Wer 22,90 Euro ausgibt, bekommt wahrscheinlich 10 Cent zurück – und kann sie gleich mal benutzen. Der Katalog zur Ausstellung „Amok“ von Nadine Fecht in der Mannheimer Kunsthalle hat ja eigentlich ein schwarzes Cover mit weißer Titelschrift, aber das sieht nur so aus. Wenn man mit dem Geldstück darüber rubbelt, kommt etwas zum Vorschein unterm Schwarz. Und was zum Vorschein kommt? Partien einer Zeichnung der Künstlerin, Wörter in verschiedenen Schriften, Zahlen, durchgestrichen… rätselhaft.
Es geht um das Phänomen der Schichten. Alles, was die in Mannheim gebürtige und in Berlin lebende Künstlerin beschäftigt, ist die Mehrbödigkeit unserer Gesellschaft, unserer Wahrnehmungen, unserer Konflikte. Schon der Titel „Amok“ weist auf einen Akt von Gewalt hin. Die Gleichzeitigkeit sozialer Spannungen muss man sich bewusst machen – und aushalten.
Texte klug verfasst
Dieses Anliegen von Nadine Fecht, in der Schau sichtbar gemacht an großformatigen Schriftzeichnungen, Videos und einer Installation mit Plattenspieler, vertraten die Künstlerin selber und Grafikkurator Thomas Köllhofer bei der Katalogpräsentation mit anschließender Führung vor zahlreichem interessiertem Publikum. Viele Arbeiten erschließen sich nur schwer durch bloßes Anschauen, ihre Komplexität ist aber anhand des durchdacht gestalteten Katalogs erkennbar.
Und am besten liest man die klugen Texte von Köllhofer, dem FAZ-Mitarbeiter Kolja Reichert und der freien Kuratorin Krisztina Hunya, nachdem man die Schau gesehen hat. Und dann kommt man noch mal her. Was Nadine Fecht zu sagen hat, greift letztlich ins eigene Leben ein und macht einem klar, zwischen welchen Konfliktschichten (politischen, sprachlichen, kulturellen und persönlichen) man sich täglich bewegt und wie man mit ihnen umgehen kann: gelassen. Mit eindringlicher, leiser Stimme vertrat Fecht diese Haltung auch beim Rundgang.
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