltern zu landen. Jahrelang sieht Philip seinen früheren Freund Timo nicht mehr, bis dieser eines Tages nach einem Spiel bei ihm auftaucht und von seinem Leben nach dem Fußball berichtet.

Er hat Jura studiert und Karriere in einer großen Kanzlei gemacht. Spätestens jetzt wird Philip bewusst, dass die häufig erwähnten „telepathischen Fähigkeiten“ von ihm und Timo nichts anderes als tiefe Gefühle füreinander sind, die er - vernebelt vom großen Traum als Fußballstar - nicht wahrhaben wollte. Vielleicht ist der Preis für eine zeitlich begrenzte Profikarriere einfach zu hoch.

Die Fragen liegen in der Luft, auch wenn Philip sie nicht artikuliert. So realistisch der steinige Weg eines Jugendlichen zum Fußballstar geschildert wird: Der familiäre Hintergrund von Philip und Timo bleibt unerwähnt, kann aber für Erfolg oder Misserfolg der Karriere von entscheidender Bedeutung sein.

Dennoch hat Autor Stefan Hornbach ein tolles, gerade für Schulklassen enorm lehrreiches und für Eltern anregendes Jugendstück geschrieben.

„You‘ll never walk alone“, die Hymne der Liverpooler Fußballfans, ist die Botschaft des von Martin Liema mit großartiger Bühnenpräsenz verkörperten Fußballstars Philip, der zu spät die ganz und gar nicht rührselige Quintessenz des Lebens verstanden hat: „Niemand sollte jemals alleine sein“.

Ganz in diesem Sinne waren Martin Liema, Regissseur Albrecht Schroeder, Bühnen- und Kostümbildnerin Verena Salome Bisle, Dramaturgin Susanne Bettels und Theaterpädagogin Marlies Hagelauer am Premierenabend ein unschlagbares Dream-Team.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten