Mannheim. 4000 Menschen regungslos, es herrscht absolute Stille, 4000 Menschen schweigen acht Minuten und 46 Sekunden lang – sie sitzen im Schlosshof auf dem Boden und haben die Hand zur Nelson-Mandela-Faust geballt. Die Geste spielt auf die erhobene Faust an, mit der der spätere und erste schwarze Präsident Südafrikas am 11. Februar 1990 durch das Tor des Victor Verster Gefängnisses bei Kapstadt schritt. Der Tag markiert das Ende der Apartheid in Südafrika und damit das Ende der Rassentrennung. Andere im Schlosshof liegen mit dem Bauch auf dem Boden, die Hände auf dem Rücken, so wie der Afroamerikaner George Floyd bei seiner Festnahme in der US-Stadt Minnesota Ende Mai, als ein Polizist acht Minuten und 46 Sekunden auf ihm kniete, ihm dabei die Luft abdrückte und er starb. Es ist eine quälend lange Schweigeminute ganz zu Beginn der Demonstration gegen Diskriminierung und Rassismus, zu der eigentlich nur 1000 Menschen erwartet worden waren, zu der am Samstagmittag aber letztlich geschätzte 4000 Menschen gekommen sind und im Schlosshof ein eindrucksvolles Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung setzten.
Negative Erfahrungen aufgrund der Herkunft
„Es hat gut getan“, sagen Salem, Aida, Merve und Elena am Ende der Demonstration, „wir waren die letzten Tage etwas hilflos, die Ereignisse in den USA haben uns bewegt.“ Die vier Jugendlichen haben Wurzeln in Eritrea und der Türkei, sie sind in Deutschland geboren und aufgewachsen und haben eines gemeinsam: Sie alle haben schon mal negative Erfahrungen wegen ihrer Herkunft machen müssen. Es sind auffällig viele Jugendliche unter den Teilnehmern, viele davon mit Migrationshintergrund. Viele haben Plakate mitgebracht, ganz einfache auf denen nur „8:46“ steht in Erinnerung an die Zeit, in der der Polizist auf Floyd kniete, oder „BLM“, die Anfangsbuchstaben von Black Lives Matter, übersetzt Schwarze Leben zählen. Es ist der Slogan der Protestbewegung gegen Rassismus in den USA, der auch am Samstag anklagend wiederholt aus 4000 Kehlen schallt.
Zahlreiche Redner prangerten den Rassismus an und forderten Gleichberechtigung: Per Wutrede, per Gedicht, per Ansage oder musikalisch. Als einzige Politikerin sprach die in der Türkei geborene Linke Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut, die Deutschland als ihre Heimat bezeichnete: „Mannheim ist meine Heimat, wir alle sind hier zu Hause, wir alle sind ein Teil dieser Gesellschaft.“ Sie machte klar, dass nicht „die Geflüchteten und Migranten für die Probleme dieser Gesellschaft hinhalten müssen.“ In ihrer kämpferischen Rede prangerte sie unter tosendem Applaus die Ursachen direkt an: „Das Problem hier ist die AfD, das Problem hier ist Rassismus, das Problem ist Faschismus.“
Topmodel, Politikerinnen und Sänger als prominente Gäste
Auch Prominenz war zur Demonstration gekommen wie der Afroamerikaner und nun in Mannheim lebende Sänger Charles Shaw, der einst mit der Popband Milli Vanilli produzierte und heute hier als die Classic Brothers bekannt ist: Mit den tausenden Demonstranten sang er den Song "Stand by me". „Die Jugend ist unsere Zukunft“, sagte er im Hinblick auf das junge Publikum und verurteilte jede Art von Rassismus. Und für viel Gekreische besonders unter den jüngeren Teilnehmern sorgte auch der Auftritt von Toni Dreher: Das in Stuttgart geborene Model mit nigerianischen Eltern gewann 2018 die Castingshow Germany’s Next Topmodel. Sie machte eindrucksvoll deutlich, dass ihre Hautfarbe keine Gefahr darstelle.
Melis Sekmen, die Fraktionschefin der Grünen im Stadtrat war unter den Demonstranten und sprach von „einem starken Zeichen unserer Stadt gegen Diskriminierung, Hass und Rassismus“ sowie von der „gelebten Mannheimer Tradition der Vielfalt.“ Auch der Linken-Stadtrat Thomas Trüper war als Demonstrant gekommen und fand ebenfalls deutliche Worte gegen den Rassismus. Die Veranstaltung verlief insgesamt sehr friedlich, die Veranstalter riefen wiederholt zum Tragen des Mundschutzes sowie zum Abstandhalten auf, was auch weitgehend eingehalten wurde. Die Polizei sprach am Ende voller Lob gar von einer „Vorzeige-Demonstration“, so gut und einträchtig lief alles ab.
Am Ende wurde aus der Demonstration noch eine Party mit viel Getanze und als Zeichen der bleibenden Mahnung klemmten viele Demonstranten ihre Plakate an den Zaun am Schlosshof. „Wir sind überwältigt“, sagten die Veranstalter nach dem Erfolg ihrer ersten Demonstration und kündigten bereits die nächste Demonstration gegen Rassismus und Diskriminierung an: „Es ist nicht das letzte Mal, dass wir uns sehen.“
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