Das Interview - Die Lampertheimer Konzertorganistin Elke Völker über das Instrument des Jahres – die Orgel

„Menschliche Resonanz ist pures Glück“

Von 
Uwe Rauschelbach
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Elke Völker ist auch in der Region als Konzertorganistin und Kirchenmusikerin unterwegs. © Stefan Hebling

2017 hat die Unesco die Orgelmusik und den Orgelbau zum Weltkulturerbe ernannt. Für 2021 ist die Orgel zum Instrument des Jahres gekürt worden. Welche besondere Bewandtnis es mit diesem Instrument hat, erläutert die Kirchenmusikerin und Konzertorganistin Elke Völker aus Lampertheim.

Frau Völker, warum wird um die Orgel so viel Aufhebens gemacht?

Elke Völker: Die Orgel hat eine herausragende Stellung. Das Instrument ist Jahrtausende alt und von großer geschichtlicher Relevanz. Es bildet unterschiedliche Traditionen ab, die man an der Rolle der Orgel in anderen Ländern, aber auch an der Instrumentenentwicklung bis heute ablesen kann. Sie hat einfach Größe, nicht nur von ihrer Anlage her, und vereint in sich Superlative auf vielen Ebenen. Übrigens zählt Deutschland dabei zu den wichtigsten Ländern, wenn wir die Weiterentwicklung des Orgelbaus oder der Orgelmusik betrachten. Deshalb ist die Orgel völlig zu Recht das erste Tasteninstrument des Jahres überhaupt und verdient die verstärkte Beleuchtung ihrer Facetten.

Dennoch ist die Orgel in erster Linie kirchlich gebunden.

Völker: Die Orgel wird bei uns tatsächlich hauptsächlich als Kircheninstrument wahrgenommen. Doch das ist nicht überall so. Es gibt weltweit so viele unterschiedliche Orgeln außerhalb von Kirchen – Konzertsaalorgeln, mechanische Instrumente mit Rollen gespielt, Hausorgeln in Wohnzimmern oder sogar Open-Air-Orgeln in Parkanlagen. Ich bin viel in Russland unterwegs, da spielt die Orgel aufgrund der orthodoxen Religion als Kircheninstrument keine Rolle, sondern ist eines der meistbejubelten Konzertinstrumente, letzteres ebenso in Italien oder Spanien.

Was macht den Orgelklang so besonders?

Völker: Was die Orgel hervorstechend auszeichnet, ist, dass der Klang nicht verklingt, sondern durch den anhaltenden Luftstrom Dauerhaftigkeit im Raum erlangt. Durch das physische Erleben des Orgelklangs und der Orgelmusik werden Menschen unmittelbar angesprochen. Ich würde das als eindrücklich religiöses Moment bezeichnen und die Kirche als den Ort, an dem Erfahrungen der Transzendenz ihre Heimstatt haben. Dort ist das eigentliche Zuhause der Orgel.

Wo steht die Orgelmusik heute?

Völker: Aktuelle Orgelprogramme haben häufig den Zusatz „Orgel plus“: Orgel erklingt nicht nur alleine, sondern zusammen mit auf den ersten Blick ungewöhnlichen Partnern wie Harfe, mit Tanz oder Lyrik. Auch werden Elektronik und Digitales mit Orgelmusik kombiniert. Zeitgenössische Komponisten reizen die Klangfarben der Orgel neu und anders aus. Das Spielfeld ist schier unendlich.

Dennoch überwiegen bei Orgelkonzerten eher traditionelle Programme. Ist da noch Luft nach oben?

Völker: Ja. Man tut gut daran, Programme so zu wählen, dass das Publikum die Möglichkeit hat, mitzugehen und dabei zu bleiben. Ich finde es aber darüber hinaus wichtig, moderne Orgelmusik einzubinden. Sie spiegelt unser heutiges Erleben und Denken wider.

Wie kommen Sie als Organistin mit der gegenwärtigen Krise zurecht?

Völker: Im Moment ist meine Tätigkeit etwa zur Hälfte eingeschränkt. Ich habe mich digital aufgerüstet, habe einen Youtube-Kanal eingerichtet, kann Online-Gottesdienste spielen, Musikvideos aufnehmen und auf diese Weise musikalische und geistliche Impulse anbieten. Ansonsten plane ich Konzerttermine ab der zweiten Hälfte dieses Jahres. Gerade erst habe ich eine Einladung für eine Finnland-Tour erhalten.

