Kunst - Port25 nimmt Werke des Malers Will Sohl als Ausgangspunkt einer vielfältigen Schau unter dem Titel „Artists‘ Books Reloaded“

Künstlerbücher als Weihnachtsgeschenke

Von 
Köbler-Stählin
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Blick in die Ausstellung: Im linken Raum werden verschiedene Künstlerbücher Will Sohls präsentiert. Rechts: die Installation „Cymru“ von Adam Cmiel. © Montana Studios

Da steht sie. Die Dame im knappen Röckchen. Vielleicht trägt sie ihr Artistenkleid. Vielleicht ruft sie „herein spaziert, herein spaziert“. Jedenfalls schaut ein Herr mit brauner Jacke aufmerksam zu ihr hinüber. Andere Personen strömen vorbei. Die Leute wollen ins Innere, wollen sehen und staunen, was in der Manege geboten wird. „Zirkus Erinnerungen“ heißt die aufwendige und farbenfrohe Szene, die der Maler Will Sohl auf dem Einband seines Künstlerbuches illustriert hat. 1940 war das. Auch in anderen Jahren widmet er Ruth, seiner Frau, ein solches Buch. Allesamt sind sie wahre Schätze, die die „Künstlernachlässe, Mannheim“ verwalten und die im Raum für Gegenwartskunst Port 25, gezeigt werden. Sohl ist 1906 in Ludwigshafen geboren worden. Jahre später zieht die Familie nach Mannheim, wo Will das Abitur macht und 1930 Ruth von Davans heiratet. 1969 stirbt er in Heidelberg. Trotz bundesweiter Anerkennung bleibt der Maler stets mit der Region verbunden.

Knapp fünfzig Jahre nach seinem Tod würdigt diese Schau einerseits Will Sohls künstlerische Positionen, geht andererseits mit zeitgenössischer Kunst darüber hinaus. Stefanie Kleinsorge, Direktorin des Port 25, fragte in Form einer Ausschreibung, wie Bezüge zum Medium Künstlerbuch aktuell aussehen. Über achtzig Bewerbungen gingen ein. Fünf davon wurden ausjuriert und diese verknüpfen sich äußerst reizvoll mit Sohls Arbeiten.

Will Sohl ist der Raummittelpunkt gewidmet, der eine Bibliotheksatmosphäre, einen Lesesaal, bereithält. Mit Schreibtisch, Regalen und den Künstlerbüchern, die zum Anfassen ausgelegt sind. Überhaupt: Diese Schau bietet dem Besucher eine Erlebniswelt voller Aufmerksamkeiten.

Knappe, symbolhafte Zeichen

Adam Cmiel hat dafür einen ganzen Landstrich mitgebracht. Wer möchte, kann in seiner Installation spazieren gehen, die über einen Wald zum Meer führt. Die „Reisenotizen“ des Künstlers spielen am mythenumrankten Ort Portmeiron im englischen Wales. Hier fährt eine Eisenbahn, lehnt ein Rucksack am Baum und verstreute „blaue Augen“, die wie im Blümchen-Hit „ganz sentimental“ werden lassen, sind im Sand aufzuspüren. Auch in seinen Bildern gehen die Erlebnisse weiter: Eine grüne Fläche, die Wiese, ist mit weißen Punkten, den Schafen, bevölkert. Das ist nur ein Beispiel seiner knappen und symbolhaften Zeichen, die zu beschmunzeln sind.

Poetische Spurensuche

Eine andere künstlerische Recherche hat Fritz Eicher eingebracht. Er widmet sich dem prallen Leben von Pilzen, Bakterien oder Algen. Komplexe Strukturen solcher Kolonien breiten sich über die Wand, den Tisch, den Stuhl bis in den Raum aus. Eichers Fahndung zum ökologischen Wandel ist ein interessantes Forschungs- und Zukunftsbuch, aus dem ornamentale Formen wachsen.

Als jüngster Künstler ist Johannes Listewnik vertreten. Zwischen Malerei, Zeichnung und Graffiti zeigen seine Plakate im Großformat, was sich in seinen Büchern nachblättern lässt. Wie seine Mitstreiter hält auch er Eindrücke fest, die in seinem Alltag auftauchen, die er entdeckt, hört und sieht. Seine Impressionen sammelt er in mehrfarbigen Risografien, eine Art digitaler Siebdruck, die haptisch zu erforschen sind. Denn im Heft darf man blättern. Wie im weiteren Buch, dessen Inneres einem entgegenflattert. Listewnik hat die Seiten mit Laser ausgeschnitten, dass sie die sanfte Leichtigkeit eines Augenblicks entfalten.

Jörg Baier ist auf poetische Spurensuche gegangen. Der Künstler bezieht sich auf die Novelle „Silvie“ von Gérard de Nerval, einem französischen Romantiker. Wie die weite literarische Reise selbst, erstrecken sich auf einem langen Tisch drei Leporellos. Zeichnerische und malerische Elemente greifen fein ineinander und vermischen sich wie die Zeiten, Ebenen und Sichtweisen im Buch. Sie symbolisieren die drei Romanheldinnen in einer gefälligen Referenz an die Buchform.

Das sind spannende Positionen und Margarete Lindau hat mit ihrer „Edition Erinnerungslandschaften“ nicht weniger Reizvolles eingebracht. In einer Art Arbeitsraum kann man Wetter, Landschaft und Stimmungen selbst erstellen. Das geht am „Copydrawing3“, einer Maschine die Linien und Flächen aus ihren Teilzeichnungen neu komponiert. Das macht Spaß und erstellt ein ganz persönliches Exemplar. Ein Erlebnis zum Mitnehmen.

Will Sohl und die Ausstellung



  • Der Maler Will Sohl wurde 1906 in Ludwigshafen geboren und starb 1969 in Heidelberg.
  • 1949 würdigte die Kunsthalle Mannheim Will Sohl (1906-1969) mit einer Einzelausstellung. Die Künstlerbücher malte er als Weihnachtsgeschenke für seine Ehefrau.
  • Die Ausstellung „Will Sohl-Artists‘ Books Reloaded“ im Port 25 (Hafenstraße 25-27) eröffnet am morgigen Freitag, 22. Juni, um 19 Uhr. Sie läuft bis 26. August.
  • Zeitgenössische Positionen zeigen Jörg Baier, Adam Cmiel, Fritz Eicher, Margarete Lindau und Johannes Listewnik. 

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