Ein einfaches Leben hatte er nicht, aber ein langes: Edgar Schmandt, am 12. Januar 1929 in Berlin geboren, ist tot. Er starb am Samstag um 11 Uhr im hohen Alter von 91 Jahren im Mannheimer Theresienkrankenhaus. Das bestätigte die Lebensgefährtin des Malers, Christiane Klein, am Sonntag auf Nachfrage.
Schmandts stets jugendlich agiles, freundliches Auftreten enthielt ein Maß an kritischer Wachsamkeit und persönlichem Engagement, das nicht auf Anhieb wahrgenommen wurde. Vielmehr zeigte es sich erst im Gespräch und in der Auseinandersetzung mit seinen Bildern – und die waren und sind auch nach seinem Tod nicht einfach zu rezipieren.
In „todsicheren“ Einsätzen
Schmandt war in eine Zeit des Umbruchs hinein geboren worden – die Weimarer Republik begann unter sozialpolitischen Spannungen zu zerreißen. Als er zehn Jahre alt war, provozierten die Nazis den Zweiten Weltkrieg, der zur völligen Zerstörung Berlins führen sollte. Mit 16 Jahren wurde er zusammen mit anderen Jugendlichen, die wie er keinen Ariernachweis erbringen konnten, in „todsichere“ Einsätze geschickt – Schmandt desertierte: „Ich habe wahrscheinlich nur überlebt, weil ich keinen Ariernachweis hatte, ist das nicht verrückt?“
Auch sein späteres Leben empfand er immer wieder als „bizarren Schleudergang einer politischen Waschmaschine“, dabei hatte er früh Erfolge, von denen andere Künstler lange träumen. Mit seiner ersten Ausstellung 1946 dokumentierte er die in Trümmern liegende Stadt: „Nie wieder Krieg – sagten wir 1946“ schrieb Schmandt 70 Jahre später auf einen Neujahrsglückwunsch mit dem Aquarell des ausgebrannten Hertie-Kaufhauses. Damals wurde ein sowjetischer Offizier auf ihn aufmerksam und wollte ein Stipendium nach Moskau vermitteln. Schmandt lehnte ab, heiratete später eine Schauspielerin und musste sich fortan zwischen der sowjetisch besetzten und der alliierten Zone Berlins bewegen, um seine Frau zu sehen. Das machte ihn als Spion verdächtig: Eines Morgens um vier Uhr seilte er sich in letzter Minute aus dem Fenster ab, bevor die Schergen eintrafen. Die schnappten ihn dann doch – Schmandt kam für fast zwei Jahre ins Gefängnis. Als er 1956 entlassen wurde, hatte er genug von Berlin, das als Stachel im Fleisch der DDR zum politischen Symbol geworden war – und zog in den Süden nach Mannheim.
Monatelange Arbeitspause
Seine Hoffnung, dass die geografisch günstige Lage internationale Kontakte ermöglichen würde, trog nicht – Schmandt erregte Aufsehen mit seinen anspruchsvollen, verschlüsselten Bildern und dem kritischen Ernst, der sich darin ausdrückte. Er bekam Stipendien in der Cité des arts in Paris, in der Villa Massimo in Rom, der Villa Romana in Florenz, er stellte aus, trat unter anderem dem Deutschen Künstlerbund bei.
Es war nach außen ein erfolgreiches Leben in geordneter Bahn. Kunsthallendirektor Heinz Fuchs richtete ihm 1966 eine Einzelschau ein, worauf ein Rundfunkkritiker Anstoß nahm an den rätselhaften Zeichen und Symbolen in seinen Bildern und sie in die Nähe von Nazi-Emblemen rückte. Schmandt, einem neuen „Schleudergang“ ausgesetzt, war so entsetzt, dass er monatelang nicht arbeiten konnte.
Innere Zerreißproben bei äußerer Ruhe prägten seine Existenz. Das Atelier in der Sternwarte, das Wohnatelier in einem historischen Anwesen in B5, sie hinderten ihn nicht, die Kulturpolitik Mannheims sarkastisch zu kritisieren, weil ihn Gleichgültigkeit und Wirtschaftspriorität schmerzten. Schmandt nutzte das Wort als Angriffswaffe und die Bilder als Sonde in die Tiefe.
Von Gegenwart überwuchert
Was an Konflikten unter der Oberfläche der menschlichen Existenz lauert, es brachte ihn beispielsweise in einem Zyklus in die Nähe der Prinzhornsammlung. Seine Arbeiten aus Paris, 1985 in der Kunsthalle und 2014 in der Galerie Falzone ausgestellt, sind so weit entfernt von der modernen wie von der klassizistischen Metropole des Stadtarchitekten Georges-Eugène Haussmann. Schmandt spürte vielmehr dem in der Tiefe noch vorhandenen alten Paris nach, dem Marais, den Markthallen, der von Gegenwart überwucherten Geschichte.
Die dunklen Farben in seinen Bildern, die zu Zeichen verdichtete Dramatik fordern auch vom Betrachter den Blick unter die Oberfläche: „Ich bin kein Maler der Farben“, sagte er von sich. Das flott Erkennbare, die Attraktion des Sichtbaren forderten Schmandt vielmehr zu Sarkasmus heraus. Wie tief er berührt wurde von politischen Unmöglichkeiten, ließ sich auch aus den Postkarten ersehen, die er seinen Bekannten jeweils zum Jahresende schickte. Mail Art als fast wortloser politischer Kommentar: „Frohe Bio Weihnacht“ wünschte er 2012, sein Weihnachtsmann trug Apfelmütze und Gasmaske.
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