Sie haben den deutschlandweit ersten digitalen Orgelwettbewerb begründet.

Völker: Die Konzerte im Rahmen des Deidesheimer Musikherbstes, deren künstlerische Leiterin ich bin, konnten wegen Corona nicht stattfinden. Daraus entstand die Idee, einen digitalen Orgelwettbewerb auszurichten. Das gab es in Deutschland bisher noch nicht. Die Resonanz war überwältigend: Wir hatten 17 Teilnehmer aus sechs Ländern. Dieses Format möchte ich beibehalten und weiterentwickeln, auch über die Pandemie hinaus.

Wie kann man sich einen Musikwettbewerb unter digitalen Bedingungen vorstellen?

Völker: Die Teilnehmer bekamen ein Programm, das sie einspielen mussten. Sie konnten ihre Instrumente aber frei wählen. Am Ende wurden die Videoaufnahmen von einer internationalen Jury bewertet. Eine aufregende Form, Beschränkungen und auch Ländergrenzen zu überwinden.

Fühlen Sie sich als Solokünstlerin in der gegenwärtigen Krise gut unterstützt?

Völker: Die Maßnahmen des Bundes greifen für mich leider nicht. Wobei ich mich nicht allzu sehr beklagen kann. Außerdem fördern das Land Hessen oder der Deutsche Musikrat Projekte. Eine Zusage habe ich gerade bekommen, eine zweite Bewerbung läuft noch. Im Unterschied zu Kollegen, die Grundsicherung beantragen mussten, verfüge ich noch über ein gewisses Einkommen. Von anderen Künstlern weiß ich, dass beantragte Gelder auch nach Monaten noch nicht ausgezahlt wurden.

Erleben Sie die Orgel in so schwierigen Zeiten wie diesen als trostspendend?

Völker: Ja. Aber eigentlich in jeder Lebenslage. Als ich nach den Wochen des ersten Lockdowns erstmals wieder in einem Gottesdienst an der Orgel saß oder das erste Konzert spielte, war das für mich ein absoluter Höhepunkt. Das Spielen selbst und die Gemeinde oder das Publikum als Gegenüber zu haben, die menschliche Resonanz auf die musikalische zu spüren, ist pures Glück.

Dennoch wird die Orgel nicht in jeder Kirchengemeinde in Ehren gehalten. Manchmal ist sie nur ein lästiger Kostenfaktor.

Völker: In manchen Gemeinden wird die Orgel tatsächlich nicht mehr als tragendes Instrument wahrgenommen. Ein solches Instrument verstaubt und verfällt dann regelrecht. Dabei ist die Orgel das einzige Instrument, das die Stimme der Gemeinde tragen kann. Es hat schon vielfältige gute Gründe, warum die Orgel in einer Kirche steht. Albert Schweitzer hat das Richtige gesagt: „Eine Kirche ohne Orgel ist wie ein Körper ohne Seele.“

Vielfach ausgezeichnet

Elke Völker wurde in Lampertheim geboren.

Sie hat an den Musikhochschulen in Mannheim-Heidelberg, Paris und Chicago Orgelmusik studiert, ferner Katholische Kirchenmusik an der Uni Mainz.

Sie ist Konzertorganistin und leitende Kirchenmusikerin an der Pfarrei Heilige Cäcilia in Ludwigshafen.

Zuvor war sie 16 Jahre lang Dommusikerin am Speyerer Dom.

Sie leitet mehrere Chöre: den Cäcilienchor Ludwigshafen, die Singschule Ludwigshafen, den Deutschen Rotary-Chor und den Frauenchor Chorisma in Lampertheim.

Elke Völker ist ausgebildete Orgelsachverständige.

Sie ist Preisträgerin internationaler Orgelwettbewerbe, darunter Speyer und Paris.

Elke Völker ist künstlerische Leiterin des Deidesheimer Musikherbstes.

Ihr aktuelles und preisgekröntes CD-Projekt ist das Orgelwerk von Sigfrid Karg-Elert.

Nähere Informationen auch unter www.elkevoelker.de urs

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