Kunst - „Crisis? What Crisis?“ heißt die Ausstellung mit fünf Positionen erweiterter Malerei im Mannheimer Port25

Gesägt, gebrochen, gespannt

Von 
Christel Heybrock
Lesedauer: 
Krisenfrei in Mannheims städtischer Galerie zu sehen: Jonas Maas’ Werk „Ohne Titel, 2019 (68-teilig)“. © Toni Montana Studio

Wer hat nur den dämlichen Spruch von der „Krise der Malerei“ in die Welt gesetzt? Seit Jahrzehnten spukt der in den Köpfen herum, offenbar auch heute noch. Warum sonst hätte sich Port25-Leiterin Stefanie Kleinsorge (mittlerweile ist sie nach Ludwigshafen gegangen) vor Monaten genötigt gesehen, die heutige Position malender Künstler mit dieser Schau zu hinterfragen: „Crisis? What Crisis?“ Kuratiert wurde das Projekt nun von Galeristin Kim Behm, die anhand von fünf Künstlern (drei Frauen und zwei Männern) beweist, dass – ja dass Malerei etwas anderes ist als früher.

Keiner dieser Fünf steht brav mit Pinsel und Palette vor der Staffelei, das gibt es zwar immer noch und wird auch nicht von den schlechtesten Künstlern praktiziert, aber für die Teilnehmer an dieser Schau spielt es keine Rolle. Für sie ist Malerei einfach kein relevanter Gattungsbegriff, da sich Farbe und Objekte auch mit andern Mitteln, mit fast allen anderen Mitteln, in den Raum auswirken, nun ja, natürlich auch auf die Wand. Was für Betrachter die Rezeption erschweren könnte: Um eine durchgängige künstlerische Haltung zu dokumentieren, wurden die Werke der Fünf nicht säuberlich getrennt nach ihren Schöpfern präsentiert, sondern schon mal das des Einen neben dem des Anderen.

Martin Gerwers stapelte jeweils drei große Holzprismen versetzt übereinander, wobei ihre Dreiecksflächen mal in mattem Gelb in den Raum strahlen, mal in glänzendem Schwarz die Umgebung reflektieren, ein Vexierspiel. Sein hoch empfindliches „Cut Book“ mit in feinsten Schnitten durchbrochenen Seiten deutet eine weitere Überlegung zum Thema Fläche und Raum an.

Geflochtene Farbstreifen

An der Rückwand seiner Abteilung ein flaches kleines Relief aus ineinander geflochtenen Farbstreifen – aber das ist nicht von ihm, sondern von Doris Erbacher, die am anderen Ende der Ausstellungsräume mit einer vielteiligen Wandinstallation vertreten ist. Mitten in der Halle eine große Wand mit 68 Modulen von Jonas Maas, rasterförmig angeordnet im Wechsel aus schwarzroten Streifen- und diffusen grau-violetten Kippformen, dazwischen Leerstellen. Dass ihn die Spannung zwischen Luft und kompakter Fläche interessiert und bei den Flächen auch noch die Spannung zwischen verschwimmenden und scharf definierten Formen, das erweist sich auch bei seinem zweiten Bildobjekt, bei dem gesprayte und gedruckte, metallisch reflektierende und gitterförmig gebrochene Flächen auf einem Gerüst aus quietschgrünen Stäben montiert sind.

Für derart ausgreifende Objekte braucht es ein Gegengewicht, und das lieferte Sophie Innmann, die, so Kim Behm, ein „Nomadenleben“ führt, aber dabei „ortsbezogen“ arbeitet. Das führte zu einem großen dunkelblauen Tuch, das sie in Indonesien auf ein Dach legte und mit Mofareifen und Ziegeln beschwerte, 36 Tage lang.

Nur noch auf der Rückseite ist das Tuch nun dunkelblau, die Schauseite beeindruckt durch einen ruhigen Rhythmus aus Kreisen und Rechteckformen. Nicht genug damit, zwei große matratzenähnliche Matten spannte sie mit orangefarbenen Gurten auf die Vorder- und Rückseite einer Stellwand, so dass die dicken Riesenbiester nun wie ein schwebendes Doppelrelief den Raum um sich herum definieren, mit plastischen Schnürfalten und einem markanten Kontrast aus Dunkelblau (Matratze) und Orange (Gurtband). Bleiben Doris Erbacher und Franziska Reinbothe – beiden muss man eine Sensibilität des Denkens und der intuitiven Reflexion über ihr Material zubilligen. Das führt bei ihnen zu Arbeiten, die auf den ersten Blick zurückhaltend wirken, auf den zweiten irritierend wegen zahlreicher Brechungen und Verschiebungen, aber dann eine reine Freude bewussten Sehens vermitteln. Ein gelbes Bild von Franziska Reinbothe scheint die Abschlusswand des Ausstellungsraums zu akzentuieren, aber die Leinwand hat sich faltenwerfend fast in die Diagonale verschoben – was ist da los?

Dynamik und Verletzlichkeit

Nein, nicht der gelbe Faltenwurf ist das Bild, sondern es ist die Gesamtheit aus Verzerrung, dem lackartig glänzenden gelben Farbauftrag und den matten Farbschichten darunter, die man nur noch ahnt und die an der Kante ein Blau, ein Rot erkennen lassen. Zersägte oder gar nicht erst montierte Keilrahmen, über denen sich Leinwand bauscht, Leinwand aufgeschlitzt und gezerrt – Bilder als Körper mit eigener Dynamik und Verletzlichkeit. Was ist ein Bild?

Auch Doris Erbacher stellt und beantwortet die Frage immer wieder mit zersägten und in perspektivischer Verzerrung zusammen gefügten Bildträgern aus Holz, mit subtilsten Flächenübermalungen, mit dem Insistieren auf einfachsten geometrischen Formen.

Die Ausstellung

  • „Crisis? What Crisis? Positionen erweiterter Malerei“ läuft in der Stadtgalerie Port25 Raum für Gegenwartskunst, Mannheim, Hafenstr. 25-27, bis 8. November, Mi bis So 11-18 Uhr, Do bis 19.30 Uhr.
  • Die fünf teilnehmenden Künstler sind Doris Erbacher, Martin Gerwers, Sophie Innmann, Jonas Maas und Franziska Reinbothe.
  • Zwei Vorträge am 25.9., 18.30 Uhr (über Norbert Nüssle) und am 10.10., 19 Uhr (über Pigmente und Farben) begleiten die Schau sowie ein Konzert in der Reihe Hörsport am 8.11., 20 Uhr. hey

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen